Netzausbau für starken Solarstromzubau:
technisch machbar, Kosten überschaubar
Die Modernisierung der Niederspannungsnetze für die Aufnahme von 55 Gigawatt Solarstrom erfordert bis zum Jahr 2020 Investitionen in Höhe von insgesamt rund einer Milliarde Euro – das entspricht den jährlich anfallenden Erneuerungskosten für das Verteilnetz, zu dem das Niederspannungsnetz gehört.
Für insgesamt 1,1 Milliarden Euro können die Niederspannungsnetze bis zum Jahr 2020 so ausgebaut werden, dass sie 55 Gigawatt an Solarstromleistung aufnehmen können. Zusammen mit dem Solarstrom, der in die Mittel- und Hochspannungsnetze fließt, könnten damit 70 Gigawatt an Solarstrom in Deutschland zur Verfügung gestellt werden – eine Leistung, die zehn bis zwölf Prozent des deutschen Strombedarfs decken würde. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Beratungsunternehmen Ecofys im Auftrag des Bundesverbandes Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar).
„Dieser Ausbau ist technisch problemlos in den laufenden Erneuerungsprozess integrierbar“, sagt Jörg Mayer, Geschäftsführer des BSW-Solar. Die routinemäßig anfallenden Erneuerungskosten für das Verteilnetz belaufen sich auf eine Milliarde Euro jährlich. „Damit beträgt der Ausbaubedarf für Solarstrom nur ein Zehntel des jährlichen Ertüchtigungsvolumens, die Kosten sind also überschaubar“, so Mayer. Für einen Durchschnittshaushalt würden Mehrkosten in Höhe von 11 Cent monatlich entstehen.
„Damit wird deutlich, dass es weder auf der Kostenseite, noch technisch nennenswerte Hindernisse gibt, die gegen einen weiteren kraftvollen Ausbau der Photovoltaik sprechen. Wer dies behauptet, bedient ein Vorurteil,“ so Mayer. Die Kosten für den weiteren Ausbau fielen nicht mehr ins Gewicht. „Es ist jetzt dringend notwendig, dass sich die Politik ohne Wenn und Aber zu einem kraftvollen Ausbau des Solarstroms bekennt und auf überzogene Einschnitte bei der Solarstrom-Förderung verzichtet,“ so Mayer.
Zum Hintergrund: Solarstrom wird überwiegend dezentral und verbrauchernah erzeugt, beispielsweise auf dem eigenen Hausdach oder dem Gewerbebetrieb vor Ort. Aus diesem Grund fließen 80 Prozent der Solarstromleistung in die lokalen Niederspannungsnetze auf Gemeindeebene. Zusammen mit den Mittelspannungsnetzen, in die fast alle größeren Photovoltaik-Anlagen einspeisen, und dem 110-kV-Netz bilden sie das sogenannte Verteilnetz. Das Niederspannungsnetz der Bundesrepublik erstreckt sich derzeit auf einer Länge von insgesamt 1,1 Millionen Kilometern.
Um künftig bis zu 55 Gigawatt Solarstromleistung ins Niederspannungsnetz einspeisen zu können, ergibt sich an zwei Stellen Modernisierungsbedarf. Zum einen müssen zusätzliche Niederspannungsnetzleitungen verlegt werden. Sinnvoll wäre zum anderen der teilweise Einsatz neuer, regelbarer Ortsnetztransformatoren, die flexibel auf Stromabnahme und Solarstromangebot reagieren können.
„Hinter den Kosten stecken damit vor allem Erdarbeiten zur Verlegung neuer Erdkabel und die bedarfsweise Aufstellung moderner Trafo-Stationen“, erklärt Bernhard Hasche von Ecofys. „Da es hier um einen unterirdischen Leitungsbau ähnlich wie im Bereich der Telekommunikation handelt, sind Akzeptanzprobleme von Seiten der Bevölkerung kaum zu erwarten. Die Trassen für den Solarstrom liegen größtenteils schon unter dem Bürgersteig.“
Der Einsatz der regelbaren Ortsnetztrafos hilft, die Gesamtkosten für den Ausbau des Niederspannungsnetzes zu reduzieren. „Das gleiche gilt für den Einsatz sogenannter blindleistungsfähiger Wechselrichter, die dazu beitragen, unerwünschte Spannungsanstiege und Spannungseinbrüche im Netz auszugleichen“, sagt Thomas Stetz, Netzexperte am Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (Fraunhofer IWES). Die Forschungseinrichtung hatte im Rahmen einer Vorstudie die technischen Möglichkeiten zur Netzintegration von Photovoltaik untersucht. Blindleistungsfähige Wechselrichter sind seit dem 1. Januar diesen Jahres für jede neue Photovoltaik-Anlage bis auf Kleinstanlagen zwingend vorgeschrieben und nach dem Gutachten von Ecofys in der Lage, den Photovoltaik-bedingten Netzausbau im Niederspannungsnetz um 60 Prozent zu reduzieren.
Was bedeutet das nun konkret für den Verbraucher? Die Netzentgelte würden durch die Niederspannungsnetz-Ausbaukosten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro bis 2020 um 0,4 Prozent steigen. Damit kämen auf einen durchschnittlichen Haushalt, der im Jahr 3500 Kilowattstunden Strom verbraucht, umgerechnet Mehrkosten in Höhe von monatlich 11 Cent zu.
„Wir können und wir müssen die Verteilnetze zu einer Art Einsammelnetz für dezentralen Strom machen, um die Energiewende zu schaffen“, fordert Prof. Dr. Bernd Engel, Netzexperte der TU Braunschweig. „Abgesehen vom Solarstrom speisen auch Biomasse, Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und Wasserkraft wesentliche Teile ihrer Leistung in die Niederspannungsnetze ein.“
„Wir stellen fest“, bilanziert Jörg Mayer, „dass die Ertüchtigung des Niederspannungsnetzes für die Aufnahme großer Mengen Solarstrom technisch ohne Probleme machbar ist, und zwar zu überschaubaren Kosten.“
David Wedepohl, Bundesverband Solarwirtschaft e.V.