Die Chemie als strategischer Wegbereiter in der Energiewende

Für den Ersatz der alten Kernkraftwerke könnte die Umstellung alter Kohlekraftwerke auf moderne Verbrennungsprozesse Teil einer Lösung sein, um bei gleichem CO2 Ausstoß deutlich mehr Strom zu produzieren. Im Zusammenhang mit der Struktur des neu zu errichtenden Stromnetzes mag es weiter sinnvoll sein, auch alternative Standorte zu erwägen. Vorsichtig sollte man allerdings mit einer Verknüpfung solcher Entscheidungen mit dem Zwang zu CCS Technologien[6] sein. Es ist derzeit nicht möglich, eine seriöse Folgenabschätzung über lange Zeiträume der „Mineralisation“[7] von CO2 vorzunehmen. Das Gebot der Nachhaltigkeit erfordert es daher, auf unkontrollierte Einlagerung zu verzichten und andere Wege[8] der CO2 Minderung zu suchen. Neben der Nutzung von CO2 als Rohstoff für die Speicherung von solarem Wasserstoff in solaren Energieträgern bietet sich kurzfristig die Minarealisation von Abfallbiomasse als Teil einer Lösung mit geringem Risiko an. Die Dimension der langfristig nötigen Hydrierung von CO2 zu Energieträgern kann daraus abgeschätzt werden, dass heute etwa 30% des Primärenergieimportes in Deutschland als Treibstoffe verwendet werden. Davon dürfte ein erheblicher Anteil nicht durch Elektromobilität ersetzbar sein.

Für den Atomausstieg werden neue Kraftwerkskapazitäten gebraucht werden. Diese sollten unter Beachtung einer Diversität von Brennstoffen vermehrt als Gaskraftwerke ausgeführt werden. Dadurch wird eine wesentliche unmittelbare Reduktion der Treibhausgasemission erreicht. Zudem kann Methan auch aus Biomasse und durch Umsetzung von CO2 mit solarem Wasserstoff[2, 8a] erzeugt werden und wir besitzen ein gut ausgebautes Speicher- und Verteilsystem. Methan kann nicht nur bei uns sondern auch in sonnenreichen Gegenden aus Solarwasserstoff erzeugt werden und eignet sich somit gut für den stofflichen Transport von solarer Energie etwa im unmittelbaren Austausch mit gesammeltem CO2.

Die erneuerbaren Energien in Form von Windkraft und Photovoltaik werden selbst bei forciertem Ausbau nur begrenzt die Kernenergie ersetzen können, da effiziente Speichertechnologien in chemische Bindungen nicht ausreichend entwickelt sind. Zwar helfen intelligente Verteilsysteme, Verbrauchsmanagement, Elektromobilität und thermo-mechanische Speicher hier weiter. Sie werden aber nur schwer die Stabilität konventioneller Anlagen und der Kernenergie ersetzen können. Genaue Aussagen dazu bedürfen einer systemischen Analyse, die von praktischen Erfahrungen mit dem komplexen Zusammenwirken aller Neuerungen im Energiesystem unterstützt ist. Derzeit wäre viel gewonnen, wenn in einer interdisziplinären und demokratisch legitimierten Anstrengung ein fortzuschreibendes belastbares Szenario dazu erstellt werden könnte. In diesem Szenario kommt der zeitlichen Entwicklung der gesellschaftlich tolerierten Gesamtemission von Treibhausgasen eine zentrale Bedeutung zu.

Die vielfach hochgeschätzte Rolle der Biomasse als regenerativem und speicherbarem Energieträger ist bereits beachtlich in unserer gegenwärtigen Energieversorgung, wie aus Abbildung 1 hervorgeht. Ihr Anteil könnte noch geringfügig gesteigert werden, wenn man sie nicht nur zur Stromerzeugung sondern lokal zur Wärmeerzeugung vermehrt einsetzen würde. Hochwertige Nutzungen von Biomasse erfordern katalytische Depolymerisation und Defunktionalisierung, um zu Synthesebausteinen der chemischen Industrie zu gelangen. In keinem Fall sollten durch die energetische Nutzung von Biomasse falsche Signale zum vermehrten heimischen oder ausländischen Anbau von Energiepflanzen ausgehen, da wir die Landwirtschaft und ihre Ressourcen zuvorderst für die Produktion von Nahrungsmitteln benötigen.

In Abbildung 2 ist eine Projektion der Beiträge von Energieträgern zur Stromerzeugung für das Jahr 2018 durch die diskutierte Energiewende der Situation im Jahre 2008 gegenübergestellt. Der Ersatz erheblicher Anteile eines Energieträgers ist eine große Anstrengung. Die Triebkräfte der gezeigten moderaten Veränderungen sind der Ersatz der „alten“ Kernkraftwerke und von alten Kohlekraftwerken. Man plant dafür den kombinierten Einsatz von regenerativen Energien und von Erdgas. Man erkennt weiter, dass die Reduktion von Treibhausgasemission durch den verstärkten Einsatz von regenerativen Quellen wieder verloren geht, wenn die Elektrizitätserzeugung aus Kernkraft durch fossile Träger ersetzt wird. Ohne wesentliche technologische Fortschritte sind weitere erhebliche Veränderungen in dieser Verteilung nicht möglich, wenn wir das Gebot der CO2 Minderung beachten. Eine sehr hilfreiche Alternative ist dagegen die Verringerung des Primärenergieeinsatzes, was natürlich nicht durch Import von sekundären Energieträgern (Strom) geschehen darf.