Klimaforschung mit maximalem Mehrwert: Workshop am Alfred-Wegener-Institut vom 1.-3. August 2012
Die Sonne gilt als Motor allen Lebens auf der Erde. Wie viel ihrer Energie jedoch tatsächlich die Erdoberfläche erreicht, erfassen Wissenschaftler mit dem Basic Surface Radiation Network, einem weltumspannenden Netzwerk aus 54 Strahlungsmessstationen. Deren Messungen sollten ursprünglich dazu dienen, den Energieflüssen an der Erdoberfläche auf die Spur zu kommen, die für unser Klima verantwortlich sind. Inzwischen werden die hochgenauen Daten jedoch nicht nur von Klimaforschern abgefragt. Photovoltaik-Anlagen etwa generieren mehr Energie, wenn die Hersteller Erkenntnisse aus den BSRN-Messungen berücksichtigen. Welches Anwendungspotential sonst noch in den Messergebnissen steckt, beraten Wissenschaftler und Kunden des Netzwerkes vom 1. bis 3. August 2012 auf einem internationalen Workshop in der Potsdamer Außenstelle des Alfred-Wegener-Institutes für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft.
Das Problem schien geradezu paradox. Wann immer bei Sonnenschein weiße, dicke Cumuluswolken in kleinen Grüppchen am Himmel über München hinwegzogen, traf mehr Sonnenstrahlung auf die Photovoltaik-Platten eines Herstellers, als Physiker für einen Tag mit gänzlich wolkenlosem Himmel ausgerechnet hatten. Die Folge: Die Anlagen produzierten Energiehöchstwerte, die jedoch nicht genutzt werden konnten, weil die Wechselrichter der Solarmodule nicht optimal eingestellt waren. „Erst ein Vergleich mit den Strahlungsdaten unserer europäischen BSRN-Stationen offenbarte die Ursache für diese Strahlungshöchstwerte. Unter solchen Bedingungen trifft nämlich nicht nur die direkte Sonnenstrahlung auf die Solarmodule, hinzukommt auch das weiße Streulicht der Wolken. Ein Extra, das im Falle von Photovoltaik-Anlagen natürlich mit einkalkuliert und berücksichtigt werden muss“, sagt Dr. Gert König-Langlo, Leiter des World Radiation Monitoring Centers (WRMC) am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft.
Strahlungsphysikalische Fragen wie diese werden Thema sein, wenn das Alfred-Wegener-Institut zum zwölften internationalen BSRN-Workshop nach Potsdam lädt. Rund 70 Strahlungsexperten und Datennutzer aus aller Welt haben bisher ihr Kommen zugesagt. „Bei der dreitägigen Veranstaltung wird es vor allem darum gehen, miteinander ins Gespräch zu kommen. Wir haben als BSRN den Anspruch, die weltweit besten bodennahen Strahlungsdaten zu liefern. Dazu müssen wir aber auch wissen, was genau die Datennutzer brauchen“, sagt Gert König-Langlo.
Derzeit besteht das Basic Surface Radiation Network aus 54 Messstationen und dem WRMC als zentrales Datenarchiv: „Wir sammeln die Messdaten aller 54 Stationen und betreiben als Alfred-Wegener-Institut selbst sogar zwei davon. Die eine Messstation steht an der Neumayer-Station III in der Antarktis, die andere an der Arktis-Forschungsstation in Ny Ålesund auf Spitzbergen“, so Gert König-Langlo.
Jede dieser Stationen enthält eine Fülle von Sensoren, die im Abstand von wenigen Sekunden die bodennahe Strahlung messen. Aus diesen Werten werden anschließend ein Mittelwert sowie ein Maximum und ein Minimum pro Minute errechnet. „Unsere Daten haben eine so hohe zeitliche Auflösung, dass man Strahlungsschwankungen genau erkennen kann und weiß, wann die Sonne hinter Wolken verschwand und wann sie freie Bahn hatte“, so Gert König-Langlo. Seit dem Ende der Achtziger Jahre ist auf diese Weise ein Datensatz entstanden, der inzwischen so groß ist, dass ein einzelner Mensch 670 Jahre lang, rund um die Uhr zu jeder Minute des Tages die jeweiligen Strahlungsdaten notieren müsste, um in etwa auf die gleiche Datenmenge zu kommen.
Diese Dichte der BSRN-Messdaten wird vor allem von Betreibern wissenschaftlicher Satelliten geschätzt. Sie benutzen die Strahlenwerte als bodenbasierte, hochgenaue und verlässliche Vergleichsgröße, um Messfehler in ihren Satellitendaten aufzudecken. Klimamodellierer greifen auf den Datensatz zurück, wenn sie die Genauigkeit ihrer Computerberechnungen überprüfen wollen. Und eine Studie aus dem Jahr 2011 hat gezeigt, dass es bei der Planung von thermischen Sonnenkraftwerken durchaus Sinn macht, die BSRN-Messergebnisse zu Rate zu ziehen. Gert König-Langlo: „Diese vielen Beispiele zeigen: Das Netzwerk und sein Archiv am Alfred-Wegener-Institut leisten einen substantiellen Beitrag zur Klimabeobachtung.“
DasAlfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.
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