Kollisionen stark abgebremster Moleküle enthüllen quantenmechanische Details von Stoßprozessen und verbessern Verständnis chemischer Reaktionen
Nie zuvor konnten Wissenschaftler die Wechselwirkung zwischen zwei reaktionsfreudigen Molekülen so detailliert studieren: Einem Team aus Forschern des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin, der Radboud University in Nijmegen und des Institute of Atomic and Molecular Sciences in Taipeh ist es gelungen, Hydroxyl- und Stickoxid-Moleküle unter präzise kontrollierten Bedingungen im Labor zur Kollision zu bringen. Neben den Details der Stoßprozesse liefert das Experiment auch Informationen darüber, wie genau theoretische Modelle chemische Reaktionen beschreiben.
Wir sind überall umgeben von Molekülen, die unablässig miteinander reagieren. Aber was genau geschieht bei einer chemischen Reaktion? „Letzten Endes handelt es sich dabei immer um Stoßprozesse, bei denen Moleküle aufeinander treffen und eine Verbindung eingehen oder Atome austauschen“, sagt Moritz Kirste, der am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft maßgeblich an den Experimenten beteiligt war. Bei Verbrennungsprozessen, in der Atmosphäre und in der Astrochemie spielen diese Kollisionen eine wichtige Rolle. Ein besseres Verständnis der Chemie setzt also voraus, dass die Forscher die Details der Stoßprozesse auch auf quantenphysikalischer Ebene untersuchen.
Kollisionsgeschwindigkeit entscheidender Faktor
Für den Ablauf der Kollisionen ist die Geschwindigkeit der beteiligten Moleküle ein entscheidender Faktor – wer sie beeinflussen kann, hat Kontrolle über den Stoßprozess. Die Forscher beherrschen eine einzigartige Technik, um Moleküle sehr präzise auf eine gewünschte Geschwindigkeiten zu bringen: Mit ihrem Stark-Decelerator (englisch: Stark-Abbremser) können sie einen Strahl aus Molekülen auf eine vorgegebene Geschwindigkeit abbremsen und zudem alle Moleküle heraus filtern, die nicht im niedrigsten Energiezustand sind. Am Ende erhalten sie einen Strahl, dessen Moleküle gleich schnell sind und die alle die gleiche Rotationsenergie enthalten – die perfekte Ausgangsbedingung, um an einem einfachen System den Einfluss der Geschwindigkeit und des Energiezustands auf die Stoßwahrscheinlichkeit zu studieren.