Neue Veröffentlichung (Klingholz/Töpfer)
„Armut ist zuerst Energiearmut“, diese Erfahrung habe er aus seiner Zeit in Afrika mitgebracht; in Kenia hätten kaum 10 Prozent Zugang zu Energietechniken. Diese „klare Beziehung gefährdet das friedliche Zusammenleben der bald 9 Milliarden Menschen“, sagte Prof. Klaus Töpfer, Exekutivdirektor des Potsdamer Instituts for Advanced Sustainability Studies und früherer UNEP-Direktor am 28.03.2012 bei der Vorstellung der Studie „Das Trilemma des Wachstums“ gemeinsam mit Dr. Reiner Klingholz, dem Leiter des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung.
Töpfer fragte weiter: „Welche Energie ermöglicht nun den nötigen Entwicklungspfad?“ Und er wies auf die Dynamik des Bevölkerungwachstums hin: Zwei große Weltregionen seien gegenwärtig Zuwachsregionen: Afrika und der indische Subkontinent. Allerdings würden jetzt dort (und weltweit) 70-80 Prozent der Energie fossil erzeugt. Die Techniken seien einfach, ausgereift und akzeptiert, zudem sei es eine akzeptierte Nutzen-Kostenrelation, immer mit der Erlaubnis, das entstehende CO2 zu emittieren, also unter Inanspruchnahme eines versteckten Subventionsmechanismus. Kohle sei in großer Menge vorhanden und preisgünstig. Man könne den schwach entwickelten Ländern nicht verlangen, ihre Energie jetzt alternativ herzustellen, weil uns die Folgen störten.
Töpfer hört dort oft Fragen wie diese: „Wann könnt Ihr in Europa alternative Energien so billig anbieten wie bei uns die Kohle? Das können aber nur die wirtschaftlich stabilen Länder, denn solche Energien sind am Anfang immer sehr teuer. Aber die Investitionen, die wir zum Beispiel in die Photovoltaik einbringen, führen zu Lernkurven, dadurch wird diese Energie billiger.“
[note Reiner Klingbeil, li. (Berlin-Institut) und Klaus Töpfer (IASS)]
Unsere Aufgabe bestehe also darin, „Kernenergie nicht mehr zu brauchen, immer weniger fossile Energien einzusetzen, und alter- native Energien konkurrenzfähig zu machen“. Das gehe bei und mit durchschnittlich 900 Sonnenstunden/ Jahr, noch besser im Maghreb mit mehr als 3000 Sonnenstunden. Man müsse zudem alle Formen in Betracht ziehen, neben PV auch CSP (concentrated solar power) – Stichwort Desertec. Der Nobelpreisträger Carlo Rubbia arbeite am IASS daran, CSP wettbewerbsfähiger zu machen. Um dann einen ganzen Cluster von Technologien darum herum binden – auch ein anderes System der Leitung und Speicherung von Strom, von Smart Grid und Power-to-Gas.
Die weitere Bevölkerungsentwicklung habe eine große Nachlaufzeit. Entscheidend sei, mehr in Bildung von Frauen zu investieren. Wenn aber keine Energie verfügbar sei, dann gehe das nicht – wenn nur fossile Energie vorhanden sei, „machen wir alles wieder kaputt, was wir vorher erreicht haben“. Nicht umsonst habe man (und wenn Töpfer „man“ sagt, meint er oft sich selbst; in der Tat galt er in Rio als Anwalt der Kleinen) vor 20 Jahren in Rio ein „Recht auf Entwicklung“ in den achten Grundsatz der Deklaration von Rio über Umwelt und Entwicklung hineingeschrieben.
Nur die Armen leben (unfreiwillig) klimafreundlich
Die Welt hat drei große Wachstumsprobleme: Die Menschheit hat ihre Zahl in den letzten 44 Jahren verdoppelt. Ihr Energieverbrauch hat sich im gleichen Zeitraum verdreifacht. Und auch der Ausstoß an Treibhausgasen ist schneller gewachsen als die Zahl der Menschen. Halten alle Trends an – wovon für den Moment auszugehen ist -, haben sie das Potenzial, das ökologische Gleichgewicht auf dem Planeten so weit zu stören, dass die Lebensbedingungen eines wachsenden Teils der Menschheit bedroht werden.
In dem neuen Discussion Paper des Berlin-Instituts gehen die Autoren Klingholz und Töpfer der Frage nach, wie sich ein Ausweg aus dem „Trilemma des Wachstums“ finden lässt.
Alle drei Trends müssen möglichst rasch gebremst werden. Die Lösungen der einzelnen Probleme stehen einander aber im Weg. Denn um das Bevölkerungswachstum zu dämpfen, brauchen die armen Länder die Chance zur Entwicklung – und dafür ist unter anderem eine Basis-Energieversorgung notwendig. 1,4 Milliarden Menschen haben bisher nicht einmal Zugang zu einem elektrischen Stromnetz. Eine Energieversorgung für diese Menschen muss aber auch bezahlbar sein. Vordergründig billig sind mit Kohle betriebene Kraftwerke zur Stromerzeugung, die wiederum den größten denkbaren Klimaschaden anrichten.
Was gut ist für Frauen ist gut für den Planeten
Die armen Länder würden damit auf ihrem Entwicklungsweg den heutigen Schwellenländern folgen, die ihrerseits dem Vorbild der Industrienationen gefolgt sind. Weil Länder wie China, Indien, Indonesien und Brasilien, die zusammen rund drei Milliarden Menschen stellen, derzeit in die energieintensive Phase der Industrialisierung einsteigen, haben dieCO2-Emissionen 2010, allen Bekenntnissen zum Klimaschutz zum Trotz, mit 30,6 Milliarden Tonnen einen nie dagewesenen Rekordwert erreicht. Den größten Zuwachs unter den fossilen Energieträgern verzeichnete die Kohle. Allein China fördert mittlerweile jährlich 2,5 Tonnen Kohle pro Kopf und verfeuert mehr als die Hälfte dieses Brennstoffs weltweit.
Schriebe man diese Entwicklung fort, wäre das von der internationalen Staatengemeinschaft gesetzte Ziel, eine Erderwärmung von höchstens zwei Grad zu akzeptieren, schon in wenigen Jahren Makulatur. Vielmehr liefe die Erde auf eine Erwärmung von vier, fünf oder sechs Grad und einen Meeresspiegelanstieg von mehreren Metern hin, mit fatalen Folgen für die Küstenregionen der Welt, wo Milliarden von Menschen siedeln.
Autor: -AZ- und -> Quelle – Fotos © Hofmann