Wie weiter mit CCS?

Standpunkt von Wolfgang Dirschauer, Vattenfall
In Deutschland, Lokomotive für Europas Klimapolitk, ist die CO2-Abscheidung und Speicherung (Carbon Capture ans Storage – CCS) hoch umstritten und wird politisch blockiert. Wolfgang Dirschauer, Klimapolitik-Chef bei Vattenfall Europe, wirft in seinem Debattenbeitrag kritische Fragen zur Umsetzung der CCS-Richtlinie der EU auf:

Die 2007 mit der EU CCS-Richtlinie furios gestartete Realisierung der Carbon Capture and Storage Technologie (CO2-Abscheidung und Speicherung) steckt europaweit in der Krise. Ausgerechnet in Deutschland, der klimapolitischen Lokomotive Europas, herrscht eine nur schwer auflösbare politische Blockade. Und das, obwohl sich die amtierende Bundesregierung noch vor kurzem die Realisierung von mindestens zwei oder drei CCS-Demonstrationsprojekten auf die Fahne geschrieben hatte.
Es ist nicht absehbar, ob und wie eine Umsetzung der EU-Richtlinie in ein deutsches Gesetz erfolgen wird, das die Investition in eine Demonstrationsanlage ermöglichen könnte. Aus diesem Grund sah Vattenfall sich im Dezember 2011 gezwungen, sein CCS-Demoprojekt Jänschwalde einzustellen. Andere CCS-Projekte in Deutschland waren bereits zuvor aufgegeben worden.

Damit ist klar: Die von der europäischen Energie- und Klimapolitik weiterhin als dringlich erachtete CCS-Technologie wird in dieser Dekade in Deutschland nicht realisiert werden können. Eines ist jedoch sicher: Ohne CCS wird eine Strom- und Wärmeversorgung in Deutschland mittelfristig nicht sicherzustellen sein. Der Blick richtet sich daher jetzt schon nach vorne auf die in den 2020er Jahren notwendigen großindustriellen Kraftwerke und die Möglichkeiten europäischer gemeinsamer CO2-Infrastrukturen. Denn nur mit grenzübeschreitenden Transportoptionen und der damit einher gehenden Eröffnung mehrerer Nutzungs- bzw. Speicheroptionen wird CCS sein volles Potenzial entfalten können.

Forschung und Entwicklung werden in Deutschland, vor allem aber international weiter fortgeführt. Global wird CCS realisiert, in Australien, Kanada, den USA, aber auch und gerade in China.

Europa fällt im Wettbewerb zurück

Europa fällt im Wettbewerb um diese chancenreiche Klimatechnologie zurück. Damit droht der Verlust einer wichtigen Option in dem nicht unumkämpften Instrumentenkasten der Energie- und Klimapolitik.

Dies ist hochgradig riskant, wird sich doch die Energiewelt von morgen  eklatant von dem, was wir heute kennen, unterscheiden. Der Blick auf die letzten 15 Jahre und die rasanten Entwicklungen seit der europäischen Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte machen dies deutlich.

Dies betrifft u.a. die Rolle von

1. fossilen und nicht-fossilen Energieträgern,

2. privaten und staatlichen Marktakteuren sowie

3. ganz grundsätzlich das Verhältnis von Markt und Regulierung.

Mehr Fragen als Antworten

Es betrifft mit Sicherheit aber auch die deutsche, europäische und weltweite Klimaschutzpolitik und darin für CCS vorgesehene Rolle.

CCS kann nicht isoliert von übergreifenden Fragestellungen betrachtet werden. Hierbei stehen vor allem die weiteren Entwicklung bei Klimawandel und Klimapolitik, die Diskussionen um CO2-Bepreisung, die Zukunft des ETS (European Union Emission Trading System, das Emissionshandelssystem der EU) sowie grundsätzlich die Frage der Akzeptanz für industrielle Großprojekte im Fokus.

Zur Zeit gibt es in diesen Bereichen mehr Fragen als Antworten. In Brüssel wie in vielen europäischen Hauptstädten liegt eine kaum noch überschaubare Vielzahl von Vorschlägen auf dem Tisch, wie diese Fragestellungen gelöst werden können. Allerdings zielen sie überwiegend auf weitere politische Interventionen und könnten so das ohnehin bereits überbordende Mikromanagement weiter intensivieren.

Es fehlt der Wille zur Harmonisierung der Instrumente

Dagegen fehlt weitgehend eine klare wirtschafts- bzw. ordnungspolitische Gesamtschau sowie der handfeste Wille zur Harmonisierung der energie- und klimapolitischen Instrumente.

Die selbst gestellte Aufgabe europäischer und deutscher Klimapolitik ist zu zeigen, dass Klimaschutz
1. technologisch machbar,
2. gesellschaftlich akzeptiert und
3. nicht teuer ist.

Unter dem Paradigma der Klimapolitik werden die unterschiedlichen Vor- und Nachteile von erneuerbaren Energien und fossilen Energieträgern bislang nicht systematisch analysiert und kommuniziert. Dies ist aber dringend erforderlich, um ökonomische Verwerfungen zu vermeiden und gesellschaftliche Akzeptanz zu sichern. Gleiches gilt für die ebenfalls viel zu defensiv geführte Diskussion über die Zukunft unserer deutschen und europäischen Industrie mit oder ohne CCS. Auch hier gilt es, Annahmen und Interessen auf den Tisch zu legen. Europa wird dabei an CCS nicht vorbei kommen. Der Primat einer langfristigen Emissionsreduzierung um bis zu 95 Prozenz würde andernfalls aus der politisch beschlossenen Dekarbonisierung eine politisch zu verantwortende Deindustrialisierung machen. 21 05. 2012

(Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Agentur Zukunft oder von Solarify wider.)

Der Autor

Wolfgang Dirschauer ist Leiter des Bereiches Klimapolitik der Vattenfall Europe AG. Davor arbeitete er als energie- und umweltpolitischer Referent für die SPD-Bundestagsfraktion. Er studierte Politikwissenschaften, moderne Geschichte und englische Literatur in Hamburg und Bonn und hat einen Abschluss als M.A. der Politikwissenschaften der Universität Bonn. Dirschauer ist 1964 geboren, verheiratet und Vater von fünf Kindern.