Daher ist die Energiewende auch nicht nur ein technisches Großexperiment. Denn Herausforderungen der Suffizienz („Gutes Leben mit weniger Ressourcenverbrauch“) und der Konsistenz („Nutzung erneuerbarer Ressourcen und Kreislaufführung“) sind mit Herausforderungen der Effizienz („Mehr Nutzen pro Ressourceneinheit“) eng verknüpft. All dies bedeutet, dass mehr Kühnheit im Denken von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft über eine „große gesellschaftliche Transformation“ gefordert ist, wenn die Energiewende erfolgreich umgesetzt werden soll.
Optimistische Effizienzpotentiale: eine Beruhigungspille?
Wer eine zukünftige Energieeffizienzrevolution fordert, muss in Szenarien begründen, ob die verfügbaren technischen Potentiale diesen „revolutionären“ Anspruch rechtfertigen. An solchen aufwendigen Technik-Systemanalysen mangelt es auch nicht (mehr) (globale Beispiele: IEA 2012; Ecofys / WWF / OMA 2011; nationale Szenarienübersicht: VDW 2011), wohl aber an der Klärung der sozioökonomischen Implikationen einer zumeist rein technisch konzipierten Energieeffizienzrevolution.
Vor allem bestehen Diskussionsdefizite in Hinblick darauf wie durch strategisch gesteuerte kostensenkende Energiesparprozesse auf der Nachfrageseite der Übergang zu einem nachhaltigen Energiesystems beschleunigt und kostengünstiger gestaltet werden kann. Dabei ist klar: Eine „Ökonomie des Vermeidens“ oder „Governance gesamtwirtschaftlicher Energieeinsparung“ sind für bisher wachsende Wirtschaftssysteme eine fundamentale neue Herausforderung: Wir brauchen eine „Ökonomie des Vermeidens“, um eine fulminante „NEGAWatt“-Revolution (Priorität für Energiereduktion) auszulösen anstatt mit einem isolierten „Megawatt“-Umbau“ (Priorität für grünes Energieangebot), der nur auf relative Entkopplung setzt, an übermäßigen Kosten und mangelnder Akzeptanz zu scheitern. Und gleichzeitig muss die Einsicht wachsen: Allein mit einer technischen Effizienzrevolution sind weder der Klima- noch der Ressourcenschutz im notwendigen Umfang erreichbar.
Beim derzeitigen Stand der Effizienztechnik und Szenarienmethodik können zweifellos für das Jahr 2050 enorme technisch mögliche Effizienzsteigerungen in allen Sektoren quantifiziert und prognostiziert werden. Es ist aber davon auszugehen, dass – allein schon aus methodischen Gründen – die notwendige Berücksichtigung von Verhaltens- und Lebensstiländerungen für die Umsetzung und Akzeptanz von Effizienztechniken (z.B. universeller Einsatz des Passiv- bzw. Aktivhaus-Standard; Reduktion des PKW Flottenverbrauchs auf 2-3l/100km) nicht gelingt. Insofern ist heute keine verlässliche Voraussage der tatsächlichen Entwicklung der Energieeinsparung möglich.
Szenarien zeigen nur mögliche Handlungsspielräume für aktiv gestaltende Politik unter „Wenn-dann“-Bedingungen auf. Politisch instrumentalisierte Ergebnisse von Szenarien können aber eine suggestive Wirkung über die angeblich einfache „Machbarkeit“ zukünftiger Entwicklungen entfalten. Klimaschutz (90 Prozent CO2-Reduktion bis 2050) erscheint dann womöglich auf dem Papier nur noch als eine Frage der Zeit und des technischen Fortschritts. Wer jedoch Szenarien als Politikersatz missbraucht, handelt fahrlässig.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass die zunehmend in Szenarien ermittelten ambitionierten Energieeinsparpotentiale bis 2050 (sowohl weltweit als auch national; siehe oben) als Beruhigungspille hinsichtlich der Erreichbarkeit ambitionierter Ziele des Klima- und Ressourcenschutzes wirken. Denn dies stützt die Illusion, dass das globale 2-Grad-Ziel allein durch Technik erreichbar ist, weil durch Steigerung der Energieeffizienz und durch (angeblich) freie Märkte scheinbar bereits 50 Prozent der Lösung möglich sei (IEA 2012). Aber die sozioökonomischen und politischen Voraussetzungen und die notwendigen Änderungen von weltweiten Lebensstilen bei der Umsetzung der technisch möglichen Energieeffizienzpotentiale werden nicht zielführend diskutiert.