DAS ERDSYSTEM KANN NICHT RÜCKWÄRTS LAUFEN
Und selbst die Arbeit, die diese Maschinen leisten, wandelt sich schlussendlich in Wärme um. Wenn wir mit dem Auto von zu Hause in den Urlaub und wieder zurück gefahren sind, hat sich die chemische Energie des dabei verbrauchten Kraftstoffs über die allgegenwärtige Reibung in reine Abwärme verwandelt. Die technisch nicht nutzbare Wärme ist ohnehin in die Umwelt abgeflossen.
Diese Erkenntnis aus der Welt der aufkommenden Dampfmaschinen hat im 19. Jahrhundert die Lehre der Thermodynamik hervorgebracht. Was mit Technik begann, wurde ein Gebiet der Physik, das auch für das Erdsystem eine fundamentale Bedeutung hat. Erst die Gesetze der Thermodynamik nämlich geben physikalischen Prozessen eine Zeitrichtung.
„Deshalb kann das Erdsystem nicht wie ein Film einfach rückwärts laufen“, erklärt Axel Kleidon, „also kalte, langwellige Strahlung aus allen Richtungen aus dem Weltall aufnehmen und heiße, kurzwellige Strahlung gebündelt zur Sonne abstrahlen.“ Das muss der Gast erst mal verdauen – zumal der Wissenschaftler nun auf einen Begriff zusteuert, mit dem auch viele Physikstudenten anfangs kämpfen: Entropie.
Zum Glück können wir alle das Wesen der Entropie doch anschaulich verstehen, weil wir im Alltag mit ihr permanent ringen. Dazu gehört auch Axel Kleidons Sohn. Er spielt gern Lego und macht tagtäglich eine fundamentale Erfahrung, die wir alle kennen: Die schön in Kästen sortierten Bausteine verteilen sich wie von selbst über das ganze Zimmer.
„Das passiert nicht nur räumlich, sodass die Steine schließlich überall unter den Fußsohlen kneifen“, sagt Kleidon. „Auch die schöne Sortierung der Steine nach ihren Farben verwandelt sich in eine bunte Mischung.“ Im Kinderzimmer entfaltet also eine geheimnisvolle Kraft ihre Wirkung, die – aus menschlicher Sicht – von schöner Ordnung zu unschöner Unordnung strebt. Das ist nichts anderes als die Entropie, die mit der vermeintlichen Unordnung wächst. Und wachsen will sie permanent.
Warum ist das so? Das versteht man, wenn man das allgegenwärtige Phänomen aus Sicht der Statistischen Physik angeht – das moderne Kind der Thermodynamik. Statistisch betrachtet ist das aufgeräumte Zimmer, in dem die Legosteine sauber nach Farbe in Kästen einsortiert sind, nur ein Zustand unter extrem vielen gleichwertigen. Jeder dieser Zustände repräsentiert eine andere Legoverteilung über das Zimmer.
Dieses Bild macht klar, dass der aufgeräumte Zustand ziemlich unwahrscheinlich ist. Hätte Kleidons Sohn zum Legospielen einige zig Milliarden Jahre Zeit, dann würde dieser Zustand auch mal rein zufällig eintreten. Das zumindest sagt die statistische Betrachtung. Da der Sohn aber so viel Lebenszeit nicht hat, muss er aktiv aufräumen. „Und dieses räumliche Konzentrieren und Sortieren bedarf der Arbeit“, sagt Kleidon. Das gilt nicht nur für Lego, sondern ganz allgemein.