EU-Kommission besorgt um Koalitionsstreit

Deutschland positionslos zur Energieeffizienz-Richtlinie

Die Bundesregierung fuhrt offenbar erneut zu einem EU-Energieministerrat, ohne sich zuvor koalitionsintern auf eine Verhandlungsposition zur Energieeffizienz-Richtlinie geeinigt zu haben. In Brüssel wird seit Monaten ohne die Deutschen verhandelt. Die EU-Kommission ist besorgt.

Sie kommen einfach nicht zusammen: Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) haben sich auch beim Krisengespräch am 13. Februar nicht auf eine Position zur Energieeffizienz-Richtlinie einigen können, berichten mehrere Medien. Dabei stehen am Dienstag (14. Februar) weitere Beratungen im EU-Energieministerrat an.

Das unabgestimmte Verhalten der Deutschen wird in Brüssel inzwischen mit Sorge betrachtet. „Die Deutschen sagen nichts. Sie haben keine Position und das ist schade“, sagte ein Kommissionsbeamter. Die Deutschen hätten sich bisher nicht an den Debatten im Ministerrat beteiligten. Es sei für sie daher schwer, die Richtung der Verhandlungen zur Energieeffizienz-Richtlinie zu beeinflussen. „Es wächst die Gefahr, dass ein Nein der Deutschen oder ein später Alternativvorschlag eine Einigung zwischen Rat und dem Europäischen Parlament in erster Lesung verhindert“, hieß es aus Kommissionskreisen.
Die EU-Kommission hatte am 22. Juni 2011 einen Entwurf zur Energieeffizienz-Richtlinie vorgelegt. Der Industrieausschuss im Europäischen Parlament wird sich voraussichtlich Ende Februar mit dem Vorschlag beschäftigen. Die Verhandlungen zwischen Parlament und Rat sollten nach den ursprünglichen Plänen der Kommission im Juni abgeschlossen sein.

Vorschläge der Kommission

Die Kommission wirbt in ihrem Entwurf für die folgenden sechs Maßnahmen:
1) Es soll eine rechtliche Verpflichtung zur Aufstellung von Energiesparplänen in allen Mitgliedsstaaten geben. Die Energieverteiler und Energieeinzelhandelsunternehmen müssen jedes Jahr Einsparungen in Höhe von 1,5 Prozent ihres Energieabsatzvolumens erzielen, indem bei den Endkunden Energieeffizienzmaßnahmen (z. B. Effizienzverbesserung des Heizungssystems, Einbau von Doppelglasfenstern, Dachisolierung) durchgeführt werden. Alternativ dazu können die Mitgliedstaaten auch andere Energiesparmechanismen vorschlagen, z. B. Förderprogramme oder freiwillige Übereinkünfte, die zu den gleichen Ergebnissen führen, aber nicht auf Verpflichtungen für die Energieunternehmen beruhen.

2) Der öffentliche Sektor soll mit gutem Beispiel vorangehen: Durch eine rechtliche Verpflichtung zur Beschaffung energieeffizienter Gebäude, Produkte und Dienstleistungen werden öffentliche Einrichtungen die Marktakzeptanz energieeffizienter Produkte und Dienstleistungen fördern. Daneben werden sie durch die obligatorische Renovierung von jährlich mindestens 3 Prozent ihrer Gesamtgebäudefläche schrittweise den Energieverbrauch in ihren eigenen Räumlichkeiten reduzieren müssen.

3) Durch einen einfachen und kostenlosen Zugang zu Echtzeit- und historischen Energieverbrauchsdaten dank genauerer individueller Verbrauchserfassung sollen die Verbraucher ihren Energieverbrauch besser steuern können. Die Abrechnung sollte auf dem genau erfassten tatsächlichen Verbrauch beruhen.

4) Für Kleine und mittlere Unternehmen sollen Anreize geschaffen werden, Energieaudits durchzuführen und die besten Verfahren zu verbreiten, während große Unternehmen ein Energieverbrauchsaudit vornehmen müssen, das es ihnen erleichtert, Energieeinsparungspotenziale zu ermitteln.

5) Eingeführt werden soll eine Überwachung der Effizienzniveaus neuer Erzeugungskapazitäten, Erstellung nationaler Wärme- und Kältepläne als Grundlage für eine solide Planung effizienter Heizungs- und Kühlungsinfrastrukturen einschließlich Abwärme-Rückgewinnung.

6) Effizienzgewinne sollen erzielt werden, indem gewährleistet wird, dass die nationalen Regulierungsbehörden bei ihren Entscheidungen – insbesondere bei der Genehmigung von Netztarifen – Effizienzkriterien Rechnung tragen.
mka

Reaktionen

Die Bundesregierung müsse sich mit einer klaren Haltung in die Beratungen der EU-Energieeffizienzrichtlinie einbringen, forderte der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Herbert Reul (CDU). „Es kann nicht sein, dass die größte Volkswirtschaft der EU in dieser zentralen Frage keine Position in die Verhandlungen einbringen kann. Es geht schließlich um das konkrete Wie der Energieeinsparung vor Ort“, so Reul vor dem Treffen der EU-Energieminister in Brüssel.

Reul lehnte starre EU-weite Vorgaben ab und plädierte stattdessen für nationale Einsparziele. „Wir sollten die Kreativität des konkreten Einsparens den Verwaltungen und Energieunternehmen in den Mitgliedstaaten überlassen. Die unterschiedlichen Gegebenheiten vor Ort erlauben nicht den gleichen Ansatz von Portugal bis Finnland“, so Reul

Rebecca Harms, Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament: „Es ist unerträglich, dass sich die deutsche Regierung ausgerechnet beim Thema Energieeffizienz nicht klar positioniert. Obwohl sich alle Welt einig zu sein scheint, dass eine effiziente und sparsame Nutzung von Energie die Voraussetzung für eine erfolgreiche Klimaschutzpolitik ist und die Abhängigkeit von Energieimporten und die Energierechnung für Verbraucherinnen und Verbraucher reduziert, steht die deutsche Regierung weiter auf der Bremse. Damit gefährdet sie nicht nur die heimische Energiewende, sondern erschwert auch den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zur Energieeffizienzrichtlinie auf europäischer Ebene. Die deutschen Erfahrungen mit der Energiewende und die deutsche Entscheidung zum Atomausstieg müssen für die Bundesregierung zur Leitidee für die aktive Gestaltung einer nachhaltigen Europäischen Energiepolitik sein. Norbert Röttgen blamiert sich, wenn er zulässt, dass Wirtschaftsminister Philipp Rösler Blockadepolitik betreibt, wann immer es um ökologische und ökonomische Vernunft in der Energiewirtschaft geht. Die bornierte Anti-Öko-Strategie der FDP darf nicht der deutsche Ton in Brüssel sein.“

Claude Turmes, Berichterstatter für die Energieeffizienzrichtlinie im Europaparlament ergänzt: „Die klirrende Kälte der letzten Wochen und steigende Öl- und Gaspreise haben die Energiekosten für die EU-Bürger in die Höhe getrieben. Die beste Antwort auf steigende Energiekosten ist eine ambitionierte Energieeffizienzgesetzgebung. Die günstigste Energie ist die, die man nicht verbraucht. Investitionen in bessere Isolierung der Häuser werden den massiven Transfer von Wohlstand von EU-Bürgern an Öl- Und Gasproduzenten reduzieren. Die Energieeffizienzrichtlinie kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Die Regierungen müssen nun endlich die Blockade beenden und den Weg frei machen für eine energieeffizientere EU. Verbindliche Maßnahmen im Effizienzbereich werden Vertrauen bei Investoren und Tausende von Jobs in der EU schaffen. Beides ist in der aktuellen Krise unverzichtbar.“

->Quelle: euractiv.de/energie-und-klimaschutz/artikel/energieeffizienz-eu-kommission-besorgt-um-positionslose-bundesregierung-005966?newsletter