Die Chemie als strategischer Wegbereiter in der Energiewende

Wir betrachten Aspekte der deutschen Energieversorgung[4] um zu erkennen, welchen Beitrag die Chemie leisten kann und muss. Dabei sollte uns klar sein, dass alles was heute erforscht wird, erst in Zeiten jenseits von 10 Jahren eine Wirkung auf der Skala nationaler Energieversorgung entfaltet. Zudem ist klar, dass die deutschen Verhältnisse nicht automatisch von allgemeiner Bedeutung sind, da in anderen Regionen grundsätzlich andere Rahmenbedingungen herrschen und somit auch andere Lösungen gefragt sind.

Daher benötigen wir nicht eine einzige Lösung, sondern eine ganze Palette von Lösungen. Gesucht sind mehrere parallele und systemisch verbundene Lösungsansätze[2]. In jeweils zeitlicher Staffelung werden so auf verschiedene Weise die Abhängigkeiten von Kernspaltungsenergie und langfristig von fossilen Trägern reduziert. Die Energieversorgung durch Kernfusion ist eine wichtige mögliche Alternative für energieintensive Anwendungen und zur Einkopplung in chemische Prozesswege der regenerativen Energieversorgung. Wir suchen Lösungen, die unter sich wandelnden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine sichere Energieversorgung zu einem dafür angemessenen Preis ermöglichen. Diese Lösungen dürfen die Gebote der Nachhaltigkeit[5] nicht verletzen; weder der Verzicht auf Klimaschutz, noch der raum-zeitliche Export nationaler Versorgungsprobleme sind akzeptabel. Da die Zeiten für die Etablierung dieser Systeme von nachhaltigen Lösungen sich in Dekaden bemessen, ist es dringend erforderlich, umgehend in einer „Forschungsoffensive“ die von der Grundlagenforschung bis zu Technologien-Entwicklungen reicht, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen und die nötige Anzahl von Experten auszubilden.

In Abbildung 1 erkennen wir den gegenwärtigen „Energiemix“ zur Erzeugung von Elektrizität. Mehr als die Hälfte der Energieträger sind Kohlen, die andere Hälfte wird von Kernenergie dominiert. Auch wenn wir die Kapazität der „alten“ (vor 1980) Kernanlagen ersetzen können, so ist doch ein kurzfristiger Gesamtausstieg aus der Kernenergie nur schwer zu bewerkstelleigen, wenn man die Bauzeiten von Energieanlagen und die oben genannten Bedingungen berücksichtigt. Dies gilt auch, wenn man berücksichtigt, dass die Daten der Abbildung 1 nichts über die grundsätzlich vorhandenen fossilen Erzeugungskapazitäten aussagen, die zusammen mit bekannten Ausbauplänen ausreichend wären. Es gilt zu entscheiden, die Kernkraftkapazität durch fossile Kapazität mit den entsprechenden zusätzlichen Emissionen von 60-120 Millionen CO2 pro Jahr (je nach Brennstoffmix Gas/Kohle) zu ersetzen. Dieser Wert ist für Deutschland bezogen auf die globale Treibhausgasemission gering (im Promillebereich), kann aber negative Beispielwirkung haben.  Die Energiewende ist eine Trendwende, die noch viele und lang dauernde wissenschaftlich-technische Anstrengungen nach sich ziehen muss, um die Kernenergie ganz zu ersetzten. Der Ersatz aller fossilen Energie durch regenerative Energieträger ist ein Jahrhundertziel.