Großmann tritt ab
Jürgen Großmann, RWE-Vorstandschef, hat die Bundesregierung wegen des Atomausstiegs scharf angegriffen. „Wir akzeptieren das Primat der Politik, aber wir halten die Beschlüsse der Bundesregierung rund um die Kernenergie nicht für rechtens“, sagte der 60-Jährige auf der Hauptversammlung des Konzerns in Essen, die er zum letzten Mal leitete.
RWE hat Verfassungsbeschwerde gegen die Novelle des Atomgesetzes eingereicht. Das Atomoratorium vom vergangenen Jahr hält der „Atom-Dino“ genauso für rechtswidrig wie die Kernbrennstoffsteuer. 2011 war bereits E.ON vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Wie RWE versichert EON, dass es nicht um das Wiederanfahren der 2011 abgeschalteten Atomkraftwerke gehe. Sollte aber nach dem jahrelangen Verfahren die Atomwende für verfassungswidrig erklärt werden, hoffen die AKW-Betreiber auf Entschädigungen in Milliardenhöhe.
Großmann hat sich wie kein ein anderer Manager für die Kernenergie stark gemacht und damit auch Proteste ausgelöst. 2011 musste der Zwei-Meter-Mann während der Hauptversammlung von einem Bodyguard von AKW-Gegnern abgeschirmt werden. Tumulte blieben diesmal aus. Auch am Donnerstag demonstrierten jedoch vor der Essener Grugahalle Dutzende Umweltschützer gegen Atom- und Kohlekraftwerke. „Schluss mit Atomkraft“ und „Castor stoppen“ stand auf Transparenten. „Stoppt die Klimakiller“ schallte es aus einem Lautsprecher. „Wir sind für die Abschaffung aller Atom- und Kohlekraftwerke“, sagte die Studentin Anne Gesing der Nachrichtenagentur Reuters. „RWE muss mehr Windkraftwerke bauen“, fügte die 20-Jährige hinzu. Der künftige Vorstandschef Peter Terium solle mehr in erneuerbare Energie investieren.
Großmann streichelte unterdessen zum Abschied die Seelen der rund 72.000 Beschäftigten des zweitgrößten deutschen Energiekonzerns. „In Zeiten, da das Beschimpfen von Energieversorgern in manchen Kreisen zum guten Ton gehört, ernten sie viel zu selten ein Dankeschön“, betonte er vor den Aktionären. „So mancher RWE-Mitarbeiter wurde in der letzten Zeit sicher auch im Privatleben mal angefeindet.“
Der RWE-Chef gibt im Juli seinen Posten an den Niederländer Terium ab. Dieser tritt deutlich zurückhaltender als Großmann auf. Der 48-Jährige will das Geschäft mit Ökostrom ausbauen und die Einbußen durch die Atomwende unter anderem mit dem Verkauf von Beteiligungen, Einsparungen und einem Stellenabbau kontern. Der Manager hat auch beim Personal erste Pflöcke eingeschlagen. Sein Weggefährte Bernhard Günther soll Anfang kommenden Jahres neuer Finanzchef werden. Der Konzernbetriebsratsvorsitzende Uwe Tigges (51) löst im April kommenden Jahres Personalvorstand Alwin Fitting (59) ab. 19.04.2012
Quelle: 180 deutsche Zeitungen