„Wir leben unter dem Diktat der Kurzfristigkeit“ – Interview mit Klaus Töpfer
Im Ausland reibt man sich verwundert die Augen darüber, „dass die Deutschen zögerlich werden in der Überzeugung, dass die Energiewende selbstverständlich gelingt“, sagt Klaus Töpfer, Exekutivdirektor des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam, Umweltminister unter Helmut Kohl und ehemaliger Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Ein Gespräch über falschen und richtigen Optimismus und eine Welt, die sich auf grüne Technologien freut.
Herr Professor Töpfer, sind Sie immer noch Optimist?
Klaus Töpfer: Ja! Der Realismus ist allerdings immer wieder ein Anschlag auf den Optimisten in mir, das kann und will ich nicht verschweigen. Ich bin jedoch überzeugt davon: Wir dürfen uns Pessimismus oder gar Resignation gar nicht erlauben. Wir sind in einer Welt, in der jeder Verantwortung übernehmen muss.
Auf dem Gipfel in Rio de Janeiro wurden Sie damals sehr gefeiert. Und Sie alle sind mit großem Optimismus und Euphorie rausgegangen. Aber inzwischen fragt man sich: Was ist davon übriggeblieben?
Die Dramatik der Wendezeit, also auch im Jahre 1992 auf dem „Earth Summit“ in Rio, prägte nicht nur diese Umweltkonferenz, sondern auch die globalen Veränderungen insgesamt. Es war die Zeit, in der die bipolare Welt überwunden wurde. Insofern ist dieser Höhepunkt, dieser optimistische Aufbruch in Rio 1992, auch entstanden aus der euphorischen Stimmung, die die Welt damals prägte, und die uns begeisterte. Wann immer eine euphorische Stimmung herrscht, muss man sich darauf gefasst machen, dass Dinge falsch bewertet werden, dass Probleme begründet werden, deren Überwindung später großes Engagement und viel Einsatz erforderlich machen.
Was ist denn falsch gelaufen in Rio?
Wir haben den Fehler begangen, dass wir uns nur sehr wenige Gedanken über die institutionelle Architektur für die Durchsetzung der Beschlüsse gemacht haben. Bis zum heutigen Tag arbeiten wir massiv an der Überwindung dieser Schwachstellen – nach wie vor leider nicht gerade sehr erfolgreich, um es vorsichtig zu sagen. Wir hätten die Euphorie besser nutzen müssen.
Auch, um etwa die Armut effektiver, nachhaltiger zu bekämpfen?
Lange Zeit ging es nur um „Entwicklung“. Dies galt offenbar auch noch zur Jahrtausendwende, anlässlich derer wir in den Vereinten Nationen die Millennium Development Goals definiert haben. Nahe liegend wäre die Vorlage von „Millennium Sustainable Development Goals“ gewesen. Warum haben wir das gemacht, warum damals also „Millennium Development Goals“, frage ich mich heute sehr selbstkritisch.