Auch andere Mineralien kommen als topologische Isolatoren in Frage
„Aus energetischer Sicht möchte die Natur Defekte reduzieren“, sagt Pascal Gehring. „Sie braucht dafür aber sehr viel Zeit, weil die Atome sich im starren Kristallgitter nur sehr langsam umsortieren können.“ Genau diese Zeit hat das Material in der oft viele Millionen Jahre alten Erdkruste. Der Zeitvorteil in der Materialschmiede Erde geht jedoch mit dem Nachteil einher, dass bei der chemischen Zusammensetzung der Zufall mitspielt: Die genaue chemische Analyse ergab die Formel (Bi2,12Sb0,06)-Te2(Se0,14S0,32), und dazu eine ganze Liste von Verunreinigungen. „Wir kennen den Einfluss der Verunreinigungen zwar nicht, ohne diese hätte das Material aber vermutlich noch bessere Eigenschaften, vor allem könnten wir in einem Material mit genau kontrollierter Zusammensetzung besser grundlegende Untersuchungen vornehmen“, sagt Marko Burghard. „Trotzdem kann der natürliche Kawazulit mit synthetischen Proben locker mithalten.“
Das haben er und sein Team in mehreren Experimenten belegt. So haben sie mithilfe winkelaufgelöster Photoelektronen-Spektroskopie die Bandstruktur des Materials ermittelt. Bei der Bandstruktur handelt es sich um eine Art Masterplan des elektronischen Verhaltens. Für Kawazulit treten darin genau die Charakteristika auf, an denen ein topologischer Isolator zu erkennen ist. Zudem schlossen die Stuttgarter Forscher aus dem Verhalten der elektrischen Leitfähigkeit in einem äußeren magnetischen Feld, dass der Ladungstransport über die Oberfläche der dünnen Kristallplättchen einen wesentlichen Beitrag zur gesamten Leitfähigkeit liefert.
Inzwischen spürt das Team schon nach weiteren topologischen Isolatoren, die als Mineralien in der Natur vorkommen. Aussichtsreich dürften insbesondere Kristalle aus der Mineralienfamilie der Aleksite sein. Sie enthalten als metallische Komponente neben Bismut das noch schwerere Blei. Von dem Bleianteil versprechen sich die Forscher viel, weil die physikalische Eigenschaft, die ein Material zu einem topologischen Isolator macht, umso stärker ausgeprägt ist, je schwerer die darin enthaltenen Metalle sind. „Wir sind zuversichtlich, dass wir in anderen natürlichen Lagerstätten topologische Isolatoren finden werden, die den synthetischen überlegen sind“, sagt Marko Burghard. Vielleicht erschließen die Forscher damit auch eine Goldmine für die Nanoelektronik von morgen.
->Quelle: fkf.mpg.de