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Was weiß die Wissenschaft wirklich über den Klimawandel? Zwischen Katastrophe und Skepsis

Ein einzigartiger Planet: Die Erde erweist sich bei näherem Hinsehen als ein dynamisches, nicht – lineares und hochkomplexes System voller Wechselwirkungen und Rückkopplungen. Das irdische Klima bildet darin kein Subsystem, sondern ist eine Schnittstelle, an der die ebenso komplexen Teilsysteme Geosphäre, Atmosphäre, Hydrosphäre, Kryosphäre, Biosphäre und Anthroposphäre in engem Austausch stehen. Änderungen in diesem System sind in der Regel nicht reversibel. bild der wissenschaft-research hat eine Spezialausgabe „Klimawandel“ zum Download ins Internet gestellt.

Reinhard Hüttl, Chef des GFZ-Potsdam und acatech-Präsident schreibt in der Einleitung „Wer die Welt in die Kategorien Schwarz oder Weiß aufteilt, liegt daneben. Diese alte Weisheit gilt insbesondere für die Klimaforschung“. Da gebe es auf der einen Seite die Klimaskeptiker, das „andere Extrem“ seien diejenigen, „die in lebhaften Farben Katastrophen zeichnen, die der Klimawandel für bestimmte Regionen oder auch für die gesamte Erde mit sich bringt“. Diese Katastrophen ließen sich nach deren Meinung nur verhindern, wenn sich die durchschnittliche Temperatur auf der Erde um höchstens zwei Grad Celsius erhöhe. Hüttl konstatiert: „Wie so oft liegt die Realität zwischen den Extremen“: Der wichtigste Einfluss des wirtschaftenden Menschen auf das Klima bestehe im Verbrennen immer größerer Mengen an fossilen Energierohstoffen.

Der Geofaktor Mensch beeinflusst das Klima

„Aus der Sicht eines Geoforschers lagern wir bei deren Nutzung Kohlenstoff aus den Langzeitspeichern der oberen Erdkruste in den Kurzzeitspeicher Erdatmosphäre um. Nach den Gesetzen der Physik trägt dieser oxidierte Kohlenstoff als Treibhausgas zur Erwärmung der Erdatmosphäre und damit zur Klimadynamik und zum Klimawandel bei.“ Die Erde sei kein statisches System, sondern ein dynamisches Wirkungsgefüge, das zu jeder Zeit in eine neue Entwicklungsphase übergehen könne. Da das Klima eng an die Entwicklungsdynamik gekoppelt sei, treffe  diese Feststellung ebenfalls für das Klima zu. Das ändere sich auch, wenn der Mensch nicht mitwirke, so Hüttl. Noch wüssten wir „nicht exakt, welchen Anteil der Mensch am aktuellen Klimawandel hat und welcher Anteil den natürlichen Klimafaktoren zukommt. Gleichwohl gilt, dass der Mensch infolge seiner technisch-kulturellen sowie demografischen Entwicklung – heute leben sieben Milliarden Menschen auf dem Globus, vor 50 Jahren war die Zahl noch nicht einmal halb so groß – inzwischen selbst zum Geofaktor geworden ist und eben auch das Klima beeinflusst.“

CO2 mehr als 1000 Jahre in der Atmosphäre stabil

Steuern oder kontrollieren könne der Mensch das Klima aber nicht. Es ist für Hüttl „gleichwohl klar, dass wir den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel minimieren müssen: Wir müssen die anthropogenen Treibhausgas-Emissionen möglichst stark reduzieren“. Doch der Vorstandsvorsitzende des Deutschen GeoForschungsZentrums ist nicht optimistisch: Er befürchtet, dass die Treibhausgas-Emissionen trotz der eingeleiteten Minderungsmaßnahmen (Mitigation) global weiter steigen werden. Dieser Trend werde „sich eventuell sogar beschleunigen. Hinzu kommt, dass die CO2-Moleküle in der Atmosphäre vermutlich bis über 1000 Jahre stabil sind und sich diese Komponente der Atmosphärenchemie somit als recht träge erweist.“ Daraus folge, dass wir uns an den Klimawandel anpassen müssten (Adaptation). Dabei seit schon jetzt klar erkennbar, dass die Auswirkungen der globalen Erderwärmung regional sehr verschieden seien. AAdaptationsmaßnahmen müssten deshalb anders als Mitigationsverfahren regional spezifisch entwickelt und angewendet werden.

INHALT

Erde im Klimawandel
Natürliche Einflüsse haben das Klima oft modifiziert. Nun kommt der Faktor Mensch hinzu.

Wechselhaftes Klima
Wie sich die Temperaturen in den letzten Jahrtausenden verändert haben.

Kompliziertes System Erde
Bei früheren Klimaveränderungen spielten geologische Prozesse eine dominierende Rolle.

Viele Größen im Spiel
Die Wissenschaft versteht manche Ursachen-Wirkungszusammenhänge noch nicht.

Welt im Wandel
Die Forderung einer Zwei-Grad-Beschränkung des Temperaturanstiegs greift zu kurz.

Effektiv handeln
Energiesparen, unkonventionelle Lagerstätten und CO2-Speicherung sind gute Perspektiven.

Wir werden uns anpassen müssen
Klimastabilität gibt es nicht. Doch es gibt Lösungen für die Probleme eines Klimawandels.

Das Fazit
Entscheidungsträger stehen damit laut Hüttl wie oft vor dem Problem, auf der Basis unsicheren Wissens Entscheidungen zu treffen. Diese diffizile Handlungsbasis erfordere ein Höchstmaß an Flexibilität sowie die Bereitschaft, möglichst nur zuso handeln, wie es die jeweils vorherrschenden Rahmenbedingungen und Notwendigkeiten verlangten. Um die Effekte der jeweils eingeleiteten Regelungen und Maßnahmen zu kontrollieren, seien möglichst zielgenaue Monitoringverfahren angezeigt. Daraus leite sich ein iterativer Prozess ab mit der Maßgabe, auf der Grundlage neuen Wissens bereits getroffene Entscheidungen zu revidieren. Aber auch Wissenschaftler müssen – so Hüttl – bereit sein, sich von lieb gewonnenen Ansichten zu lösen. Menschen aber, „ie sich derartig komplexen Entscheidungsaufgaben verantwortungsvoll stellen, verdienen deshalb in unserer Gesellschaft – nicht nur im Kontext der Klimawandelproblematik – ein höheres Maß an Anerkennung, als dies bislang der Fall ist“, wirbt Hüttl für die Entscheider.

Wissenschaft muss befragbar, aber frei sein

Der studierte Forst- und Bodenwissenschaftler prophezeit, dass  die Forscher „immer wieder neue und überraschende Ergebnisse erzielen, welche die jetzigen Annahmen und Vorstellungen infrage stellen oder sogar falsifizieren werden“. In der Tat sei es die zentrale Aufgabe wissenschaftlicher Arbeit, neues Wissen zu generieren sowie sogenanntes sicheres Wissen immer wieder zu hinterfragen, um dieses – wo immer möglich – durch neues und damit besseres Wissen zu ersetzen. Auf dieser Basis kommt Hüttl zu dem Schluss: „In diesem Sinne ist eine Einteilung der Forscher in diejenigen, die angeblich über hinreichendes Wissen verfügen, und in eine andere Gruppe, die diesem aktuellen Wissensstand skeptisch gegenübersteht, ein dem grundlegenden Konzept der Wissenschaft zuwiderlaufender Vorgang, insbesondere wenn die in Rede stehende Thematik noch Gegenstand intensiver Forschung ist.“ Was aber sehr wohl existiere, sei gute und schlechte Forschung: Diese Unterscheidung lasse sich gerade im Bereich der Natur- und Technikwissenschaften durch geeignete Parameter adäquat überprüfen. Wenn mithilfe guter Forschung neues Wissen generiert werde, dieses aber gleichwohl nicht in das vom Mainstream gezeichnete Bild passe, dann könnten solche Ergebnisse nicht einfach in die Rubrik Skepsis eingeordnet werden, meint Hüttl. „Vielmehr belegen derartige Erkenntnisse, dass jeder Wissenschaftler letztlich bereit sein muss, seine auch noch so lieb gewonnene Arbeitshypothese oder Theorie zu relativieren oder sogar ganz zu verwerfen, wenn neue, wissensbasierte Fakten dieses erfordern.
Wissenschaft muss frei, muss unabhängig sein, sonst kann sie ihren Auftrag nicht erfüllen.“

Handlungsmaxime Ressourceneffizienz

Die Klimadebatte lehre eine weitere Handlungsmaxime: Unser Planet Erde ist begrenzt. Und solange wir nicht auf andere zurückgreifen könnten, müssten wir die verfügbaren Ressourcen möglichst effizient einsetzen. Letztlich seien es der ständig steigende Ressourcenverbrauch sowie die permanent zunehmende Inanspruchnahme begrenzter Georessourcen, die schwerwiegende Probleme verursachten. Hüttl Fazit: „Ressourcenschonung und Ressourceneffizienz sind deshalb die zentrale Basis, um nachhaltiges Wirtschaften zu gewährleisten.“
->Quelle: bdw research.pdf – Foto GZF