MPG und EPFL bündeln Kräfte in den Nanowissenschaften

Das Max-Planck-EPFL-Center für Molekulare Nanowissenschaften und -technologie in Lausanne wird molekulare Nanomaterialien und -prozesse erforschen, um sie für Anwendungen in Medizin und Technik zu nutzen

Leben ist ohne Nanotechnologie nicht möglich. Die Natur setzt schon seit jeher auf die Prinzipien, die nun auch immer mehr technische Anwendungen finden. Um gerade im Grenzgebiet zwischen Nano- und Biotechnologie die grundlegenden Erkenntnisse zu gewinnen und so die Basis für neue technische Entwicklungen zu schaffen, haben die Max-Planck-Gesellschaft und die École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) das Max-Planck-EPFL-Center für Molekulare Nanowissenschaften und -technologie gegründet. Die Partnerschaft umfasst den Aufbau eines Labors in Lausanne, eine gemeinsame Doktorandenschule mit Sommerkursen und Konferenzen sowie cofinanzierte Projekte und Doktorarbeiten. Die Vereinbarung über die Kooperation haben Max-Planck-Präsident Peter Gruss und Patrick Aebischer, Präsident der EPFL, am 16. Juli unterzeichnet.

Am Max-Planck-EPFL-Center sind die Max-Planck-Institute für Biophysikalische Chemie in Göttingen, für Festkörperforschung und für Intelligente Systeme in Stuttgart sowie das Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin beteiligt. Die Kooperation dient vor allem der gemeinsamen Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses in den Nanowissenschaften und steht dabei für die fruchtbare Verbindung von Nano- und Biotechnologie. Auf der einen Seite erfährt gerade die molekulare Nanotechnologie viele Anregungen aus der Biologie. Hier wie dort entstehen die meisten Strukturen selbstorganisiert, zudem nutzt die Nanowissenschaft DNA und andere Biomoleküle als Bausteine oder ahmt natürliche Materialien und Prozesse nach. Auf der anderen Seite eröffnet die Nanotechnologie in den Lebenswissenschaften neue Möglichkeiten, etwa für die Entwicklung kompakter und effizienter diagnostischer Instrumente für die Medizin.

Die Forschung verfolgt zwei Hauptstoßrichtungen: Zum einen zielen grundlegende Untersuchungen darauf, das Verhalten der Materie im kleinsten Maßstab besser zu verstehen sowie neue Methoden zur Kontrolle molekularer Wechselwirkungen zu entwickeln. Zum anderen beschreiten die Kooperationspartner neue bionanotechnologische Wege zu potenziellen Anwendungen in Medizin und Pharmakologie. Entsprechend dieser Zielsetzungen betreffen die Forschungsaktivitäten unterschiedliche Fachbereiche: von Chemie bis Materialwissenschaften und von Physik bis Bioengineering oder Elektronik.

Die molekulare Erkennung ist ein zentraler Forschungsgegenstand

Elementar für biologische Prozesse und die molekulare Nanowissenschaft ist die molekulare Erkennung. Die Natur hat darin eine Perfektion erreicht, die für die Technik immer noch den Maßstab setzt: Enzyme verarbeiten immer das richtige Substrat, Antigen und Antikörper finden stets zuverlässig zueinander und Zellen sind ausgesprochen empfindlich für ihre Umgebung. Da Einsichten in die molekulare Erkennung die Nano- und Biotechnologie gleichermaßen voranbringen, stellen ihre Mechanismen einen zentralen Forschungsgegenstand am Max-Planck-EPFL-Center dar. Ein besseres Verständnis, wie Moleküle einander wahrnehmen und sich zu supramolekularen Strukturen zusammenlagern, wollen die Wissenschaftler der Kooperation erlangen, indem sie einzelne Moleküle, die Wechselwirkungen zwischen Molekülen sowie die Strukturen und Prozesse untersuchen, über die Zellen auf ihre Umwelt und insbesondere auf Nanomaterialien reagieren.

Um einzelne Biomoleküle zu untersuchen, bedienen sich die Forscher unter anderem der Rastersondenmikroskopie, entwickeln experimentelle Methoden für die Analyse empfindlicher Biomoleküle aber auch gezielt weiter. Indem sie die experimentellen Untersuchungen mit theoretischen Studien kombinieren, wollen sie zum Beispiel im Detail aufklären, wie Moleküle Elektronen übertragen – ein Prozess, der in vielen Enzymen stattfindet und für zahlreiche technische Anwendungen wie etwa die Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff relevant ist. Neben diese Elektrokatalyse widmen sich die Wissenschaftler aber auch der Fotokatalyse, dank derer Pflanzen zum Beispiel in der Fotosynthese die Energie des Sonnenlichts in Zuckermolekülen speichern. Die Mechanismen, die dabei eine Rolle spielen, lassen sich auch in der fotodynamischen Therapie gegen Tumorzellen und Krankheitserreger ausnutzen. Um die Effizienz dieser Behandlungsmethode zu steigern, wollen die Wissenschaftler die fotokatalytischen Prozesse genau verstehen und optimale Materialien für diese Anwendung erforschen.

Die Wechselwirkungen zwischen Biomolekülen, etwa die von Antigenen und Antikörpern, Liganden und Rezeptoren sowie von Nukleinsäuren und Proteinen bilden den zweiten Schwerpunkt im Forschungsspektrum des Centers. Ein genaues Verständnis dieses molekularen Zusammenspiels bildet die Voraussetzung, um eine empfindlichere medizinische Diagnostik für verschiedene Biomarker zu ermöglichen, aber auch um computergestützt neue medizinische Wirkstoffe aufzuspüren. Als weiterer Forschungsaspekt kommt die Frage hinzu, wie Moleküle Energie austauschen: Bei vielen biologischen Prozessen wie etwa der Erzeugung von Nervensignalen, der Fotosynthese oder der Muskelaktivität nehmen Biomoleküle Energie auf und geben sie an andere Moleküle weiter. Diesen Energieaustausch müssen die Wissenschaftler im Detail kennen, wenn sie etwa katalytische Verfahren nach dem Vorbild der Natur entwickeln oder verbessern möchten.

Das Max-Planck-EPFL Labor wird die Selbstorganisation von Nanomaterialien erforschen

Die Wechselwirkungen zwischen Biomolekülen spielen auch eine Rolle, wenn Zellen ihre Umwelt wahrnehmen und auf sie reagieren – aber längst nicht die einzige. Wie Zellen mit ihrer Umgebung kommunizieren wollen die Wissenschaftler des Max-Planck-EPFL-Centers ebenfalls besser durchdringen. Zu diesem Zweck analysieren sie, wie sich Zellen auf Nanomaterialien verhalten und wie die entsprechenden Signale verarbeitet werden. So beobachten Wissenschaftler der Kooperation, wie Zellen sich über borstenartige Anordnungen von Nanodrähten bewegen und messen dabei die die zellulären Kräfte. Diese Untersuchungen sollen dazu beitragen, das Wachstum von Nervenzellen etwa nach einer Verletzung zu verstehen

Um die vielfältigen Fragen zu beantworten, werden die Kooperationspartner Methoden erforschen, mit denen sie Nanostrukturen gezielt herstellen und untersuchen können. Zudem werden sie Verfahren entwickeln, mit denen sich die Materialien und ihre Eigenschaften am Computer simulieren lassen. Am Max-Planck-EPFL-Labor für molekulare Nanowissenschaften, das ein zentrales Element der Kooperation darstellt, werden Wissenschaftler Nanostrukturen in bottom-up-Verfahren erzeugen. Dabei ordnen sich Moleküle unter geeigneten Bedingungen ähnlich wie bei der Entstehung von Biomaterialien selbstorganisiert zu den gewünschten Strukturen an. Welche Bedingungen dafür die geeigneten sind, wird eine Frage sein, der die Forscher in Lausanne nachgehen. Darüber hinaus werden die Wissenschaftler die Materialeigenschaften, die für die molekulare Erkennung und den Austausch von Ladung und Energie entscheidend sind, für unterschiedliche Zwecke maßschneidern.

Das Max-Planck-EPFL-Labor für molekulare Nanowissenschaften soll Anfang 2013 auf dem EPFL-Campus eröffnet werden und zu Beginn einen Forscher und zwei Doktoranden beschäftigen. In einer gemeinsamen Doktorandenschule soll der wissenschaftliche Nachwuchs in einer Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Schweiz unter idealen Bedingungen ausgebildet werden. Etwa zwanzig Doktoranden werden in gemeinsamen Kursen und Forschungsprojekten unterrichtet, wobei das Center sechs Doktorarbeiten finanziert. Zudem sollen ebenso viele Post-Docs Teil des Programms sein. Im ersten Jahr wird das Programm über ein Budget von 960 000 Euro und ab dem dritten Jahr über 1,4 Millionen Euro verfügen, die je zur Hälfte von beiden Einrichtungen bestritten werden. 16.07.2012
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