Gesundheitliche Auswirkungen der Atomkatastrophe von Fukushima
von Dr. med. Alex Rosen, Universitätskinderklinik Düsseldorf
Aus Anlass des Hiroshima- und Nagasaki-Tages am 6. August dokumentiert Solarify den Artikel eines Düsseldorfer Konderarztes:
Bis heute gibt es noch keine epidemiologische Studie über die Gesundheitskonsequenzen des Supergaus in Nordost-Japan. Im Gegenteil: Erste Untersuchungsergebnisse über Schilddrüsenveränderungen bei Kindern werden systematisch verharmlost. Die Studie der WHO zum Ausmaß der Strahlenexposition vom Mai diesen Jahres blieb hinter den Erwartungen der Wissenschaft zurück: Nach Ansicht der deutschen IPPNW-Sektion ist die Auswahl der Lebensmittelproben im Bericht fragwürdig, da sich die zitierten Strahlenwerte signifikant von denen des japanischen Wissenschaftsministeriums unterscheiden. Dies führe zu einer selektiven Unterschätzung der inneren Strahlenexposition. Auch die Schätzungen der Strahlenemissionen aus dem havarierten Kraftwerk lägen deutlich unterhalb der Werte, die von unabhängigen Forschungsinstitutionen und TEPCO selbst angegeben werden.
Insbesondere kritisiert die Ärzteorganisation jedoch die Tatsache, dass sich das für den Bericht verantwortliche Expertengremium vor allem aus MitarbeiterInnen der IAEO und nationaler Atomregulationsbehörden zusammensetzt, die enge Beziehungen zur Atomwirtschaft haben. Atomkritische Stimmen kommen im WHO-Bericht nicht zu Wort. Die IPPNW fordert unabhängige epidemiologische Studien, um die Effekte der Niedrigstrahlung besser zu verstehen und um das Ausmaß der gesundheitlichen Folgen in den kommenden Jahrzehnten und für kommende Generationen einschätzen zu können. Benötigt werden Untersuchungen, die gänzlich frei sind vom Verdacht der Einflussnahme der Atomindustrie und der Atomregulationsbehörden, deren mangelndes Sicherheitsbewusstsein zu der Katastrophe von Fukushima maßgeblich beigetragen hat.
Während kurzlebige Radioisotope wie Jod-131 nach wenigen Monaten unter ein kritisches Niveau fallen, werden langlebige Nuklide wie Cäsium-137 oder Strontium-90 weiterhin ionisierende Strahlung abgeben und Menschen über viele Generationen gefährden. Mehr als die Hälfte der bei der Tschernobyl-Katastrophe 1986 emittierten Menge an Cäsium-137 strahlt weiter, da die Halbwertszeit von 30 Jahren noch nicht erreicht ist. „In Anbetracht der Tschernobyl-Opfer ist die Behauptung japanischer Regierungsberater, der Atomindustrie und der IAEO, der Fukushima-Gau werde nur wenige bis gar keine Folgen auf die Gesundheit der Menschen haben, nicht nur unwissenschaftlich, sondern zutiefst unmoralisch“, erklärt der IPPNW-Kinderarzt Dr. Alex Rosen.
Vorwort von Alex Rosens Artikel
Das Erdbeben von T?hoku im März 2011 führte zu mehreren atomaren Kernschmelzen in den Reaktoren des Atomkraftwerks Fukushima Dai-ichi im Norden Japans. Der radioaktive Ausstoß der brennenden Atomkraftwerke verursachte eine Kontamination der gesamten Region. Die Mehrheit des radioaktiven Niederschlags ereignete sich uber dem Nordpazifik und führte zur größten, jemals gemessenen radioaktiven Kontamination der Weltmeere durch ein einzelnes Ereignis. Proben von Meeresboden und -wasser, sowie von Meerestieren zeigten hohe Werte von radioaktiven Isotopen. In der gesamten nördlichen Hemisphäre wurden erhöhte Strahlenwerte aufgezeichnet.
Der radioaktive Niederschlag verseuchte zudem große Gebiete des östlichen japanischen Festlands, inklusive der Metropole Tokio. Innerhalb eines Umkreises von 20 km mussten 200.000 Menschen ihre Wohnungen verlassen. Außerhalb dieser Evakuierungszone verseuchte der radioaktive Niederschlag mehr als 870 km2 Land mit 70.000 Einwohnern, die nicht sofort evakuiert wurden. Diese Einwohner wurden schädlichen Radioisotopen ausgesetzt und haben nun ein erhöhtes Risiko für Krebs und andere strahlungsinduzierte Erkrankungen. Viele Menschen leben heute noch in Gebieten mit erhöhter Strahlenkontamination. Lebensmittel, Milch und Trinkwasser wurden ebenfalls verseucht, was zu einer internen Strahlungsexposition führte. Am stärksten betroffen sind Kinder, da sie anfälliger für Strahlenschaden sind. Vorläufige Untersuchungen haben bereits eine interne radioaktive Kontamination mit Jod-131 und Casium-137 bei Kindern erwiesen. Es ist noch zu früh, die gesundheitlichen Auswirkungen der atomaren Katastrophe zuverlässig beurteilen zu können. Unter Berücksichtigung der Studien an Tschernobyl überlebenden und der Ergebnisse des BEIR VII-Berichts, werden Wissenschaftler die Möglichkeit haben, die Folgen der Katastrophe einzuschätzen, sobald das wahre Ausmaß der radioaktiven Emissionen und Niederschlage sowie der daraus resultierenden regional unterschiedlichen Strahlenbelastungen genauer bekannt sind. Im groben Maßstab durchgeführte epidemiologische Studien sind notwendig, um den Opfern der Katastrophe gerecht werden zu können.
->Der Bericht:
Gesundheitliche_Auswirkungen_der_Atomkatastrophe_von_Fukushima