Wirtschaftsprofessor Jarass kritisiert Planungen – Verbraucher zahlen Zeche
Leitungsausbau dient mehrheitlich der Vorbereitung von mehr Kohlestromeinspeisung, will der Wiesbadener Wirtschaftsprofessor Lorenz Jarass anhand des Netzentwicklungsplans 2013 nachweisen. Seine These: Kohlekraftwerke sollen auch bei Starkwind weiter einspeisen können – und es solle mehr exportiert werden. Bundesnetzagentur und Netzbetreiber arbeiten nach dem Prinzip des „marktgetriebenen Kraftwerkseinsatzes“. Grundfrage sei dabei: Welche Kraftwerke haben die geringsten Grenzkosten (variable Kosten)? Wenn dafür neue Leitungen gebraucht würden, gingen die Kosten nicht in die Planung ein; diese zahlten die Verbraucher. Auf Betreiben der Netzbetreiber wurde festgeschrieben, dass der Ausbau wirtschaftlich zumutbar sein muss. Das stehe im Gegensatz zum gesetzlichen Gebot der Netz-Einspeisungsmöglichkeit jeder einzelnen kWh erneuerbarer Energie – und somit auch „zum gesunden Menschenverstand“.
Jarass sprach im Rahmen eines Workshops („Netzausbau in Deutschland und den europäischen Nachbarländern – Ist weniger mehr?“) des Berliner Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), der sich mit der Bedeutung der Höchstspannungsnetze für die Energiewende beschäftigte, u.a. mit dem Netzentwicklungsplan 2013 und dem europäischen Ten Year Network Development Plan. Seine Kritik hat er auch in einem Buch geäußert.
Netzsituation auch im zweiten Winter nach Atommoratorium entspannt
Tagungsleiter Prof. Christian von Hirschhausen betonte zu Beginn, der institutionelle Rahmen des Netzausbaus habe sich in jüngerer Zeit erheblich verändert; ob sich hieraus eine andere „Kultur“ von Planung öffentlicher Beteiligung mit Ergebnis-Beeinflussung ergebe, bleibe nachzuweisen. Zur Begründung verwies Hirschhausen auf den vergangenen Winter: „Die Netzsituation ist auch im zweiten Winter nach dem Atommoratorium im März 2011 entspannt geblieben“. Die Kosten für den Redispatch (Eingriff des Netzbetreibers in die Laufpläne von Kraftwerken zur Vermeidung von Engpässen) hätten sich auf unter 1 % der Großhandelspreise bzw. 1-2% der Strommengen (- 10 TWh) belaufen. Durch effizientere Koordinierung zwischen den derzeit noch vier Netzbetreibern könnten weitere Effizienzgewinne in großen zweistelligen Millionenbeträgen erzielt werden. Die Verzögerungen beim Ausbau der EnLAG-Trassen seien „überwiegend temporär und nicht schwerwiegend“.