Kohlenstoff als chemische Kontaktbörse

Kohlenstoff als chemische Kontaktbörse

Von der Plastiktüte bis zum Wasserstoffgas: Ohne Katalysatoren läuft in der Chemie fast nichts. Oft enthalten die Reaktionsbeschleuniger Metalle, die manchmal selten sind oder nur unter hohem Energieaufwand arbeiten. Ob es auch ohne geht, wollte ein Forscherteam um Robert Schlögl, Direktor am Fritz-Haber- Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin, herausfinden.

Stellen Sie sich vor: Sie stehen auf dem Berliner Fernsehturm. Millionen Menschen bewegen sich in der Stadt zu Ihren Füßen, kaufen ein, besichtigen den Reichstag, erledigen Dinge. Der Haken: Es herrscht dichter Nebel – Sie wissen das alles nur von Boten, die ab und zu bei Ihnen anklopfen. Und noch etwas ist seltsam: Ihre Gewährsleute erzählen Ihnen, dass manchmal Menschen die Stadt als Ehepaar verlassen, die zuvor als Singles gekommen waren. Andere kommen als Paar und sind geschiedene Leute, wenn sie sich in den ICE gen Heimat schwingen.

Sie schließen: Unter den Millionen, die da unten herumwuseln, muss es eine Handvoll sehr fleißiger Standesbeamter geben. Ihr Job: Finden Sie heraus, welche genau das sind. Verrückte Idee? Nicht ganz. Denn diese Herausforderung ist der nicht unähnlich, vor der Robert Schlögl, Direktor des Berliner Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft mit seinem Team vor einigen Jahren stand. Genau genommen war Schlögls Job sogar noch ein Stück schwieriger. Und alles andere als verrückt, sondern sogar von ganz erheblichem Interesse für die chemische Industrie.

„Es ging um die Synthese von Styrol“, erläutert der Professor in einem sonnigen Büro im Laborhochhaus des Instituts. „Styrol ist unter anderem ein außerordentlich wichtiger Baustein von Kunststoffen wie Polystyrol und ABS. Daher benötigt die Industrie jedes Jahr rund 20 Millionen Tonnen dieses Monomers – das ist richtig viel.“

Um diese 20 Millionen Tonnen Styrol in ihre Reaktoren pumpen zu können, nehmen Chemie-Ingenieure weltweit einiges auf sich. Die wichtigste Route zu diesem Polymerbaustein läuft über eine Substanz namens Ethylbenzol, dem die Ingenieure mithilfe eines hochgezüchteten Prozesses zwei Wasserstoffatome abzwicken.

In der Praxis läuft das natürlich nicht so einfach. Denn von selbst gibt das Ethylbenzol seine Wasserstoffatome nicht her. Dazu braucht es einen sogenannten Katalysator. Also eine Verbindung, die feste chemische Bindungen lockert, Sauerstoff herbeiwinkt und am Ende eines komplexen Prozesses H- und O-Atome miteinander vermählt, ohne sich dabei selbst zu verändern – eine Art molekularen Standesbeamten also.

Bei der oxidativen Dehydrierung machen diese Arbeit in der Regel Metalloxide, von denen man hier nur wissen muss, dass sie sehr empfindlich sind: Sie drohen im heißen Ethylbenzol-Strom nämlich ständig zu verkoken. Probates Mittel dagegen: heißer Wasserdampf. Und zwar viel Wasserdampf: Pro Tonne Styrol müssen Ingenieure nicht weniger als zehn Tonnen Wasser erhitzen, verdampfen, über den Katalysator pusten und anschließend wieder kühlen und abregnen lassen. „Dieser Prozess kostet sehr viel Energie und damit letztlich Kohlendioxid“, beschreibt Schlögl seine Intention. „Daher wollten wir herausfinden, ob man ihn nicht vereinfachen kann. Dazu haben wir uns zunächst den Katalysator näher angesehen.“

Gesagt, getan – und die erste Sensation erlebt: Schlögl und seine Mitarbeiter fanden heraus, dass gar nicht das empfindliche Metalloxid das Ethylbenzol in Styrol verwandelt. Sondern eine hauchdünne Schicht aus Kohlenstoff, die sich in den ersten Minuten der Reaktion auf dem Katalysator ablagert wie Ruß auf einer Kaminwand.

Für die Chemiker eine faustdicke Überraschung: „Das habe ich jahrelang nicht geglaubt“, gesteht Schlögl. „Wir haben zunächst sogar versucht, das zu widerlegen. Zu erkennen, dass nicht das Metalloxid, sondern tatsächlich der Kohlenstoff die entscheidende Rolle in diesem Prozess spielte, das war für mich eines der entscheidenden Aha-Erlebnisse meiner Karriere!“

Metallfreie Katalysatoren wären oft kostengünstiger

Ein Aha-Erlebnis, das mit einer ganz neuen Chance verbunden war: Wenn Kohlenstoff die Arbeit macht, braucht man dann den empfindlichen Metallkatalysator darunter überhaupt noch? Tut es nicht auch Kohlenstoff allein? Und kann man auch in anderen Katalysatoren auf Metalle verzichten? Katalysatoren, die ohne Metalle auskommen, wären in vielen Fällen vorteilhaft. Denn wie im Fall der Styrolproduktion arbeiten viele metallhaltige Katalysatoren nur mit hohem Energieaufwand, andere wie etwa die Katalysatoren der elektrolytischen Wasserstoffproduktion bestehen aus teuren Edelmetallen. Um Energie effizienter zu nutzen und neue Energieträger zu erschließen, wären metallfreie Katalysatoren daher hilfreich. Doch die ersten Versuche, Ethylbenzol an Kohlenstoffverbindungen zu dehydrieren, schlugen fehl – Grafit oder sogar Diamant wollten den Job einfach nicht tun. Zeit also, noch genauer hinzusehen.

Schlögl und seine Kollegen fuhren dazu eine Menge extrem empfindlicher Instrumente auf. Die erste wirklich heiße Spur lieferte ein sogenanntes Raman-Spektrometer: Diese Anlage erkennt im Streulicht eines Laserstrahls selbst leichte Veränderungen der Oberflächenstruktur. „Das Raman- Spektrum zeigte Peaks, die es nicht hätte geben dürfen, wenn der Kohlenstoff auf der Oberfläche so eben angeordnet gewesen wäre, wie man das von Grafit kennt“, erläutert Schlögl seine Entdeckung. Stattdessen schienen die Bindungen, die die Atome zueinander aufspannten, ganz leicht aus der Ebene gedrückt – gerade einmal ein Grad machte die Abweichung im Schnitt aus. Trotzdem genug, um den Charakter der Oberfläche radikal zu ändern.

Aber warum war der Kohlenstoff derart gekrümmt? Vermutlich, weil in der Styrol-Hölle auf dem mehrere Hundert Grad heißen Katalysator schlicht keine Zeit ist, die Kohlenstoffatome aus dem Ethylbenzol zu jenem regelmäßigen Sechseck-Teppich zu weben, den Chemiker Graphen nennen und die aufeinandergestapelt Grafit ergeben würden; hier und da ein Ring zu schnell geschlossen, und schon ist eine Beule da. Also suchten Schlögls Mitarbeiter nach Kohlenstoffverbindungen, die ebenfalls eine gekrümmte Oberfläche hatten.

Der erste Griff war wieder ein Fehlschlag – Fullerene zum Beispiel funktionierten nicht. Fündig wurden die Wissenschaftler dann bei sogenannten Multi-Wall-Nanotubes, die aus vielen ineinandergesteckten Nanoröhrchen bestehen und unter einem sehr starken Mikroskop ein wenig an einen aufgerollten Kaninchenzaun erinnern. Die Oberfläche von Fullerenen ist zu stark gekrümmt. Die der obersten Kohlenstoffschichten in den dicken Multi-Wall-Nanotubes dagegen: genau richtig – diese Nanoröhrchen- Abart, die normalerweise verwendet wird, um Kunststoffe leitfähig zu machen, und von der Industrie im Tonnenmaßstab angeboten wird, funktionierte! Sogar besser als konventionelle Katalysatoren. Ohne heißen Wasserdampf. Und vor allem: „Ganz ohne Metalle“, so Schlögl.

Großes Durcheinander im Reaktionsgeschehen

Ein Rätsel gab es allerdings nach wie vor zu lösen: Wie vollbringt eine leicht gewellte Kohlenstoff-Fläche Dinge, die man bis dahin nur komplexen Metalloxiden zugetraut hatte? Das entscheidende Indiz, das die Forscher diesmal auf die richtige Spur brachte: die Tatsache, dass der Kohlenstoffkatalysator immer eine Weile braucht, ehe die Reaktion richtig anspringt; und umso aktiver wird, je mehr Sauerstoff er zu Beginn aus dem Gasstrom aufsaugt. Beides ließ nur einen Schluss zu: „Der Katalysator entsteht erst im Laufe der Umsetzung!“

Das ist die Stelle, wo Schlögl und seine Crew sich plötzlich – natürlich im übertragenen Sinne – 300 Meter über dem nebelverhangenen Alexanderplatz wiederfanden. Denn was aus Ethylbenzol, Styrol und Sauerstoff alles entstehen kann, wenn man diese Stoffe bei großer Hitze aufeinander loslässt, dürfte jedem organischen Chemiker tiefe Denkfalten auf die Stirn treiben: Auf der Liste steht so ziemlich alles – von Säuren und Alkoholen bis hin zu kompliziert gebauten Ringmolekülen. All diese obendrein in einem Meer aus Kohlenstoffatomen, deren Feinstruktur irgendwo zwischen den sorgfältig arrangierten Sechsecken reinen Grafits liegt – und dem Durcheinander verschiedener Atomkombinationen, das zum Beispiel Kohle auszeichnet. Gegen den Versuch, in diesem Kuddelmuddel genau die Struktur zu finden, die Ethylbenzol und Sauerstoff genau so zusammenbringt, dass sie die gewünschte Reaktion eingehen, gleicht der Suche nach einem Standesbeamten auf dem proppevollen Alexanderplatz.

Das Schema, nach dem Ethylbenzol dehydriert wird: Es gibt zwei Wasserstoffatome an ein Sauerstoffatom ab, sodass Styrol mit einer Doppelbindung und Wasser entstehen. Reaktor im Labormaßstab: Kohlenstoffnanoröhrchen werden in ein Glasröhrchen gefüllt, um ihre Aktivität zu testen. Die Forscher leiten die Reaktionspartner zu diesem Zweck von der einen Seite in das Röhrchen und analysieren am anderen Ende die Produkte und die nicht umgesetzten Ausgangsstoffe.

Detektivarbeit entlarvt die aktive Verbindung

Wenn Chemiker ein derartiges Durcheinander untersuchen müssen, gilt: Nur Masse macht’s. Weil Moleküle so aberwitzig klein sind, brauchen Analytiker sehr, sehr viele davon, um mehr über sie in Erfahrung zu bringen. Hinzu kommt, dass sich das ganze Reaktionsgeschehen im Styrolreaktor auf der hauchdünnen Oberfläche eines Festkörpers abspielt. Deren Atome machen nur einen winzigen Bruchteil der Katalysatorkörnchen aus, die man unter ein Messgerät schieben könnte. Ein Liter Wasser mit einem Tropfen Öl drauf ist zwar in erster Linie Wasser. Trotzdem entscheidet der Ölfilm über den Geschmack.

Dass es Schlögls Team letztlich gelang, in dem Durcheinander die katalytisch aktive Kohlenstoffverbindung zu entdecken, ist eine geradezu detektivische Leistung. „Wir haben einfach versucht, alle Möglichkeiten nach und nach auszuschließen. Was dann übrig blieb, musste der Verantwortliche sein“, erklärt der Chemiker. Das bedeutet: Mit jeweils genau abgestimmten Mitteln beseitigten er und seine Kollegen Carbonsäuren, Phenole, Lactone und was sich sonst noch in dem Tohuwabohu auf der Katalysatoroberfläche finden könnte.

Insgesamt machten sie sich auf einen Streifzug durch die klassische organische Nasschemie – unter verschärften Bedingungen, denn die Forscher mussten extrem sauber arbeiten, um mit ihren Reagenzien keine neuen Verunreinigungen in ihr Substrat zu schleppen. Und sicherstellen, dass sie jeweils nur die gewünschten Verbindungsklassen ausknocken, ohne andere zu beeinflussen. Insgesamt Stoff für rund acht Jahre Arbeit.

Das Ergebnis indes überraschte schon wieder alle: Die geheimnisvollen Atomgruppen, die den Katalysator scharfschalteten, entpuppten sich als Diketone – Verbindungen, in denen zwei benachbarte Kohlenstoffatome jeweils über eine Doppelbindung mit einem Sauerstoffatom verbunden sind. Solche auch Chinone genannten Atomgruppierungen sind in der organischen Chemie zwar wohlbekannt, aber „dass sie unter diesen Reaktionsbedingungen entstehen, steht in keinem Lehrbuch“, sagt Schlögl immer noch staunend.

Außerdem sind zwei benachbarte Sauerstoffatome an einem Kohlenstoffsaum bei über 400 Grad Celsius gewissermaßen ständig auf Abruf: Es besteht die Gefahr, dass sie sich schlicht und einfach in Kohlendioxid verwandeln. Aber bei einem guten Katalysator reichen bereits sehr wenige sogenannte aktive Zentren, um eine Reaktion zum Laufen zu bringen; wenn diese dann aus dem Materialstrom auch noch ständig nachgebildet werden, führen selbst chemische Eintagsfliegen zum Erfolg.

Entscheidend: Chinone haben einen ganz besonderen Trick drauf. Unter bestimmten Bedingungen können sich die beiden Sauerstoffatome darin ihre Elektronen zuschieben wie Wasser in zwei korrespondierenden Röhren – der Chemiker spricht hier von einem Chinon- Hydrochinon-Redoxpaar. Dadurch sind die Elektronen zum einen mobil genug, um die Wasserstoffatome des Ethylbenzols einzufangen und sich – zum anderen – auch wieder zurückzuziehen, wenn es gilt, sie an ein vorbeifliegendes Sauerstoffmolekül abzugeben: eine Fähigkeit, die man bislang eher Metallatomen und ihren Sauerstoffverbindungen zutraute.

Plötzlich passte alles zusammen: Zum Beispiel die seltsame Beobachtung, dass die Geschwindigkeit der Styrolentstehung von dem Tempo dominiert wird, mit dem der Katalysator die gestohlenen Wasserstoffatome mit Sauerstoff zu Wasser verbrennt. „Bis dahin hatte jeder geglaubt, dass die Wasserstoffabstraktion entscheidend ist – auch das steht so in den Lehrbüchern“, erinnert sich Schlögl. Zu Chinonen passt das allerdings: Die können Wassermoleküle sehr gut festhalten. Wie schnell die Reaktion abläuft, hängt daher davon ab, wie schnell sich ein Wassermolekül aus der Sauerstoffzange des Chinons löst und für zwei neue Wasserstoffatome des Ethylbenzols Platz macht.

Synthetisches Chinon liefert endgültigen Beweis

Den endgültigen Beweis für die Katalysatorideen der Berliner Forscher brachte dann eine Substanz, die die Berliner Forscher kürzlich in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe um Klaus Müllen vom Max Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz entwickelten: praktisch ein Miniaturausschnitt der gekrümmten Kohlenstoffoberfläche mitsamt Chinongruppierungen – und „bombenaktiv“.

Von dieser Entdeckung bis in die Reaktoren interessierter Styrolhersteller war allerdings noch ein langer Weg zurückzulegen. So galt es zum Beispiel, die staubigen Nanoröhrchen zu immobilisieren, damit sie sich bequem als Granulat in den Reaktor schütten lassen und keine Arbeiter gefährden – auch das eine Arbeit, die mehrere Jahre in Anspruch nahm.

Aber das Ziel erschien lohnend, denn wie sich herausstellte, war der metallfreie Carbon-Kat nicht nur aus Sicht des Grundlagenforschers spannend, sondern sogar in mehrfacher Hinsicht die bessere Alternative zu den bekannten Metalloxid-Katalysatoren. Nicht nur, weil er schon bei etwa 400 statt 600 Grad Celsius funktioniert, sondern weil sich die Industrie damit tatsächlich die Energie für das Erhitzen der Unmengen an Wasserdampf sparen kann, die bei der klassischen Variante anfallen. „Die neue Methode ist einfach nachhaltiger“, so Schlögl.

Darüber hinaus verringert sie auch Probleme, die dadurch entstehen, dass sich die bisher verwendeten Katalysatoren nicht nur Ethylbenzol, sondern auch Styrol schnappen und daraus mit Wasserdampf weitere Verbindungen herstellen, die die Ingenieure anschließend mühsam abtrennen müssen. Hier Auf der Suche nach metallfreien Katalysatoren: Robert Schlögl (mitte), Sylvia Reiche und Pierre Kube suchen nach chemischen Heiratsvermittlern, die Moleküle ohne Metall zusammenbringen. Erste Erfolge haben sie dabei bereits vorzuweisen. sind Schlögls Varianten deutlich zahmer: „Die Kohlenstoffoberfläche ist wasserabstoßend“, so der Professor, „daher ist sie für den Wasserdampf kein attraktiver Bindungsort.“ Dadurch können Schlögls Kohlenstoffkatalysatoren ganz nebenbei auch andere Kohlenwasserstoffe in wertvolle Produkte umwandeln, bei denen Metalloxide gern übers Ziel hinausschießen: zum Beispiel Propan in den Polypropylen-Baustein Propen und Butan in Butadien – einen Baustein, aus dem die chemische Industrie Jahr für Jahr unter anderem Millionen Tonnen Reifenkautschuk herstellt.

In China arbeitet die erste Fabrik mit Nanoröhrchen

Zunächst einmal werden ähnliche Katalysatoren wie die in Berlin entwickelten jedoch wie geplant für die Styrolherstellung eingespannt – und zwar in China. Dort rauschen Sauerstoff und Ethylbenzol in einer Pilotanlage bereits über rund 100 Kilogramm katalytisch aktiver Nanotubes – und helfen den Ingenieuren im Fernen Osten mithin, ihre CO2-Bilanz aufzubessern.

Unterdessen geht die Suche nach metallfreien Katalysatoren nicht nur in Berlin weiter. So fanden Robert Schlögl und seine Mitarbeiter heraus, dass Grafit aus einem Aldehyd eine Carbonsäure erzeugt. Manchmal lassen sich Metallkatalysatoren auch durch Verbindungen von Kohlenstoff mit anderen Elementen wie Stickstoff ersetzen. So machen Stickstoffatome im Kohlenstoffnetz der Nanoröhrchen diese als Katalysatoren noch aktiver. Chinesische Forscher testen solche mit Stickstoff durchsetzten Kohlenstoffröhrchen als Elektrodenmaterial in Elektrolysezellen, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen.

Dafür sind bislang Edelmetallelektroden nötig

Inzwischen präsentierten Forscher um Markus Antonietti, Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam- Golm, einen Katalysator, der mit Licht Wasserstoff direkt aus Wasser erzeugt. Das fotokatalytische, ähnlich wie Grafit strukturierte Material besteht aus einem Netz, an dessen Knotenpunkten abwechselnd Stickstoff- und Kohlenstoffatome sitzen. Dieses Kohlenstoffnitrid könnte einen Schritt der üblichen elektrolytischen Wasserstoffproduktion überflüssig machen, bei dem die Energie des Lichts fotovoltaisch zunächst in Strom umgewandelt wird.

Kohlenstoff sowie Mischungen aus Kohlenstoff und Stickstoff haben also das Zeug, metallhaltige Katalysatoren zu ersetzen. Die Materialien für diese Aufgaben fit zu machen ist eine Aufgabe der Grundlagenforschung, der sich Max-Planck-Chemiker auch künftig widmen werden. Dabei hilft ihnen, was sie bei der Suche nach dem genauen Ort gelernt haben, an dem Ethylbenzol seine beiden Wasserstoffatome verliert. „Denn mit den Details der Chemie von Kohlenstoffoberflächen kennen wir uns inzwischen wirklich gut aus“, so Schlögl.

21.05.2012 Text: Stefan Albus

-> Quelle

AUF DEN PUNKT GEBRACHT

  • Die meisten industriell relevanten Katalysatoren enthalten Metalle, die oft selten sind oder nur mit hohem Energieaufwand arbeiten.
  • Bei der Dehydrierung von Ethylbenzol zu Styrol findet die eigentliche Reaktion nicht an den industriell als Katalysator verwendeten Metalloxiden statt, sondern an Chinonen, die sich in einer Kohlenstofflage über dem Oxid bilden.
  • Synthetische Chinone erzeugen Styrol mit höheren Ausbeuten und geringerem Energieaufwand als Metalloxide.
  • Metallfreie Katalysatoren aus Kohlenstoff oder Kombinationen von Kohlenstoff und Stickstoff eignen sich auch zur Wasserstoffproduktion durch Elektrolyse oder fotochemische Wasserspaltung.

 GLOSSAR

  • ABS: Ein Polymer, das aus Acrylnitril, Butadien und Styrol entsteht und etwa in Autos verwendet wird.
  • Dehydrierung: Aus einem Molekül wird Wasserstoff abgespalten.
  • Elektrolyse: Mit elektrischer Energie wird eine chemische Reaktion erzwungen. Die Reaktion findet in zwei Teilreaktionen an zwei Elektroden statt. Bei einer der Teilreaktionen nimmt ein Reaktionspartner Elektronen auf, bei der anderen gibt ein Partner Elektronen ab, obwohl das energetisch ungünstig ist. Ein Beispiel ist die Elektrolyse von Wasser zu Wasserstoff und Sauerstoff.
  • Fulleren: Kugelförmige Moleküle aus reinem Kohlenstoff. Bekanntestes Beispiel ist das Buckminster-Fulleren, das aus 60 Kohlenstoffatomen besteht und sich wie ein klassischer Fußball aus zwölf Fünfecken und 20 Sechsecken zusammensetzt.