Wald-Zertifizierung bedroht indigene Völker

Zertifizierung von nachhaltigen Wäldern bedroht indigene Völker
Kritik am Forest Stewardship Council

von Wolf-Dieter Hasenclever

Der Begriff der Nachhaltigkeit stammt aus der mitteleuropäischen Forstwirtschaft. Ursprünglich ist damit gemeint, dass nicht mehr abgeholzt werden darf, als nachwächst, um den Wald für künftige Generationen zu erhalten. Es ist zwanzig Jahre her, dass im Rahmen der Konferenz von Rio das erste Mal weltweit der Begriff der nachhaltigen Forstwirtschaft global definiert und erweitert wurde. Damals einigten sich alle Nationen auf die Bedeutung der Multifunktionalität der Wälder – das heißt, Waldbewirtschaftung muss ökologischen Kriterien genügen (dazu gehört Respekt vor der Tierwelt) und gleichzeitig soziale und wirtschaftliche Entwicklung möglich machen. Es ist offensichtlich, dass die beiden letztgenannten Aspekte für arme und sich entwickelnde Staaten hohe Bedeutung haben.

Der Grundsatz, ökologisch verantwortungsvoll mit den Wäldern und zugleich fair mit den Menschen, die in und von ihnen leben, umzugehen, war entscheidend für die globale politische Unterstützung der Wälder. Im Laufe der letzten Jahre entstanden eine Reihe von Institutionen, die sich um den Schutz des Waldes und der nachhaltigen Bewirtschaftung beschäftigen. So auch der Internationale Forest Stewardship Council (FSC) mit Sitz in Bonn. Er wurde von der Forstwirtschaft gegründet, um die Sicherung der nachhaltigen Waldnutzung durch ein Zertifizierungssystem sicherzustellen. Das schließt Wahrung und auch Verbesserung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Funktionen der Forstbetriebe ein.

Hierzu hat der FSC einen allgemeinen und länderübergreifend einheitlichen Standard entwickelt, der aus zehn Prinzipien und Kriterien besteht. In der Anwendung werden diese Kriterien jeweils für die unterschiedlichen nationalen Ebenen konkretisiert. Der FSC wird von prominentenNaturschutzorganisationen wie der WWF und Greenpeace unterstützt. An diesem Freitag (04.05.2012) tagt der Forest Stewardship Council (FSC) in Düsseldorf.

Zertifizierung auf dem richtigen Weg

Zweifelsohne bescheinigen Fachleute heute dem FSC eine gute Arbeit in der Förderung nachhaltiger Forstwirtschaft. Dennoch gelte es jetzt den Fokus stärker darauf zu lenken, gefährdete Wälder stärker zu schützen und gleichzeitig sicherzustellen, dass durch nachhaltige Forstwirtschaft die Lebensgrundlage für Menschen in Entwicklungsländern nicht bedroht wird. Wenn man Rio + 20 betrachtet, so kann man feststellen, dass große Fortschritte in der Erhaltung vieler Wälder in Asien und Lateinamerika gemacht wurden, obwohl immer wieder auch Rückschläge zu verzeichnen sind. Doch viele Experten sind sich einig: Es kommen noch schwierigen Auseinandersetzungen in der Zukunft.

Armutsbekämpfung – versus Nachhaltigkeit?

Zentral geht es um die entscheidende Frage der Bewertung von Natur- und Klimaschutz, Ernährungssicherheit und Armutsbekämpfung – und vor allem um das Problem, wie ein armes Land knappe Ressourcen einerseits bewahren und zugleich auch wirtschaftlich nutzen kann.

FSC in der Kritik

Der FSC ist in diesem Zusammenhang scharf in einem Oxfam-Bericht kritisiert worden. Die britische Umwelt-Organisation hatte im vergangenen Jahr darauf hingewiesen, dass 22.500 Personen in Uganda gegen ihren Willen und ohne Entschädigung vertrieben worden seien, um den Weg für Holzplantagen des britischen NFC frei zu machen. Das Dilemma: In diesen Wäldern ist es nun für die Bewohner unmöglich geworden, ihr Land zu bestellen, ihr Vieh zu versorgen oder Häuser zu haben, wie es seit alters her Tradition war. Dennoch hat der FSC diese Wälder zertifiziert. Hier muss sich die Praxis ändern.

Eine weitere Forderung der FSC-Kritiker, die FSC-Standards und-Praktiken zu überarbeiten, ist aus ökologischen Gründen dringend umzusetzen: Einige FSC-zertifizierten Holzprodukte gefährdeten tropischen Baumarten wie Rot Lauan (Shorea). Dies ist eine vom Aussterben bedrohte Art, die auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Pflanzen und Tiere steht.

Vor allem kleineren und mittleren Unternehmen macht die FSC-Zertifizierung auch wirtschaftlich zu schaffen. Die Zertifizierung ist für einige Unternehmen zu teuer. So hat man beim FSC die WWF Strategie zu sich „verwandeln Märkten“ gebilligt. Diese Strategie ist das Bestreben, das Druckunternehmen – vom Einzelhändler bis Papierhersteller – ihren Bedarf ausschließlich aus FSC Zertifizierten Forsten zu beziehen.

Doch hier bleibt gerade für kleine und mittlere Unternehmen auch der Forstwirtschaft wenig Raum. Hier müssen für diese Produzenten neue Strukturen geschaffen werden, um internationalen Großkonzernen mit ihren geschlossenen Verwertungsketten nicht die entscheidenden Marktvorteile einzuräumen.

Als jemand, der sich in seiner gesamten Tätigkeit für die politische, wissenschaftliche, pädagogische und wirtschaftliche Verankerung der Nachhaltigkeit eingesetzt hat, verstehe ich das Drängen von einigen Mitgliedern des FSC auf strengere Normen für die Zertifizierung. Dies darf sich jedoch nicht in einer bloßen Verschärfung des Bestehenden erschöpfen, denn die Verbindung von ökologischer Verantwortung und sozialer Entwicklung ist ein längerfristiger Prozess, der bei und mit den betroffenen Menschen einen ständigen Dialog, Lernen und Weiterbildung verlangt.

Wolf-Dieter Hasenclever

Gründungsmitglied der Grünen in Baden-Württemberg und erster Landesvorsitzender der Partei. Er hielt beim Gründungsparteitag der Grünen die Eröffnungsrede und war erster Fraktionsvorsitzender der Partei im Baden-Württembergischen Landtag. 1983 trat er vom Fraktionsvorsitz zurück und kandidierte 1984 weder für Land- noch Kreistag. Sein Nachfolger als Fraktionsvorsitzender wurde Winfried Kretschmann. Nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik beschäftigte sich Hasenclever mit Bildungsfragen und war bis 2010 Präsident des Niedersächsischen Amtes für Lehrerbildung und Schulentwicklung tätig. Hasenclever ist stellvertretender Vorsitzender der „Bildung für Nachhaltige Entwicklung in Niedersachsen“, die sich mit Bildung und nachhaltiger Entwicklung im Rahmen der Bildungsoffensive der Vereinten Nationen beschäftigt. 04.05.2012
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