Kommentar von Christian von Hirschhausen
Die Wahlen am 14. September 2014 läuten den Einstieg in den Ausstieg der Braunkohle in der Lausitz ein. Nein, natürlich nicht die Landtagswahlen in Brandenburg, wo die zukünftige Regierung – unabhängig von der zu bildenden Koalition – noch an der „Brückentechnologie“ Braunkohle festhalten möchte. Dagegen wird die neue Regierung in Schweden, voraussichtlich unter einem Ministerpräsidenten Löfven von den Sozialdemokraten, die Dekarbonisierung ihres staatlichen Energiekonzerns Vattenfall konsequent voranbringen.
Und gerade dieser „grüne“ Energiekonzern – Vattenfall bedeutet „Wasserfall“ – hat ausgerechnet in der Lausitz noch mit einem Sanierungsfall aus Zeiten vor der Energiewende zu kämpfen, der all seine Nachhaltigkeitsziele torpediert: mit der Braunkohle. Bereits heute hat die schwedische Regierung, 100-prozentige Eigentümerin von Vattenfall, dem Konzern eine Reduktion des CO2-Ausstoßes von derzeit über 80 Millionen Tonnen im Jahr auf unter 65 Millionen Tonnen im Jahr 2020 vorgeschrieben. Dieses Ziel ist mitnichten mit dem in der Lausitz geplanten Aufbau neuer Tagebaue und neuer Kraftwerkskapazitäten zu erreichen, sondern nur mit deren Schließung.
Eigentlich stand das Ergebnis schon vor der Wahl fest. Denn angesichts der ambitionierten Energie- und Klimastrategie Schwedens der letzten Jahre passte die CO2-intensive Braunkohleverstromung des deutschen Tochterunternehmens schon seit längerer Zeit nicht mehr in das Portfolio. So will Schweden bis zum Jahr 2020 den Treibhausgasausstoß um 40 Prozent gegenüber dem Ausgangsjahr verringern, unter anderem auch durch Reduzierung im europäischen Ausland; bis 2050 ist eine vollständige Dekarbonisierung des Energiesystems festgeschrieben. Spätestens in der schwedischen „Elefantenrunde“ am 4. September wurde dann auch deutlich, dass alle dort vertretenen Parteien den Einstieg in den Ausstieg befürworten: Auf die Frage, ob Vattenfall der Ausbau der Lausitzer Braunkohle untersagt werden solle, zogen alle Anwesenden, selbst Noch-Ministerpräsident Reinfeldt, die grüne Karte und zeigten damit der Lausitzer Braunkohle die rote.
Der Regierungswechsel wird dennoch den Druck erhöhen, auf die seit längerem erkannten Warnzeichen nunmehr konkret zu reagieren. Gerade im Vorfeld der Weltklimakonferenz in Paris im Herbst 2015 wird der schwedische Koalitionsvertrag mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur eine Bestätigung, sondern eine Verschärfung der nachhaltigen Energie- und Klimapolitik enthalten. Eine expansive Braunkohlepolitik des nationalen Champions der schwedischen Energiewende – bereits heute stammen 60 Prozent der schwedischen Elektrizität aus erneuerbaren Energien – ist mit diesen Zielen unvereinbar.
Da der Verkauf der Braunkohlesparte und der Weiterbetrieb durch ein anderes Unternehmen nicht nur aufgrund der erheblichen inhärenten Risiken unwahrscheinlich ist, sondern auch politisch abgelehnt wird, besteht eine sinnvolle Lösung nun in einer Konversion des Unternehmens in Richtung neuer, mit der Energiewende kompatibler Technologien (erneuerbare Energien, Speichertechnologien, Power-to-Gas, etcetera) sowie einem schrittweisen Braunkohleausstieg Vattenfalls – übrigens in Übereinstimmung mit der Energiestrategie 2030 des Landes Brandenburg, die einen Übergang zu 100-prozentiger Versorgung mit erneuerbaren Energien vorsieht.
Prof. Dr. Christian von Hirschhausen ist Forschungsprofessor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e.V.
Der Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder.
->Quelle: diw.de