Photovoltaik: Noch erhebliche Einsparungen bei Rohstoffen und Komponenten möglich
Nach dem freien Fall der Modulpreise können Solaranlagen vorerst nicht mehr nennenswert billiger werden – sollte man meinen. Doch das Kostensenkungspotenzial der Photovoltaik ist längst nicht ausgereizt: Bei den Rohstoffen und Komponenten sind noch erhebliche Einsparungen möglich. (Artikel aus ee-news.ch)
Das soll einer verstehen: Noch immer schimpft die Solarbranche heftig auf die deutsche Bundesregierung, weil diese die Solarstromförderung zum 1. April um bis zu 30 Prozent gekürzt hat. „So stark können wir die Kosten gar nicht mehr senken“, kritisiert Solarworld-Chef Frank Asbeck. Die Bundesregierung setze tausende Jobs aufs Spiel. Tatsächlich stellt sich die Marktlage jedoch weitaus weniger dramatisch dar: „In Deutschland wird fleissig weiter installiert. Es ist dieses Jahr sogar ein neuer Zubaurekord von acht Gigawatt denkbar“, sagt der Analyst Stefan de Haan vom US-Marktforscher IHS iSuppli.
25% günstiger als Ende 2011
Sicher ist: Der Preis für Solaranlagen fällt derzeit im gleichen starken Masse wie die Solarstromvergütung. Kostete eine kleine schlüsselfertige Dachanlage inklusive Montage zum Jahreswechsel noch durchschnittlich zwei Euro pro Kilowatt (kW), gibt es sie nach Erhebungen von IHS iSuppli derzeit bereits 25 Prozent günstiger für 1,50 Euro. Grund für den rapiden Preisverfall ist der harte Wettbewerb in der PV-Industrie. „Vor allem chinesische Hersteller haben stark in neue Technologien investiert und schnell grosse Produktionen aufgebaut“, sagt de Haan. Die Folge: Massive Überkapazitäten, die Produzenten zwingen, ihre Module teilweise unter Fertigungskosten zu verkaufen. „Der Durchschnittspreis für Module hat sich seit Mitte 2010 nahezu halbiert“, so de Haan.
Harter Preiskampf
Für die Solarbranche ist der Preisrutsch Fluch und Segen zugleich. Einerseits schreiben weltweit immer mehr Hersteller rote Zahlen, weil sie im Preiskampf mit den Asiaten hohe Verluste hinnehmen müssen. Mit Q-Cells meldete im April bereits die vierte deutsche Solarfirma Insolvenz an. Andererseits nähert sich die PV mit Riesenschritten der Wettbewerbsfähigkeit. Bei Systempreisen von 1,50 Euro pro Watt kann die Kilowattstunde (kWh) nach gängiger Strompreisformel heute schon für zwölf Eurocent produziert werden. Damit ist Solarstrom in Deutschland nur noch rund vier Eurocent teurer als die kWh aus konventionellen Gas- und Kohlekraftwerken, die aktuell bei rund acht Eurocent liegt. In Ländern wie Italien, Spanien oder in den USA steht die PV dank niedrigerer solarer Stromgestehungskosten sogar bereits unmittelbar vor der Konkurrenzfähigkeit. Solarenergie wird also in vielen Ländern der Welt nicht mehr lange auf Förderung angewiesen sein.
Waferpreise im freien Fall
Doch das letzte Stück zur Wettbewerbsfähigkeit wird für die Branche hart. „Kostenersparnisse in der Zellen- und Modulproduktion werden nach dem freien Fall der Modulpreise nun immer schwieriger“, sagt Eric Maiser, Geschäftsführer des Fachverbands Photovoltaik-Produktionsmittel im Maschinenbauverband VDMA. So ist zum Beispiel der Preis für Wafer, die Vorstufe der Zellen, nach einer aktuellen Studie des britischen Marktforschers IMS Research von Anfang 2011 bis zum ersten Quartal 2012 um 70 Prozent auf 30 US-Cents gefallen. Viel Luft nach unten gibt es in diesem wichtigen Bereich der solaren Wertschöpfungskette also nicht mehr.
BOS-Kosten stärker im Blickfeld
Dennoch besteht Hoffnung für die Solarindustrie. Die Systemebene, dazu zählen Wechselrichter, Gestelle, die Verkabelung sowie die Installation, bietet noch grosses Einsparpotenzial. Entfielen auf die sogenannten Balance-of-System (BOS)-Kosten 2010 noch ein Drittel der Gesamtkosten eines Solarprojekts, liegt ihr Anteil mittlerweile etwa bei der Hälfte. „Wir müssen die BOS-Kosten daher jetzt stärker ins Blickfeld nehmen“, sagt Eicke Weber, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg.
Anlagenperipherie im Blick
Weber schätzt, dass die Systemkosten in den kommenden zwei Jahren um 20 Prozent sinken können. Der Wechselrichtermarkt ist bereits in Bewegung gekommen, wie Eckhard Wolf, Director Business Line Management beim Wechselrichterhersteller AEG Power Solutions, erklärt. „Bei den Kleingeräten geht der Weg mit dem Einstieg asiatischer Produzenten in Richtung Massenproduktion.“ Dieser Trend zeigt sich ebenso bei den Gestellen. Grosse Aluminiumproduzenten und Profilhersteller wie Sapa, Hilti oder Cooper B-Line positionieren sich, um den Weltmarkt zu beliefern. Ihr Einstieg lässt deutliche Grössenkostenvorteile erwarten.
Silizium von 200 Dollar auf 20 Dollar/kg
Auf der Rohstoffseite bewegt sich die Preiskurve ebenfalls deutlich nach unten. Rohstoffexperte Simon Jäger von der Frankfurter Dekabank schätzt, dass der Siliziumpreis aufgrund steigender Produktionskapazitäten in den kommenden Monaten ein neues Rekordtief von 20 Dollar pro Kilogramm erreichen wird. Zum Vergleich: Als vor fünf Jahren der PV-Boom startete, kostete das Kilogramm Silizium auf dem Spotmarkt wegen der sprunghaft steigenden Nachfrage bis zu 400 Dollar, also das Zwanzigfache.
Glaskosten um zwei Drittel senken
Auch die Glaspreise können noch deutlich fallen. Der Kostenanteil von Deck- und Trägergläsern in einem Modul beträgt derzeit durchschnittlich rund zehn Prozent. Bei einem aktuellen Modulpreis von 80 Eurocent sind das acht Eurocent. „Diese Kosten lassen sich durch neue Herstellungsverfahren und kleine, dezentrale Produktionseinheiten um zwei Drittel senken“, erklärt der Glasspezialist Heiko Hessenkämper von der TU Freiberg. So hat sein Institut für Keramik, Glas und Baustofftechnik ein spezielles Oberflächen-Veredelungs-Verfahren entwickelt, welches das bisher gängige thermische Härten des Flachglases ersetzen kann. Dadurch liessen sich etwa fünf Eurocent pro Watt Kosten sparen und zudem eine höhere Beständigkeit erreichen, sagt Hessenkämper. „Wir verringern das Spontanbruchproblem.“
Einen anderen Ansatz für Kostensenkungen bietet sogenanntes Alumosilikatglas. Es könne kostengünstig aus Reststoffen wie Industrieschlacken gewonnen werden und habe gegenüber dem bisher verwendeten Rohglas den Vorteil, dass es bei höheren Temperaturen beschichtet werden kann. „Das ermöglicht bei Dünnschichtmodulen höhere Abscheideraten und um bis zu 25 Prozent bessere Wirkungsgrade“, erklärt Hessenkämper. So könne zum Beispiel die Effizienz von Paneelen auf Basis von Kupfer, Indium, Gallium und Selen (CIS) von derzeit 13 auf 16 Prozent gesteigert werden. Das entspräche dem gegenwärtigen Effizienzniveau kristalliner Siliziummodule.
Neue Ansätze beim Glas
In einigen Jahren könnten dann kleine, in Modulproduktionen integrierte Walzglasfabriken auf den Markt kommen, die lange Transportwege und Glasbruch vermeiden und so Logistikkosten sparen. Walzglasspezialist Fickert + Winterling aus Marktredwitz in Oberfranken will bis 2015 eine Glasfabrik anbieten, die mit einer Tagesproduktion von 30 bis 50 Tonnen deutlich kleiner als herkömmliche Glasfabriken ist. Momentan entwickelt das Unternehmen diese Fabrik gemeinsam mit anderen Glasspezialisten im Rahmen des Netzwerks Solarvis ein Glaswerk. „Wir glauben, dass eine Inhouse-Lösung für Modulhersteller eine interessante Lösung sein kann“, sagt Werner Haag, Entwicklungschef von Fickert + Winterling.
Dieser Meinung ist auch Glasexperte Hessenkämper: Bisher bezögen die Modulhersteller ihre ultraweissen Deck- und Trägergläser aus Linien oder Veredelungen, die oft viele Hundert Kilometer von ihren Produktionsstandorten entfernt seien. Hessenkämper schätzt, dass auf den Transport und die Veredelung drei Viertel der Kosten des Solarglases entfallen. Bei zehn Euro pro Quadratmeter, für die das Material angeboten wird, sind das also immerhin zehn Euro.
Zwei Millimeter dickes Floatglas
Bis Lösungen wie die „Mini-Glasfabrik“ Standard werden, setzt die Industrie auf naheliegende Innovationen. Der ostdeutsche Solarglashersteller F-Glass, ein Joint Venture von Interpane und der niederländischen Firma Scheuten, bietet inzwischen zum Beispiel Floatglas an, das mit zwei Millimeter Dicke um mehr als einen Millimeter dünner ist als herkömmliches Solarglas. „Auf diese Weise reduzieren wir den Preis pro Fläche und ermöglichen Modulherstellern, neue Produkte zu entwickeln“, sagt F-Glass Vertriebsleiter Thomas Keyser. So liessen sich dank der dünneren Scheiben Glas-Glas-Module herstellen, die robuster und langlebiger seien als die bisher gängigen Glas-Folien-Module. „Damit können Hersteller die Technikführerschaft übernehmen“, sagt Keyser.
Neben weiteren Materialersparnissen werde F-Glass auch an höheren Durchsätzen der Glasproduktion sowie an stetigen logistischen Verbesserungen arbeiten. „Wir können die Bestelllogisitik für unsere Kunden vereinfachen, indem wir ihre Materialplanung mit übernehmen.“ Dadurch könne F-Glass hohe Lagerbestände vermeiden und Kosten senken, verspricht Keyser. Damit ist klar: Es wäre fast schon fahrlässig, für weitere Kostensenkungen nur auf Effizienzsteigerungen von Zellen und Modulen zu setzen.
->Quelle ©SR – Sascha Rentzing