„Wissenschaft und Ethik haben mit Politik zu tun“
Der 83jährige Geißler erinnerte sich, damals, als Töpfer von Bundeskanzler Kohl zum Bauminister „befördert“ – „befördert“ ironisch wiederholt – worden sei, er kenne bis heute die Motive nicht, „hat uns das damals ziemlich umgeschmissen, wir fragten uns, was ist das für eine politische Personalpanung?“ Und Geißler gab Antwort: „Klaus Töpfer hat die nervige Auffassung vertreten, dass Wissenschaft und Ethik mit Politik zu tun haben. Er habe hartnäckig Ziele verfolgt, die der Wirtschaftslobby im Bonner Regierungsviertel missfallen hätten. Das sei in einer Zeit von Waldsterben und Tschernobyl gewesen, in einer Zeit des Privatisierungswahns, einer Maggie Thatcher – diesem Wahn sei damals die ganze Wirtschaftspolitik verfallen. „Eine fromme Version dafür, warum Töpfer Umzugsminister geworden ist: Er war als gefürchteter Skatspieler bei FDP und CSU in Bonn untragbar geworden“.
Als Block 4 in Tschernobyl explodierte, sei der damalige Umweltminister Fritz Zimmermann nicht auffindbar gewesen – er war auf einer Berghütte. Damals habe die CDU die Umweltpolitik an die Grünen verloren, weil sie ihre Idee der „ökologisch-sozialen Marktwirtschaft“ bis heute nicht verinnerlicht habe. Der erste Umweltpolitiker sei Herbert Gruhl gewesen (mit seinem Buch „Ein Planet wird geplündert“) – seinen Rauswurf bezeichnete Geißler als schweren Fehler. „Nach ihm sei die CDU Opfer des neoliberalen Marktradikalismus geworden.
„Töpfer ist es gelungen, Erkennen und Handeln wieder zusammen zu bringen“
Geißler legte seiner Liebe zur Ironie keine Zügel an: „Töpfer gilt bis heute mit Abstand als bedeutendster Umweltpolitiker – er kann nur noch vom gegenwärtigen übertroffen werden.“ Goethes Satz aus Auerbachs Keller „politisch Lied – ein garstig Lied“ – nämlich, dass Geist und Macht, Katheder und Rostra Welten trennten – diesen Satz habe Töpfer in seiner Person überwunden: „Er ist wissenschaftlicher und politischer Gestalter, Aufklärer und Rhetor, Prototyp des sokratisch-platonischen Führers, Ethiker und Philosoph.“ Er habe die soziale Marktwirtschaft um den Begriff des Ökologischen ergänzt – der sei „später wieder rausgeflogen – ein unbegreiflich schwerer Fehler“.
Geißler zitierte Aristoteles: „Nicht die Taten bewegen die Menschen, sondern die Worte über die Taten“. Töpfers Herausforderung in vielen seiner Reden sei das Thema Kurzfrist, wo doch Langfrist nötig sei. Die gegenwärtigen Krisen seien laut Töpfer Bankrotterklärungen der Kurzfristigkeit. Kant habe gesagt, die Notwendigkeit des Handelns reiche weiter als die Möglichkeit des Erkennens. „Klaus Töpfer ist es gelungen, Erkennen und Handeln wieder zusammen zu bringen.“ Die Finanzkrise, zitierte Geißler Töpfer, habe dieser mit Recht als eine Folge der Honorierung der Finanzmanager in Quartalen bezeichnet.
Folgt: „Energiewende war nachhaltigste Entscheidung, die eine Regierung in Deutschland seit Jahrzehnten getroffen hat“