Ursache für die „unmögliche“ Ionisation ist eine sogenannte Resonanz: Im verwendeten Energiebereich können die Xenon-Elektronen sehr viel Röntgenstrahlung aufnehmen. Manche werden dadurch direkt aus dem Atom hinausbefördert, andere gehen in einen angeregten, das heißt energiereicheren Zustand über, sind aber noch gebunden. Fällt eines der angeregten Elektronen jedoch in seinen Ausgangszustand zurück, wird wiederum Energie frei, die einem anderen angeregten Elektron den nötigen Extra-Schubs geben kann, um es ganz aus dem Atom zu befördern. In seltenen Fällen wird auch das bereits angeregte Elektron von einem zweiten Photon aus dem Röntgenblitz getroffen und so aus der Atomhülle geschossen.
„Das LCLS-Experiment hat einen unerwarteten und zuvor unerreichten Ladungszustand produziert, indem gleich Dutzende Elektronen aus einem Atom katapultiert wurden“, unterstreicht Ko-Autor Benedikt Rudek, Doktorand am CFEL, der die Daten analysiert hat. „Die absorbierte Energie pro Atom war mehr als doppelt so hoch wie erwartet.“ Dieser Resonanzeffekt ist für Xenon gerade bei einer Energie von 1,5 keV besonders stark. Entsprechend beobachteten die Forscher selbst bei einer höheren Energie von 2 keV nur weniger stark ionisierte Atome. Auf Grundlage der Messungen verfeinerten CFEL-Wissenschaftler ein mathematisches Modell, mit dem sich solche Resonanzen in schweren Atomen berechnen lassen. In Folgeexperimenten haben Forscher unter anderem Krypton und Moleküle mit schweren Atomen an der LCLS untersucht, wie Ko-Autor Artem Rudenko von der Kansas State University betont, der eines dieser Folgeexperimente geleitet hat.
Die Beobachtungen haben auch praktische Bedeutung für die Forschung: „Unsere Ergebnisse liefern ein Rezept, um den Elektronenverlust in einer Probe zu maximieren“, erläutert Rolles. Das kann erwünscht oder unerwünscht sein. „Beispielsweise können Forscher unsere Ergebnisse nutzen, die ein sehr stark elektrisch geladenes Plasma erzeugen wollen.“ Bei der Untersuchung biologischer Proben hingegen sollten Wissenschaftler die Resonanzbereiche solcher schweren Atome vermeiden. „Die meisten biologischen Proben enthalten einige schwere Atome“, betont Rolles. Im Resonanzbereich werden solche Proben an diesen Stellen besonders schnell beschädigt, was die Abbildungsqualität beeinträchtigen kann.