Kontrovers in den Medien
Sowohl in der Wissenschaftsgemeinde als auch in den Medien wurde die Entscheidung sehr kontrovers diskutiert.
Ulrich Deppendorf warnte auf Tagesschau.de davor, „jede Verfehlung zu skandalisieren. Das werfe schlechtes Licht auch auf die Journalisten“. Und er diagnostizierte im Tagesthemen-Kommentar, dass „ihr Blick bei der Rücktrittsnachricht von Guttenberg und der Satz ‚Ich schäme mich nicht nur heimlich'“ ihr nun „zu schaffen machen könnten“. Doch der Fall Schavan sei nicht der Fall Guttenberg. Zu unklar seien auch in der Wissenschaft selbst „die Einschätzungen über Art und Schwere der möglichen Verstöße gegen vergangene wie heutige Promotionsordnungen“. Und er riet der Ministerin, sie möge „am Ende den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen.“
Roland Preuss nannte die Entscheidung in der Süddeutschen Zeitung „juristisch vertretbar, dennoch …nicht richtig“. Sie sei ein „Grenzfall“, dazu „lag das „Fehlverhalten mehr als dreißig Jahre zurück“ Sie setze „strenge Maßstäbe, auch bei der Prüfung von Dissertationen, die in den Bibliotheken längst vor sich hingilben. Man darf gespannt sein, wie viele Titel diesen Maßstäben noch zum Opfer fallen.“
Markus Decker forderte in der Frankfurter Rundschau („Kontra“): „Schavan muss bleiben“. Denn der Spruch der Düsseldorfer Spektabilitäten sei umstritten, das Urteil verglichen mit dem Fall Guttenberg „alles andere als klar“. Und: „Selbst wenn die Ministerin geschummelt haben sollte, müsste dieses Vergehen doch in Beziehung gesetzt werden zu ihren nachfolgenden Verdiensten“. Schließlich sei da noch der Faktor Zeit. Im September werde ein neuer Bundestag gewählt. Ein Nachfolger müsste sich „monatelang einarbeiten – um seinen Stuhl nach einem möglichen Regierungswechsel im Herbst dann wieder zu räumen. Wem ist damit gedient? Schavan nicht. Dem Nachfolger nicht. Bildung und Wissenschaft erst recht. Ein Rücktritt würde eher schaden.“ Im gleichen Blatt widersprach Thorsten Knuf in einem „Pro„: Schavan verdiene zwar „für ihre Lebensleistung …Respekt. Dennoch sei sie „keine würdige Forschungsministerin mehr. Sie sollte die Konsequenzen ziehen und ihr Amt zur Verfügung stellen“.
Die Ludwigshafener Rheinpfalz schrieb dazu: Es sei „keine politische Entscheidung, aber eine, die noch heftige politische Auswirkungen haben dürfte. Abgesehen von der Angriffsfläche, die die CDU-Politikerin der Parteien-Konkurrenz nun… bietet: Es fällt schwer sich vorzustellen, wie Annette Schavan, die nun quasi offiziell als Plagiatorin dasteht, als oberste Bildungspolitikerin noch überzeugend für wissenschaftliche Werte und Standards eintreten soll.“
Die Düsseldorfer Wissenschaftler hätten darauf verzichtet, externe Gutachter hinzuzuziehen. „Sie scheinen sich ihrer Sache sicher gewesen zu sein“, vermutete Harry Nutt in der Berliner Zeitung. „Doch ihre Rolle als gewissenhafte Prüfer wird in den kommenden Tagen zum Gegenstand auch politischer Diskussionen werden. Dass die Arbeit von Annette Schavan erhebliche wissenschaftliche Mängel aufweist, dürfte unstrittig sein. Dass sie jedoch nach über 30 Jahren einer Neubewertung mit massiven Folgen für die Karriere von Schavan unterzogen wird, ist zumindest fragwürdig. Ginge es hier um Strafrecht, die Vergehen wären längst verjährt.“
Dagegen wandte Rainer Pörtner in der Stuttgarter Zeitung ein: „Die politisch-moralischen Maßstäbe sind im Fall Schavan besonders streng. Sie kann versuchen, das Urteil der Universität juristisch anzufechten; dabei ist nicht auszuschließen, dass sie nach vielen Monaten vor Gericht obsiegt. Aber ihre Glaubwürdigkeit und Wirkungskraft als Ministerin sind ab sofort so stark beeinträchtigt, dass sie das Amt abgeben sollte.“
->Quellen: mehr als 2000 Fundstellen auf Google-News; plagiatsgutachten.de; schavanplag.wordpress.com; www.solarify.eu/mpg-prasident-gruss-gegen-vorverurteilung-schavans