Die älteste ans Netz angeschlossene PV-Anlage Europas steht in der italienischen Schweiz
Am 13. Mai liefert eine Photovoltaik-Testanlage im Tessin seit genau 30 Jahren Strom ins öffentliche Elektrizitätsnetz. Dass die Anlage einen so hohen Geburtstag feiern kann, hängt zwar von verschiedenen Faktoren ab: Aber bei entsprechender Wartung können Solaranlagen bis ins hohe Alter zuverlässig Strom produzieren, wie das in «energeia» (herausgegeben vom schweizerischen Bundesamt für Energie) beschriebene Beispiel zeigt.
Die Geschichte der Photovoltaik ist natürlich älter als 30 Jahre. Der Durchbruch in der Entwicklungvon Solarzellen gelang bereits in den 1950er Jahren und auch in der Schweiz gibt es ältere Anlagen. Das Sonnenkraftwerk auf dem Dach der Fachhochschule der italienischen Schweiz (Scuola Universitaria Professionale della Svizzera Italiana, SUPSI) in Lugano ist aber die erste Anlage in Europa, die ans öffentliche Stromnetz angeschlossen wurde. 1982 installierte der Kanton Tessin mit Unterstützung des Bundes die Zehn-Kilowatt-Anlage – mit dem Ziel die Sicherheitsprobleme zu studieren, die mit dem Anschluss an das öffentliche Stromnetz entstehen könnten. Über die Jahre hat sich das Ziel gewandelt: Heute untersucht das ISAAC an der Supsi die elektrischen und mechanischen Eigenschaften wie auch die Lebensdauer der Photovoltaik-Module.
Es ist beeindruckend: Die 288 monokristallinen Siliziumzellen der Photovoltaikanlage liefern seit 1982 praktisch ohne Unterbruch Strom ins öffentliche Netz. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn auch Solaranlagen haben ein Ablaufdatum. Fast ewig halten dabei die Siliziumzellen selbst. Der Alterungsprozess betrifft in erster Linie die Verpackung der Zellen: Durch Lichteinfluss können die Materialien rund um die Zellen vergilben und spröde werden oder die Sandwich-Konstruktion der Module beginnt sich aufzulösen. Der Experte spricht dann von Delamination. Gemäss Urs Wolfer, Bereichsleiter Sonnenenergie im BFE, verliert eine Anlage im Schnitt ein halbes Prozent Leistung pro Jahr.
Wenn Solaranlagen nicht 30 Jahre alt werden, liegt das aber oft nicht an den Verschleisserscheinungen der einzelnen Module, sondern hat viel näherliegende Ursachen. Das Dach unter der Anlage muss beispielsweise saniert werden. Oder die Leistung nimmt aufgrund von Verschmutzungen ab. Manchmal werfen auch Pflanzen Schatten auf die Anlage. Die Geschichte der Anlage im Tessin scheint deshalb typisch: 1989 musste der Wechselrichter – meist das schwächste Glied der Anlage – ein erstes Mal ausgewechselt werden. Sechs Jahre später wurde die Anlage komplett demontiert und nach der Sanierung des darunterliegenden Daches wieder aufgebaut.
Ob die heutigen Anlagen eine längere Lebenserwartung haben werden als die früheren Modelle, ist noch nicht sicher, wird aber allgemein erwartet: «Die Technologie hat das Potenzial, über 30 Jahre alt zu werden», versichert Stefan Nowak, Leiter Forschungsprogramm Photovoltaik BFE. So sieht auch die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) Auszahlungen über 25 Jahre vor. «Allerdings hängt das entscheidend von der Qualität der Produkte ab, die unterschiedlich ist», gibt Nowak zu bedenken. «Zum Erhalt der Leistungsfähigkeit und damit der Ertrag über die
Jahre stabil bleibt, ist allerdings eine regelmässige Wartung und Kontrolle unverzichtbar», ergänzt Wolfer. Eines ist also sicher: Einschalten und vergessen, das gibt es nicht.
Die Anlage in Lugano ist nicht die einzige Seniorin in der Schweiz. Der Bund hat viele Photovoltaikprojekte der frühen Stunde vorangetrieben. 1989 installierte er eine Anlage auf dem Dach des Bundesamts für Metrologie. Im gleichen Jahr baute er die damals grösste Anlage der Schweiz auf einer Lärmschutzwand entlang der Autobahn A13 bei Domat/Ems. Beide Anlagen sind heute noch in Betrieb und liefern Strom ins Netz. Auch das berühmteste Sonnenkraftwerk der Schweiz auf dem Mont Soleil ist nicht mehr ganz jung. Es ging 1992, vor 20 Jahren also, ans Netz.
Und wie sieht es aus mit der Energiebilanz? Herstellung, Bau, Betrieb und Entsorgung einer Solarstromanlage brauchen viel Energie. Unter normalen Bedingungen ist diese Energieschuld nach rund drei Jahren zurückgezahlt. Danach kann die Anlage noch über 25 Jahre lang Strom produzieren. Das sind mindestens zehn Mal mehr, als zu Herstellung der Anlage erforderlich waren.
Quelle: energeia / swp – 15. März 2012