Bundesnetzagentur will Leitungsausbau antreiben
Der Ausbau der Übertragungsnetze ist ein zentraler Erfolgsfaktor für die Energiewende in Deutschland. Doch die wichtigsten Leitungsprojekte kommen nicht voran wie geplant. Bisher sind erst 214 von 1.800 Kilometern der neu geplanten Leitungen realisiert. Die Hälfte der Bauabschnitte ist bereits in einem erheblichen Zeitverzug. Bis zu 4 Jahre hinken manche Baustellen dem Zeitplan hinterher: „Wenn der Netzausbau nicht nachkommt, geraten wir in eine Schieflage. Deshalb brauchen wir einen netzverträglichen Pfad für den Ausbau der erneuerbaren Energien“, warnte Jochen Homann, der neue Chef der Bundesnetzagentur, kürzlich in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Denn die Netze werden immer dringender gebraucht, weil andere Bereiche der Energiewende sehr rasch vorankommen. Dazu gehört die Installation von Solaranlagen. Die Bundesnetzagentur rechnet damit, dass in diesem Jahr wieder der geplante Zubau an Photovoltaikanlagen übertroffen wird: „Auch in den Verteilnetzen besteht Ausbaubedarf, schon deshalb, weil der Strom nun in zwei Richtungen fließen muss: nicht nur in die Wohnungen, sondern zum Beispiel auch von den PV-Anlagen auf den Dächern zurück in die Leitungen“, sagte Jochen Homann.Er will den Netzausbau nun beschleunigen. Deshalb soll ab Anfang Mai auf der Internetseite der Bundesnetzagentur der Status jedes der 24 Leitungsbauprojekte einsehbar werden. So will man den Druck auf die Netzbetreiber erhöhen, die für den Ausbau der Stromleitungen verantwortlich sind. Die Netzbetreiber beklagen, es gebe zu wenige Investoren, um die teuren Leitungen zu finanzieren: „Die Rendite ist mit mehr als 9 % hoch genug, aber viele Haftungsfragen sind ungeklärt. Für die technischen Risiken tritt keine Versicherung ein. Und weil vieles noch nicht erprobt ist, gibt es auch finanzielle Risiken durch Bauverzögerungen. Wir werden nicht umhinkommen, einen Teil der Haftungskosten zu sozialisieren, soweit Windparkbetreiber und Übertragungsnetzbetreiber überfordert sind“, sagte Jochen Homann. Den Zahlen der Bundesnetzagentur zufolge sind die für den Ausbau der Verteilnetze verfügbaren Mittel derzeit höher als die tatsächlich getätigten Investitionen. Bis auf den Anschluss von Offshore-Windparks können die Kosten also nur bedingt als Hauptgrund für die Verzögerungen gelten.
Geht es nach dem neuen Chef der Bundesnetzagentur, soll künftig mehr daran gedacht werden, dass das gesamte Energiesystem und nicht nur Teile davon ausgebaut werden müssen. Das neue verstärkte Bewusstsein für die Zusammenhänge der Energiewende könnte allerdings schon zu spät kommen: „Doch es gibt Grund zur Sorge, ob diese dringlichen Vorhaben tatsächlich alle bis 2015 fertiggestellt werden können. Im Moment sieht es danach nicht aus“, zeigte sich Jochen Homann kritisch. 20.04.12