BDEW-Kraftwerksliste vorgestellt
Die Situation des gegenwärtigen und zukünftigen Kraftwerksparks in Deutschland ist aktuell eines der wichtigsten energiewirtschaftlichen Themen. Denn Kraftwerkspark und Netzausbau sind die bestimmenden Faktoren für Versorgungssicherheit in Deutschland. Dass die Pläne und das Engagement der Unternehmen der Energiebranche und die derzeitigen ökonomischen und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht zusammen passen, wird bei allen energiepolitischen Akteuren, insbesondere auch im BMWi und im BMU diskutiert. Gestern hatte die Bundeskanzlerin zu diesem Thema eingeladen.
Auf der Hannover Messe2012 hat BDEW-Geschäftsführerin Hildegard Müller kürzlich die aktuelle BDEW-Kraftwerksliste vorgestellt. Die Botschaften sind ambivalent: Die Branche will investieren. Es gibt ein großes Interesse an Projekten: konventionelle Kraftwerke, Offshore, Pumpspeicherkraftwerke: 84 Projekte, über 42 GW, rund 60 Milliarden Investitionsvolumen! Und dazu noch das große wachsende Engagement unserer Mitgliedsunternehmen beim Ausbau der erneuerbaren Energien und bei dem dafür notwendigen Ausbau der Verteil- und Übertragungsnetze. Aber eben leider auch: noch nie war die Unsicherheit so groß, ob diese Projekte realisiert werden können. Die ökonomischen und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen geben das derzeit kaum her. Hinzu kommen Akzeptanzprobleme bei einigen ganz konkreten Projekten. Allen Beteiligten ist bewusst, dass diese Situation Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit haben kann. Deshalb wird an verschiedenen Stellen – natürlich auch beim BDEW – intensiv daran gearbeitet.
Die BDEW-Kraftwerksliste erfasst regelmäßig Kraftwerksprojekte mit einer elektrischen Leistung von größer 20 MW, die sich aktuell im Bau, im Genehmigungsverfahren oder in der Planungsphase befinden. Kleinere Erzeugungsanlagen mit geringerer Leistung als 20 MW werden aufgrund der Vielzahl von Projekten nicht erfasst, müssen aber anhand der Zubauprognosen – insbesondere bei den erneuerbaren Energien – zusätzlich berücksichtigt werden, um ein umfängliches Gesamtbild für die Entwicklung der Erzeugungskapazität in Deutschland zu erhalten.
Damit liefert die BDEW-Kraftwerksliste eine sehr gute Basis für die Einschätzung des kurzund mittelfristig zu erwartenden Zubaus an Kraftwerkskapazitäten anhand heute verfügbarer Informationen. Neben den Basisdaten wie Standort, Energieträger und geplante elektrische Leistung wird auch der Status des Projektfortschritts erfasst, um eine Indikation dafür zu erhalten, ob und ungefähr wann mit der Inbetriebnahme der Projekte zu rechnen ist. Projekte im Bau werden wohl mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in nächster Zeit in Betrieb gehen, bei Projekten in Planung muss der weitere Planungsprozess beobachtet werden.
In einem weiteren Schritt wird das Bild des Zubaus an Kapazitäten um schon heute absehbare oder erwartbare Stilllegungen ergänzt, um im Saldo mittelfristig die zukünftige Entwicklung des Kraftwerksparks abzuschätzen. Mit dem Blickwinkel auf die Verfügbarkeit der Kraftwerke und damit auf die zukünftige Versorgungssicherheit wird auf den Zu- und Rückbau der konventionellen Erzeugungskapazitäten fokussiert, da die erneuerbaren Energien größtenteils nur gering zur gesicherten Leistung beitragen.
Die Auswertung der aktuellen BDEW-Kraftwerksliste sowie die Veränderungen gegenüber den beiden vorhergehenden BDEW-Kraftwerkslisten aus den Jahren 2010 und 2011 zeigen ein ambivalentes Bild. Einerseits planen Stromversorger und Investoren derzeit eine Vielzahl von Projekten, andererseits zeigt sich im Vergleich zu den Vorjahren eine zunehmende Unsicherheit bei den Investoren. Die ökonomischen Rahmenbedingungen sorgen für erhebliche Fragezeichen bei einer Vielzahl von geplanten Projekten. Dies drückt sich jetzt bereits durch die Einstellung von Planungen, zeitliche Verschiebungen bei den derzeitigen Projekten oder eine generell abwartende Haltung bei einigen Projekten aus. Hinzu kommt: Viele Bestandskraftwerke sind unter ökonomischen Druck. Alles in allem ergibt sich eine Situation, in der der für eine hohe Versorgungssicherheit notwendige Bestand von Kraftwerken keinesfalls als gesichert gelten kann.
Die BDEW-Kraftwerksliste muss als ein Baustein für die zukünftige Entwicklung des Kraftwerksparks im Zusammenspiel mit anderen Studien, qualitativen Einschätzungen zur Marktentwicklung und möglicher Politikentscheidungen gesehen werden. Sie liefert lediglich ein Abbild der heute bekannten Projekte. Darüber hinaus gehende zukünftige Entwicklungen mit einem mittel- bis langfristigen Zeithorizont, wie sie in Studien durch Marktmodelle oder Politikszenarien abgebildet werden, können durch eine Erfassung der aktuell bekannten Projekte nicht abgebildet werden. 03.05.2012
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