Einigung auf schärfere CO2-Vorgaben für Autos vorerst gescheitert – deutsche Drohungen?
„Der Autolobby in die Hände gespielt – allen Klima-Lippenbekenntnissen zum Trotz“ titelt der Berliner Tagessspiegel: Aus „Sorge um die Luxuswagenhersteller Daimler und BMW“ hätten deutsche Diplomaten in Brüssel den mühsam in der EU ausgehandelten Kompromiss über schärfere CO2-Grenzwerte verhindert.
Am 24.07.2013 hatte sich die irische EU-Präsidentschaft mit dem EU-Parlament auf schärfere CO2-Grenzwerte für alle neuen Fahrzeuge ab 2020 geeinigt. Der Grenzwert für den Schadstoffausstoß von 2015 bis 2020 sollte von 130 g/km im Schnitt auf 95 g/km sinken. Die Autofirmen sollten allerdings Elektro- und Hybridautos von 2020 bis 2023 mehrfach einrechnen dürfen, damit sie ihre individuellen Flottenziele bei den CO2-Emissionen erreichen – die sogenannte „Supercredits“-Regelung: Die Bundesregierung hatte sich im Sinne der deutschen Autoindustrie für eine großzügige „Supercredits“-Regelung eingesetzt. Dabei erhalten die Autobauer eine Art „CO2-Rabatt“ auf besonders emissionsarme Elektroautos und Hybridfahrzeuge. Der EU-Kompromiss blieb allerdings hinter den Forderungen der deutschen Autoindustrie zurück. Das Verhalten Deutschlands sorgte nach Informationen aus EU-Kreisen in Brüssel für Verärgerung.
Bayerns Wirtschaftminister: „Richtig!“
Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil begrüßte ausdrücklich, dass durch den Einsatz der Bundesregierung mehr Zeit verbleit, um auf EU-Ebene in den kommenden Monaten einen sinnvollen Kompromiss für die CO2-Gesetzgebung zu finden. „Bei den nun anstehenden Verhandlungen muss eine ausgewogene Lösung gefunden werden, die sowohl den Umwelt- und Klimainteressen, als auch den industriepolitischen Realitäten gerecht wird. Angriffe von Umweltschützern und Opposition gegen diese Politik im Interesse unserer Autoindustrie sind daher völlig unangebracht“, betont Zeil. „Wer wie die SPD und die Grünen in Brüssel und Berlin in den Chor der Kritiker einstimmt, der legt die Axt an den Automobilstandort Bayern“, warnte Zeil. „Es ist mehr als richtig, dass sich die Regierung und Kanzlerin Angela Merkel persönlich für die Interessen der deutschen Autoindustrie einsetzten. Die bislang vorliegenden Vorschläge werden dem nicht gerecht.“
EU-Diplomaten werfen der Bundesregierung vor, „schurkenhaft“ andere Mitgliedsländer erpresst und bedroht zu haben.
Diplomaten mehrerer EU-Länder haben ihren deutschen Kollegen vorgeworfen, sie hätten den hart errungenen EU-Kompromiss „mittels Drohungen, Einschüchterungen und Erpressungen“ im Rat blockiert. Wie EurActiv Brüssel erfuhr, habe Bundeskanzlerin Merkel „fiesen Druck“ – so die Worte eines Diplomaten – auf EU-Länder ausüben lassen, um die Debatte „abzuwürgen“.
„Faire oder unfaire Tauschgeschäfte, die auf gegenseitige Unterstützung bei bestimmten Dossiers hinauslaufen, sind normal“, sagte ein Diplomat zu EurActiv. „Doch in diesem Fall ging es hauptsächlich um Drohungen und Einschüchterungen und dagegen kann man sich nicht wehren. Die Leute machen allein aus Angst, was du von ihnen verlangst.“ Der Beamte behauptet, dass Ungarn allein deshalb Deutschlands Position unterstützt habe, weil die Schließung deutscher Autofabriken in Ungarn angedroht worden sei. Die Niederlande und ein anderes Mitgliedsland hätten ebenfalls Warnungen erhalten, dass künftige BMW-Investitionen in MINI-Fabriken überdacht würden, falls nicht korrekt gestimmt werde.
Innerhalb der Bundesregierung wird seit längerem auf den Widerspruch verwiesen, zwischen dem Versuch der Europäischen Union, Jobs schaffen zu wollen und zur gleichen Zeit die Wettbewerbsfähigkeit international agierender Firmen mit harten Auflagen zu gefährden.
-> Quelle(n): tagesspiegel.de; euractiv.de; bundespresseportal.de