Netzbetreiber tricksen bei Strommengen aus Kohlekraftwerken
Die Netzbetreiber gehen bei ihren Planungen zum Netzausbau von einer viel zu hohen künftigen Strommenge aus Kohlekraftwerken aus, sagt der BUND. Er legte jetzt das entsprechende Ergebnis einer Analyse des Netzentwicklungsplans vor. Die prognostizierten Strommengen aus Kohlekraftwerken für das Jahr 2022 lägen danach mit fast 250 Terawattstunden (TWh) bis zu 100 TWh über den aktuellen Annahmen in den Energieszenarien der Bundesregierung. Rein rechnerisch entspräche dieser Unterschied der Stromproduktion von über 30 Kohlekraftwerken und einem Mehr-Ausstoß von etwa 90 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2022. Mit diesen Zahlen würden sich die Netzbetreiber weit von der gesetzlichen Vorgabe entfernen, die Netzausbauplanung nach den energiepolitischen Zielen der Bundesregierung auszurichten, so der BUND.
„Die unrealistisch hohen Annahmen der Netzbetreiber stehen im krassen Widerspruch zu dem Trend, dass durch den erfolgreichen Ausbau der erneuerbaren Energien die Produktion von Kohlestrom zurückgeht. Folge dieser Prognose wäre ein ungerechtfertigter, überdimensionierter Ausbau des Stromnetzes“, so der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.
Zur Anhebung der Strommengen hätten die Netzbetreiber einen Rechentrick verwendet. Zwar hätten sie die von der Bundesnetzagentur vorgeschriebene reduzierte Leistung von Kohlekraftwerken für ihre Berechnungen akzeptiert. Gleichzeitig hätten sie jedoch die Auslastung, also die Leistungsdauer der Kohlekraftwerke in ihren Annahmen drastisch erhöht und damit auch die produzierte Strommenge.
„Mit dieser Manipulation von Zahlen hebeln die Übertragungsnetzbetreiber die Energiewende doppelt aus: indem der Weg für mehr Kohlekraft frei und der Bevölkerung der Netzausbau madig gemacht wird. Diese Taschenspielertricks dürfen die Bundesnetzagentur und die Bundesregierung auf keinen Fall als Grundlage für die weitere Netzplanung akzeptieren“, forderte Weiger. Die Netzbetreiber müssten ihren Plan umgehend überarbeiten und die Strommengen den energiepolitischen Zielen der Bundesregierung anpassen.
Die derzeitige Netzplanung diene neben der besseren Auslastung von fossilen Kohlekraftwerken möglicherweise auch dem Ziel, neue Kohlekraftwerken bauen zu können, kritisierte der BUND. So lägen die Annahmen der Netzbetreiber zur künftigen Auslastung von Braunkohlekraftwerken mit 8000 Volllaststunden im Jahr 2022 nicht nur deutlich über dem heutigen Durchschnittswert sondern auch über dem, was technisch für die derzeit vorhandenen Kraftwerke leistbar sei.
Weiger: „Der Ausbau eines überdimensionierten Stromnetzes, um darin Strom aus Kohlekraftwerken besser transportieren zu können, wäre pures Gift für die Energiewende und das Erreichen der Klimaschutzziele der Bundesregierung. Die Energiewende ist nur dann erfolgreich, wenn alte zentrale und fossile Energieträger schnell an Marktanteilen verlieren. Nur dann findet der Ausbau der Netze auch die Akzeptanz der Bürger, ohne die die Energiewende nicht möglich ist.“
Klar sei, dass für die Integration der erneuerbaren Energien die Stromnetze in Deutschland um- und ausgebaut werden müssten. Allerdings dürfe es nicht vorschnell zur Festlegung auf mehrere Nord-Süd-Stromautobahnen kommen. Vorher müssten alle Möglichkeiten des Ausbaus der erneuerbaren Energien im Süden des Landes geprüft und dann in den Entwicklungsplan einbezogen werden.
„Es darf nicht sein, dass jetzt der Neubau möglichst vieler Trassen forciert wird. Viele davon könnten sich schon in wenigen Jahren als Fehlplanung erweisen“, so Weiger. Um seine Kritik und Änderungsvorschläge an dem Netzentwicklungsplan einzubringen, werde der BUND bis zum 10. Juli eine Stellungnahme im Konsultationsverfahren der Netzbetreiber einreichen. 30.06.2012
->Quelle BUND
Die DUH wirft den Netzbetreibern vor, ein zukünftiges Stromnetz anzustreben, dass zwar die Energiewende ermöglicht, aber ebenso die Rückkehr zu einem zentralistischen Stromsystem auf Basis großer Kohlekraftwerke. Die ÜNB würden in ihrem Entwurf zum Netzentwicklungsplan Strom so viel Netz wie möglich, statt so viel Netz wie nötig fordern.
„Der gesetzliche Auftrag der Übertragungsnetzbetreiber ist es, auf Basis des vorgegebenen Szenariorahmens ein Stromnetz für die Energiewende zu konzipieren“, sagte Peter Ahmels, der Leiter Erneuerbare Energien der Deutschen Umwelthilfe. Hier schieße der Entwurf der Netzbetreiber teilweise über das Ziel hinaus. Da angesichts sich ständig ändernder technischer und energiewirtschaftlicher Rahmenbedingungen niemand im Detail sagen könne, welche Stromtrassen unverzichtbar seien, komme es jetzt darauf an, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben einen offenen Prozess zu organisieren, der Korrekturmöglichkeiten möglichst lange offenhalte. Ahmels: „Dafür brauchen wir eine klare Priorisierung der vorgeschlagenen Trassen.“ Ohne eine solche Priorisierung und den eindeutigen Nachweis der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit jeder Trasse sei Akzeptanz in der Bevölkerung nicht zu erreichen.
Als Beispiele für die Tendenz der Übertragungsnetzbetreiber, eher nach der Maxime „so viel Netz wie möglich, statt so viel Netz wie nötig“ zu handeln, nannte Ahmels die Wahl des außergewöhnlich windreichen Jahres 2007 als Basis für ihre Berechnungen, die Nicht-Berücksichtigung der Tatsache, dass niemals alle Erneuerbare-Energieanlagen gleichzeitig ins Netz einspeisen und fehlende Analysen des reduzierten Netzausbaubedarfs, falls auf die Einspeisung absoluter Spitzeneinspeisungen verzichtet würde. So könne sich der Netzausbaubedarf um immerhin etwa zehn Prozent reduzieren, wenn auf nur zwei Prozent der im Jahr von Windrädern erzeugten Stromenge verzichtet würde.
Nach Überzeugung der DUH berücksichtigen die ÜNB zu wenig tendenziell den Netzbedarf entlastende Übertragungstechniken wie Hochtemperaturleiterseile und netzentlastende Effekte durch technologische Entwicklungen, wie Speicher oder Smart Grids, die sich vor allem in dem bis 2032 reichenden Leitszenario B 2032 des Szenariorahmens zeigen müssten. „Es gibt in dem Entwurf der Netzbetreiber leider nur wenige Hinweise auf Bemühungen zur konkreten Einsparung von Übertragungskapazitäten“, erläuterte Anne Palenberg, Projektmanagerin für Netzintegration bei der DUH. Sie begrüßte, dass die Netzbetreiber die besonders effektive Technik der HGÜ in dem Planentwurf eindeutig als neue Säule des Übertragungsnetzes der Zukunft einbeziehe, auch wenn möglicherweise nicht alle vier vorgesehenen HGÜ-Stromautobahnen im Betrachtungszeitraum notwendig seien.
Fragen werfen nach Überzeugung der DUH auch die von den Netzbetreibern gewählte Modellierung der Energiemarktsimulation auf, auf deren Basis der Netzbedarf berechnet wurde. Einerseits führe dieses Marktmodell offenbar zu einer immer höheren Jahresauslastung der verbliebenen Kohlekraftwerke, obwohl deren Volllaststundenzahl in der Realität und nach den Prognosen zahlreicher Studien mit zunehmender Einspeisung aus Erneuerbaren Energien ständig sinke. Außerdem ergebe das Modell praktisch keinen Effekt auf den Netzausbaubedarf, wenn die von der Bundesregierung angestrebte Reduzierung des nationalen Strombedarfs tatsächlich eintrete.