„Das Panel ruft dazu auf, sich nicht mit „jobless growth“ abzufinden und die Nützlichkeit von Wachstum besonders daran zu messen, dass es Einkommen und Arbeit für alle schafft. Bis 2030 wird es weltweit 470 Millionen mehr Menschen als heute geben, die auf den Arbeitsmarkt drängen und nach Perspektiven suchen, vor allem in Afrika und Asien. Ganz besonders betrifft dies natürlich junge Menschen, und deshalb freue ich mich, dass meine Kolleginnen und Kollegen mit mir einig waren, dass wir den Perspektiven der Jugend in der Post-2015 Agenda eine besondere Aufmerksamkeit geben müssen. Als Ansatzpunkte hierfür benennt der Bericht vor allem Bildung und Ausbildung, die Transformation der Volkswirtschaften in Entwicklungsländern auf höhere Produktivitätsniveaus und Wertschöpfungsstufen sowie ein stabiles Umfeld für den privaten Sektor mit Rechtsstaatlichkeit und energischer Bekämpfung von Korruption. In einem Follow-Up zu dem Panel habe ich zusammen mit meiner kenianischen Kollegin, Betty Maina, einen Dialog zu dieser transformativen Veränderung zwischen europäischen und afrikanischen Unternehmern angeregt. Die Konferenz wird noch in diesem Monat mit organisatorischer und finanzieller Unterstützung der DEG in Accra in Ghana stattfinden. Dafür bin ich der DEG dankbar.
Lassen Sie mich zum Thema „Wachstum“ eine persönliche Anmerkung machen, weil die Diskussion im Panel hier zu kurz kam: Bei allem berechtigten und notwendigen Fokus auf Wachstum, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern, sollte für den globalen Norden gelten: eine krude Wachstumsgläubigkeit kann langfristig unser Wohlergehen nicht sichern, nicht das materielle und nicht das immaterielle. Gerade um nicht eines Tages den Totalabsturz unseres Wohlstandsmodells zu erleben, müssen wir umdenken und zu einer Definition von Wohlstand gelangen, die sich nicht nur auf materielles Wachstum stützt, sondern auch andere Dimensionen von Lebenszufriedenheit berücksichtigt. Ich hoffe sehr, dass der Bericht der Enquete- Kommission des Deutschen Bundestages „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“ in der kommenden Legislaturperiode zu politikverändernden Schlussfolgerungen in Deutschland beiträgt.
Die vierte große transformative Veränderung: „Build peace and effective, open and accountable institutions“ – Frieden schaffen und leistungsfähige, offene und rechenschaftspflichtige Institutionen stärken. Freiheit von Gewalt und Konflikt ist nicht nur ein grundlegendes Menschenrecht, sondern auch das Fundament, auf dem jeder Wohlstand beruht. Gleichzeitig verlangen viele Menschen weltweit immer lauter nach transparenten Regierungen, die ihren Bürgerinnen und Bürgern Rechenschaft ablegen. Zugang zur Justiz, Freiheit von Diskriminierung und unrechtmäßiger Verfolgung, und gehört zu werden bei Entscheidungen, die die Menschen betreffen – das sind sowohl Entwicklungsziele im eigentlichen Sinne wie auch Voraussetzung dafür, um überhaupt Entwicklung zu erreichen. Der Panel-Bericht lässt keinen Zweifel daran: Frieden und gute Regierungsführung sind kein optionales Extra, sondern Hauptelemente von Wohlstand und Entwicklung.
Über die fünfte große transformative Veränderung, das gebe ich gerne zu, haben wir in der Gruppe besonders lange diskutiert. Sie lautet: „Forge a new Global Partnership“ – eine neue Globale Partnerschaft formen. Wir haben uns gefragt: Brauchen wir nicht ein neues Paradigma für die internationale Politik, brauchen wir nicht ein Leitmotiv für die Post-2015 Agenda, das endlich der starken Interdependenz auf unserem Planeten Rechnung trägt? Unsere Antwort war am Ende eindeutig und einmütig: Ja, wir brauchen einen Paradigmen-Wechsel in der internationalen Politik. Das heißt wir brauchen mehr als nur eine neue oder andere Liste von Entwicklungszielen. Auch weil wir wissen: Am Ende sitzen wir alle in einem Boot, die Starken und die Schwachen, die Reichen und die Armen.
Das Panel war sich einig, dass die Post-2015 Agenda von einem neuen Geist der Solidarität, der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen und der gegenseitigen Rechenschaftspflicht getragen sein muss. Das ist nach meiner Einschätzung die in der Tat wichtigste transformative Veränderung. Die neue globale Partnerschaft zielt danach auch auf ein gemeinsames Verständnis des globalen Gemeinwohls und globaler Ethik. Und daraus ergeben sich ganz konkrete Anforderungen an eine Post-2015 Agenda: Nationale Regierungen müssen mit neuem Elan multilaterale Lösungen suchen und ihre nationale Politik unter Berücksichtigung des globalen Gemeinwohls gestalten.
Entwicklungspolitik muss aus der Hilfs-Nische kommen und mehr zum Gestalter der globalen Rahmenbedingungen von Entwicklung und Nachhaltigkeit werden. Und alle Beteiligten können zu diesem neuen Geist der Partnerschaft beitragen, auch die Wirtschaft, die Zivilgesellschaft, Stiftungen, internationale Organisationen, die Wissenschaft und die Bürgerinnen und Bürger dieser Welt. Jeder kann seinen Teil dazu leisten, dass die gemeinsame Vision einer Erde ohne Armut und Umweltzerstörung Wirklichkeit wird. Das ist das überwölbende Prinzip, welches die Post-2015 Agenda leiten soll. Und das Panel hat klar gemacht, dass dieses Prinzip zum Beispiel auch der Bekämpfung der Korruption, illegaler Finanzflüsse und Geldwäsche neue Autorität und Nachdruck verschaffen muss.“