dena-Studie sieht 2050 noch 60 % fossil

2050 müssen fossile Kraftwerke 60 Prozent Leistung sichern – Kohler fordert europäischen Kapazitätsmarkt

In einer im Auftrag der RWE AG erstellten Studie kam die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) – nach Eigenauskunft „das Kompetenzzentrum für Energieeffizienz, erneuerbare Energien und intelligente Energiesysteme„, zu dem Schluss, dass 2050 effiziente Gas- und Kohlekraftwerke voraussichtlich noch immer rund 60 Prozent der gesicherten Leistung stellen müssten.
Neben der Modernisierung des fossilen Kraftwerksparks bringe der geplante Ausbau der erneuerbaren Energien viele Herausforderungen mit sich: So könne bei weiter ungesteuertem Ausbau der erneuerbaren Energien immer mehr davon nicht genutzt werden. Der Bedarf an gesicherter Leistung könne nicht vollständig durch inländische Anlagen gedeckt werden. Weitere Herausforderungen seien der inländische Ausbau von Netzen und Speichern sowie die flexible Regelung von Erzeugung und Nachfrage.
Energiewende bedeute, so dena-Chef Kohler (gleichzeitig Vorsitzender des Beirates der RWE Innogy) bei der Vorstellung der Studie am 22.08.2012 in Berlin, nicht nur Atomausstieg und Ausbau der Erneuerbaren, sondern auch: Neue effiziente fossile Kraftwerke, mehr Netze, mehr Speicher – und Energiesparen. Untersucht wurde die Entwicklung des Stromsystems bis 2050 bei einem Ausbau des Anteils der erneuerbaren Energien auf  80 Prozent des Bruttostromverbrauchs gemäß Leitszenario 2009 des Bundesumweltministeriums unter Fortführung der heutigen Rahmenbedingungen.

„Konventionelle Kraftwerke auch 2050 noch in großem Umfang nötig“

Um die Versorgung sicher zu stellen, könne die Leistung der konventionellen Kraftwerke bis 2030 (im Vergleich zu 2010) nur um rund 14 Prozent auf 83 GW und bis 2050 nur um 37 Prozent auf 61 GW  zurückgehen. Die erneuerbaren Energien würden zwar 2050 über 80 Prozent des Stroms liefern, aber nur knapp 24 Prozent der gesicherten Leistung stellen, Speichertechnologien stellten rund 9 Prozent, 7 Prozent des Bedarfs müssten nach dem berechneten Szenario durch weitere Kraftwerke, die Modernisierung älterer Anlagen oder importiert werden. Die neuen fossilen Kraftwerke mit einer Leistung von insgesamt 49 GW müssten spätestens bis 2030 gebaut sein. Hinzu kämmen 12 GW konventionell befeuerte Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK).

Überangebot droht:  „Bald 15 Prozent des im Inland produzierten grünen Stroms nicht nutzbar

Ab 2020 werde bei gleichzeitig starkem Wind, starker Sonneneinstrahlung und niedrigem Verbrauch die Stromerzeugung immer öfter die Nachfrage übersteigen. Bis 2050 könnten dann rund 66 TWh beziehungsweise 15 Prozent des im Inland produzierten Stroms aus erneuerbaren Quellen weder im Inland noch im Ausland genutzt werden. Um die Anlagen in diesen Zeiten nicht abregeln zu müssen, wurden in der Studie drei Maßnahmen untersucht, die diesen Verlust insgesamt senken können: flexiblere Gestaltung der Einspeisung aus KWK-Anlagen, Errichtung zusätzlicher Speicherkapazitäten und stärkere Anpassung des Verbrauchs an die Erzeugung (Demand-Side-Management). Trotz dieser temporären Überschüsse werde Deutschland aber langfristig vom Stromexporteur zum Importeur. 2050 werde Deutschland im Jahressaldo etwa 134 TWh – rund 22 Prozent des inländischen Stromverbrauchs – aus dem Ausland importieren müssen, wenn nicht zusätzliche Kraftwerke im Inland gebaut würden.

„Erneuerbare Energieträger auch 2050 nicht marktfähig“ – Kohler fordert europäischen Kapazitätsmarkt

Die Studie kommt weiter zu dem Ergebnis, dass die Stromversorgung 2050 deutlich mehr kosten werde als heute. Ursache hierfür seien hohe Kosten für deutlich höhere Stromerzeugungskapazitäten, Aus- und Umbau der Netzinfrastruktur, Reserve- und Regelenergie, Anbindung der Offshore-Windparks und Stromspeicher. Die erneuerbaren Energien wären unter dem heutigen Marktdesign auch im Jahr 2050 nicht marktfähig. Dies bedeute, dass die Stromgestehungskosten erneuerbarer Energien nicht komplett über den Verkaufspreis an der Strombörse gedeckt würden und daher die Differenzkosten auch weiterhin auf den Endverbraucher umgelegt werden müssten. Kohler forderte deshalb einen europäischen Kapazitätsmarkt, und ein grundlegend reformiertes Erneuerbare-Energien-Gesetz, das die Erneuerbaren besser in den Markt und das Stromsystem integriere, einen europäischen Strommarkt mit barrierefreien Netzen und einer Europäisierung der Energiepolitik.
->Quelle:  dena.de, dena Endbericht, dena Kurzbericht

Kritische Echos

Die dena-Studie stieß auf teils extrem kritische Echos verschiedener Seiten: Greenpeace kritisierte die Studie scharf als „Frontalangriff auf die Energiewende. Wer im Ernst behauptet, die deutsche Stromversorgung sei langfristig auf einen massiven Kohlesockel angewiesen, ignoriert jeglichen wissenschaftlichen Sachverstand, den technologischen Fortschritt und attackiert den Ausbau der Erneuerbaren Energien“, sagte Andree Böhling, Energie-Experte von Greenpeace. „Die Energiewende erfordert eine vollständige Abkehr von fossilen Energieträgern wie Kohle und Atomkraft, da diese den Ausbau der Erneuerbaren blockieren. Dass dies bis 2050 möglich ist, haben zahlreiche Gutachten wissenschaftlich dargelegt. Die Deutsche Energie Agentur verletzt erneut ihren öffentlichen Auftrag, die Energiewende voran zu treiben. Sie verkommt immer mehr zu einer reinen PR-Agentur für große Kohlestromerzeuger wie RWE, die diese Studie in Auftrag gegeben haben.“

„RWE bestellt sich eine Studie – Und die Deutsche Energie-Agentur dena liefert“

Während der Berliner Tagesspiegel „Fossil in die Energiewende“ titelte – wies Klimaretter.info auf den Zusammenhang zwischen dena und Energiewirtschaft hin: „RWE bestellt sich eine Studie – Und die Deutsche Energie-Agentur dena liefert„:  „Natürlich ist es nur Spekulation, aber so könnte es sich zugetragen haben: RWE ist durch die Energiewende unter Druck und in Sorge geraten, wie es mit seinem Kerngeschäft weitergehen wird. Immerhin ist von einer – konservativen – Regierung beschlossen worden, den grünen Anteil am Bruttostromverbrauch bis 2050 auf 80 Prozent zu steigern. Da stellt sich die Frage, ob man auch in der etwas ferneren Zukunft noch mit fossilen Kraftwerken ähnlich gutes Geld verdienen kann wie heute. Also bestellt sich RWE bei der Deutschen Energie-Agentur dena eine Studie. Der Auftrag: Die dena möge doch mal ausrechnen, wie sich der fossile Bedarf in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird.“ Wie gesagt: „könnte…“

Bärbel Höhn (B90/Grüne): „Wo ‚dena‘ draufsteht, sind Eon und RWE drin“

Die grüne Bundestagsabgeordnete hat schon in der Vergangenheit öfter den Finger in die Wunde der dena gelegt: „Die in der Struktur angelegte Verpflichtung, Drittmittel einzuwerben, hat dazu geführt, dass gerne Auftragsgutachten, beispielsweise für E.on und RWE, geschrieben werden“, sagte  die Vizevorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen. Dabei gehe es nicht um eine wissenschaftliche Bewertung, sondern um die Manipulation von Sachverhalten und die Beeinflussung der öffentlichen Debatte. (Quelle). Und: „Wenn man die dena-Netzstudie liest, dann weiß man: wo ‚dena‘ draufsteht, sind Eon und RWE drin.“ (Quelle).
Die Gesellschafter der dena sind die Bundesrepublik Deutschland (50 %), die KfW Bankengruppe (26 %), die Allianz SE (8 %), die Deutsche Bank AG (8 %) und die DZ Bank AG (8 %). Die dena arbeitet als GmbH gewinn- und leistungsorientiert. Sie finanziert ihre Projekte durch öffentliche, projektgebundene Zuwendungen und Einnahmen aus der Privatwirtschaft. Ca. 50 % der Einnahmen werden durch Projektbeteiligungen oder Aufträge aus unterschiedlichen Bereichen der Privatwirtschaft erzielt. Dazu gehören Unternehmen der Bau-, der Automobil- und der Energiewirtschaft, Unternehmen der Erneuerbare-Energien-Branche und des Maschinen- und Anlagenbaus. Der Umsatz betrug im Jahr 2010 20,6 Millionen Euro. (Quelle)

Kritik nicht neu

Am 24. 02. 2009 schrieb Kohler einen Brief an die dena-Mitarbeiter, RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann habe ihn „gebeten“ zum Essener Konzern zu wechseln. Demnach plane RWE eine Konzern-Tochter, die sich mit Energie-Effizienz befassen solle, und Kohler soll den Chefposten übernehmen. Weil aber RWE-Netzvorstand Rolf Martin Schmitz keine Kompetenzen abgeben und Kohlers Ressort bei RWE auf eine „Denkfabrik“ beschränken wollte, erklärte er kurz darauf, er bleibe doch bei der dena. Anfang 2011 übernahm Kohler dann den Vorsitz des Beirates der RWE Innogy. Pikant war die Personalie deshalb, weil Kohler zuletzt immer wieder Parteinahme zu Gunsten der vier großen Energiekonzerne vorgeworfen worden war. So hatte nach Energielobby und RWE plötzlich auch die dena vor drohendem Strommangel – „der Stromlücke“ – gewarnt (DUH: „Zweckpropaganda“). Doch mit ihrer Warnung vor der „Stromlücke“ standen die dena-Zahlen in Widerspruch zur Regierung und zum Umweltbundesamt. Greenpeace wies auf zahlreiche Ungereimtheiten in den Berechnungen der dena hin. Einige Details ihrer Berechnungen legt die dena bis heute nicht offen. (Quelle)

Viel diskutiert wurden auch die Ergebnisse der dena-Netzstudien, die von einem breiten Projektsteuerungskreis getragen und finanziert wurde. Der  im April 2005 erste Teil konstatierte, das bestehende Übertragungsnetz müsse bis im Jahr 2015 um 850 Kilometer ausgebaut werden. Der zweite Teil (November 2010) forderte, dass bei Verwendung etablierter 380-kV-Freileitungstechnik bis 2020 weitere 3.600 km Höchstspannungstrassen gebaut werden müssten. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)warnte daraufhin vor „Stimmungsmache gegen jene Bürgerinitiativen gewarnt, die überhöhte Netzausbaupläne infrage stellen. Die von der Deutschen Energieagentur dena aufgestellten Szenarien über den angeblichen Bedarf von bis zu 3600 Kilometern neuer ‚Stromautobahnen‘ beruhten auf fragwürdigen Annahmen und unklaren Szenarien“.