Meteorologische Extrem-Ereignisse bremsen CO2-Aufnahme
Wenn der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre steigt, heizt sich die Erde nicht nur auf, auch Wetterextreme wie anhaltende Dürren, Hitzewellen, Starkregen oder extreme Stürme dürften sich häufen. Ob die extremen Klimaereignisse dazu führen, dass Landökosysteme zusätzliches Kohlendioxid freisetzen und somit den Klimawandel verstärken, ist eine der großen offenen Fragen in der Klimaforschung. Ihr ist nun ein internationales Forscherteam um Markus Reichstein, Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena, nachgegangen. Die Wissenschaftler fanden dabei heraus, dass die Landökosysteme wegen der extremen klimatischen Ereignisse jährlich per Fotosynthese etwa elf Milliarden Tonnen weniger Kohlendioxid aufnehmen, als sie es ohne Extremereignisse könnten. Das entspricht etwa einem Drittel der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen pro Jahr.
Hitzewelle alarmierte Klimaforscher
Die Hitzewelle, die Mittel- und Südeuropa im Sommer 2003 glühen ließ, alarmierte die Klimaforscher. Denn sie gehörte zu den ersten großflächigen Wetterextremen, anhand derer Wissenschaftler umfassend dokumentierten, wie Hitze und Trockenheit den Kohlenstoffzyklus, also den Austausch von Kohlendioxid zwischen Landökosystemen und Atmosphäre, beeinflussten. Die Messungen deuteten darauf hin, dass sich klimatische Extremereignisse viel stärker auf die Kohlenstoffbilanz auswirken als bis dahin angenommen. Möglicherweise schwächen Dürren, Hitzewellen oder Stürme also die Pufferwirkung, die terrestrische Ökosysteme im Klimasystem ausüben. Pflanzen und Böden haben nämlich in den vergangenen 50 Jahren bis zu 30 Prozent der Kohlendioxid-Menge aufgenommen, die der Mensch vor allem aus fossilen Brennstoffen freisetzte.
Die Hinweise auf die unterschätzte Rolle von extremen Wetterereignissen im Kohlenstoffhaushalt veranlassten Wissenschaftler aus acht Nationen, das Projekt CARBO-Extreme zu starten. Darin untersuchten sie erstmals weltweit und systematisch die Folgen der verschiedenen extremen Klimaereignisse für Wälder, Sümpfe, Graslandschaften und Ackerflächen.
Satelliten und Messstationen dokumentieren Extremereignisse
Für ihre Studie aus der Perspektive der Ökosysteme verfolgten die Forscher um Markus Reichstein verschiedene Ansätze. Zum einen verrieten ihnen Satellitenmessungen aus den Jahren 1982 bis 2011, wie viel Licht Pflanzen in einem Gebiet absorbieren, um damit Fotosynthese zu betreiben. Daraus können sie ermitteln, wie viel Biomasse das jeweilige Ökosystem während oder nach einem extremen Wetterereignis aufbaut. Zum anderen griffen die Forscher auf Daten eines weltweiten Netzes von 500, teilweise seit mehr als 15 Jahren arbeitenden Messstationen zurück, die wenige Meter über dem Boden beziehungsweise über den Baumkronen eines Waldes die Kohlendioxid-Konzentrationen in der Atmosphäre sowie die Luftströmungen aufzeichnen. Aus diesen Werten ergibt sich, wie viel Kohlenstoff ein Ökosystem in Form von Kohlendioxid aufnimmt und abgibt.
Mit den verschiedenen Messdaten fütterte das Team dann aufwendige Computermodelle, um den globalen Effekt der Wetterextreme auf die Kohlenstoffbilanz zu berechnen. Demnach haben klimatische Extremereignisse auch extreme Auswirkungen auf den Kohlenstoffkreislauf: Die Vegetation nimmt im Schnitt jährlich rund elf Milliarden Tonnen weniger Kohlendioxid auf als in einem Klima ohne Wetterextreme. „Das entspricht in etwa der Menge an Kohlenstoff, die an Land jährlich längerfristig gespeichert wird“, sagt Markus Reichstein. „Sie darf daher nicht vernachlässigt werden.“