Energiewende als „Generationenvertrag“

Energieeffizienz plus Erneuerbare: Ein unschlagbares Duo

Warum soviel Aufwand für die Energieeffizienz, obwohl Szenarien doch bis 2050 ein 100 Prozent erneuerbares Energiesystem in Deutschland für möglich halten?

Die Antwort ist eindeutig: Auch erneuerbare Energie brauchen stoffintensive Umwandlungstechniken. Deren stürmische Dynamik kann z.B. bei strategisch bedeutsamen Metallen eine „Kritikalität“ in der Versorgungs- und Preisentwicklung auslösen.

Eine Szenarienstudie des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE 2012) hat gezeigt: Im Vergleich zu einem Szenario „RENMax“ (maximaler Ausbau erneuerbarer Energien bis auf 100 Prozent; wenig Energieeinsparung) können bis 2050 durch ambitioniertere Senkung des Wärmebedarfs auf 40 Prozent die Windkraftkapazität um 85 GW, die PV-Kapazität um 72 GW und die Kapazitäten für Power-to-Gas-Anlagen (für „grünes“ Erdgas oder Wasserstoff) um 30 GW gesenkt werden – ein enormer Beitrag zur Kostensenkung und zum Ressourcenschutz. Erst eine verpflichtende Einsparpolitik in Kombination mit einer stetigen Ausbaustrategie für erneuerbare Energien schafft eine Energiewende mit einer ökologisch-ökonomischen Win-Win-Charakteristik.

Effizienz und Erneuerbare forcieren – Reboundeffekte dämpfen

Überzeugte Wachstumskritiker würden mit intuitiv zunächst plausiblen Gründen („jedes weitere Wirtschaftswachstum verbraucht Ressourcen und benötigt Senken“) bestreiten, dass es eine solche Win-Win-Entwicklung überhaupt geben kann. Aber ein grundsätzlicher ökologischer Strukturwandel wie die Energiewende verlangt als conditio sine qua non – vor allem auch im globalen Maßstab – forciertes Wachstum von Effizienztechniken, von erneuerbaren Energien und von entsprechenden produktionsnahen Dienstleistungen bei gleichzeitigem rapiden Schrumpfen von Risikomärkten (fossil und nuklear). In welchen aggregierten BIP-Wachstumsraten (positiv, null, negativ?) dieser qualitative Strukturwandels sich manifestiert ist m.E. konzeptionell noch ungeklärt.

Dennoch ist das Argument der Wachstumskritiker, das Auftreten von Reboundeffekten, empirisch nachweisebar und verdient mehr Beachtung. Reboundeffekte treten übrigens nicht nur in Verbindung mit Effizienztechniken auf. Wenn der stürmische Preisverfall für PV-Module anhält ist z.B. denkbar, dass die Eigentümer von Plus-Energiehäusern selbst mehr Ökostrom verbrauchen oder als „Prosumer“ Dritte mit Überschüssen billig beliefern. Daher ist es zukünftig notwendig eine forcierte Energieeffizienzpolitik mit Maßnahmen zur Eindämmung von Reboundeffekten systematisch zu verknüpfen.

Tabelle 1 zeigt eine Auflistung von denkbaren Instrumenten, die auf ganz verschiedenen Ebenen zur Eindämmung von Reboundeffekten beitragen können. Diese Auflistung kann hier nicht im Detail diskutiert werden. Sie zeigt aber im Überblick, welcher Maßnahmen und Instrumente die oben erwähnte „intelligentere Energieeffizienzpolitik“ sich bedienen könnte, wenn sie Effizienztechniken forcieren und gleichzeitig Reboundeffekte begrenzen will.

Tabelle 1: Maßnahmen zur Begrenzung von Reboundeffekten im Energiebereich

Direkte Systemanpassungen Verbindliche nationale Energiesparziele
Einsparverpflichtungen für EVU
Abschaffung von Subventionen bei konventioneller Energie
Caps, z.B. dynamische Flottenverbrauchsstandards (EU-PKW)
Cap and trade; schärfere Caps im EU ETS
Progressive Standards (z.B. IKT)
Bonus/Malus-Regelungen („feebates“)
Ökosteuern
Indirekte Systemanpassungen Strukturwandel zu „ressourcenleichteren Sektoren“ (Dienstleistungen)
Gezielte Ressourceneffizienzpolitik („ProgRess“)
Reduktion sozialer Disparitäten
Verhaltensanpassungen Nachhaltiger Konsum
Bildung
Förderung von Gemeinschaftsgütern

Einige dieser Instrumente haben eine Doppeleffekt: Ein kluges Design (vgl. Weizsäcker 2010) einer Energie(Öko-)steuer unterstützt z.B. einerseits die Effizienzsteigerung und schöpft andererseits Kosteneinspareffekte von Effizienztechniken für alternative, weniger energieintensive Verwendung ab.

Am schwierigsten steuerbar sind die gesamtwirtschaftlichen Effekte. Aber auch hier hängt es entscheidend von der Verwendungsseite eingesparter Energiekosten ab, ob z.B. der öffentliche Dienstleistungssektor (z.B. Bildung, Pflege, Kultur) oder ob private nicht nachhaltige Mobilität (z.B. Flugreisen) daraus finanziert werden.

Um diese doppelte Integrationsaufgabe der Energiewende – „Effizienz plus Erneuerbare“ sowie „Technikinnovation plus gesellschaftliche Transformation“ – zu lösen, sind gesellschaftliche Begleitprozesse für die Energiewende notwendig und neue Governance- und Finanzierungsstrukturen sind zu entwickeln. Wissenschaftlich unterstützte Partizipationsprozesse wie z.B. ein gesellschaftlicher Trialog (Schwan / Wilke 2012) über die sozial- und wirtschaftsverträgliche Gestaltung der Energiewende, können dabei wichtige Impulse geben.