Ökonomie des Genug
Was in Rio nicht auf der Agenda steht …
Ein Symposium für Wolfgang Sachs von Heinrich-Böll-Stiftung und Wuppertal Institut
„Welche Themen fehlen auf der Rio+20?“ und „Was muss nach Rio+20 geschehen?“ – waren die Fragen eines Symposiums unter dem programmatischen Titel einer „Ökonomie des Genug“, das gemeinsam von Wuppertal Institut und Heinrich Böll Stiftung ausgerichtet wurde. Mit dem Symposium sollte zugleich die inspirierende Arbeit von Wolfgang Sachs für Wissenschaft, Politik und Gesellschaft anlässlich seines 65. Geburtstags gewürdigt werden. Über 100 internationale Expert(inn)en folgten der Einladung, viele von ihnen trugen mit wichtigen Beiträgen zur Debatte bei. Einige seien hier kurz skizziert.
„Auf der Suche nach einer sozial gerechten und ökologischen Zukunft werden die Ideen für neue Lösungen nach wie vor von den wegweisenden Konzepten Wolfgang Sachs‘ geprägt“, sagte Uwe Schneidewind. „Wolfgang Sachs hat die mehrdimensionalen Aspekte der Nachhaltigkeit vorangebracht: Das Verständnis einer miteinander verflochtenen Gesellschaft und Umwelt!“ hob Vandana Shiva hervor. Sie kritisierte in ihrer Key-Note-Rede ein Flaggschiff-Konzept von Rio+20: „Die ‚Green Economy‘ bedeutet die ultimative Kommerzialisierung der Natur“, sagte sie. Die Welt müsse sich in Richtung gewählter Einfachheit bewegen, wie Wolfgang Sachs immer wieder betont hat.
Der innere Wert von Globalisierung, konsumtiven Lebensstilen und industriellem Wachstum sei die Produktion von Müll, sagte die deutsche Philosophin Marianne Gronemeyer. Das „Glaubenssystem Müll“ werde überall aufgezwungen. Es lässt nur wenige Nischen für Pioniere offen und zerstört seine materiellen Grundlagen. Harald Welzer unterstrich, dass die Gesellschaft keine routinierten Gegenstrategien hat, mit denen dieses System transformiert werden kann, da die einzigen identifizierbaren Gegner privilegierte Menschen wie wir selbst sind. Also bedeute Nachhaltigkeit, dass wir Neuland betreten müssen. Die Verantwortung, diese Alternativen zu expansiven Lebensstilen zu finden, könne nicht delegiert werden.
„Das ‚Anthropozän‘ sei eine Ära des fortwährenden Wandels,“ sagte Richard B. Norgaard. „Wir müssen vor den Wellen, die wir selbst verursachen, reiten und gleichzeitig ein ganz neues System erdenken.“ Jedoch sind die bestehenden Institutionen und kulturellen Normen resistent gegen Wandel. Ein Hauptgrund ist, dass die von wirtschaftlichem Wachstum abhängen. Folglich ruht eine Ökonomie des Genug auf neuen Institutionen, die nicht auf hohe Einkommen und hohe Ausgaben angewiesen sind. Tim Jackson brachte die Idee ein, dass es einer „Green Economy“ darum gehe, diese Institutionen zu errichten – und dass sie die enge Logik von Investitionen in erneuerbare Energien und natürliches Kapital überwindet.
Externalisierung ist eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einer Ökonomie des Genug, sagte Daniel Dahm. Aber bloße Internalisierung sei auch keine Lösung. Vielmehr müsste Subsistenzarbeit in eine Balance mit marktvermittelten Leistungen gebracht werden. Eine „subversive“ Anwendung von Gesetzgebung und Finanzierungsmodellen kann dabei helfen, die Gemeingüter zu schützen und zu stärken. So wird Platz für eine „neue Logik“ der gemeinschaftsbasierten Peer-Produktion geschaffen, die andere gesellschaftliche Regeln und Praktiken für den Umgang mit natürlichen und kulturellen Ressourcen ermöglichen. Silke Helfrich wies darauf hin, dass auf diese Weise alles Erdenkliche produziert werden könne, von Äpfeln bis Software und sogar Autos. Diese große Transformation kann durch unvorhersehbare Bündnisse und Kombinationen von unterschiedlichen Könnerschaften und Wissen vorangebracht werden. Dadurch verschieben sich die gesellschaftlichen Werte von der gegenwärtigen Logik der Knappheiten und Notwendigkeiten hin zu den gesellschaftlichen Bedürfnissen und der Fülle.
Eine nachhaltige und lebenswerte „Heimat“ für alle kann nur durch eine Fülle verschiedener Zugänge geschaffen werden. Ashok Kosla, ehemaliger Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), hob hervor, dass menschliche Erfüllung und die Freiheitsgrade sowie ein sicherer Entwicklungsraum für kommende Generationen in Einklang gebracht werden müssen. Sowohl der globale Norden als auch der globale Süden müssen neue Wege finden, durch die eine wirtschaftliche Basis für ein Gutes Leben bereitgestellt wird.
Die Debatte des ersten Tages nahm Ernst-Ulrich von Weizsäcker in seiner Tischrede zu Ehren von Wolfgang Sachs am Abend auf: „Wenn wir uns jenseits vom BIP bewegen, sollten wir Alternativen finden, durch die Arbeit und Einkommen möglich werden.“ Er fügte hinzu: „Ich kann Ihnen keine glänzenden Lösungen für diese Herausforderung anbieten, mit Sicherheit nicht heute Abend. Aber wenn ich mir all diese glänzenden Teilnehmer ansehe und wenn ich dich ansehe, lieber Wolfgang, dann vertraue ich darauf, dass unsere Gemeinschaft auch darin erfolgreich sein, dieser Herausforderung zu begegnen.“ 01.06.2012
->Quelle – Bericht: Benjamin Best