Methanfreisetzung infolge Arktisschmelze verschlingt Billionen
Der inzwischen nur noch von relativ bornierten Zeitgenossen bestrittene Klimawandel kommt uns noch schneller noch teurer zu stehen, als bisher nicht nur von Ex-Chefökonomen der Weltbank Nicholas Stern befürchtet: Drei Forscher nannten jetzt im Fachmagazin „Nature eine Summe, die der Welt-Wirtschaftsleistung eines ganzen Jahres entspricht – die schwindelerregende Summe von 45 Billionen Euro. Diese Kosten werden entstehen, wenn das unter dem Packeis in der Arktis eingeschlossene Methan freigesetzt wird. Zusätzlich zu den bereits zu erwartenden Kosten des Klimawandels.
Die massive Freisetzung von Treibhausgasen infolge des Klimawandels in der Arktis ist „eine unsichtbare tickende Zeitbombe“, sagte Gail Whiteman, Professorin für Nachhaltigkeit und Klimawandel an der Erasmus-Universität Rotterdam. Sie erarbeitete gemeinsam mit dem Politikwissenschaftler Chris Hope und dem Ozenaphysiker Peter Wadhams von der Universität Cambridge ein Modell aus, demzufolge in den kommenden zehn Jahren 50 Milliarden Tonnen Methangas aus dem schmelzenden Packeis entweichen werden. Das entspricht zehn Prozent der gesamten Gasmenge, die in der sibirischen Kontinentalplatte vermutet wird. Bereits 2008 waren russische Forscher zu dem Ergebnis gekommen, dass das Entweichen von 50 Milliarden Tonnen „sehr wahrscheinlich“ sei.
Nur einer von mehreren Prozessen
Gail Whitemann sagte im Deutschlandfunk, die hätten sich die wirtschaftlichen Auswirkungen nur eines Rückkopplungsprozesses in der Arktis angeschaut: „Im gefrorenen Boden unter der Ostsibirischen See lagern sehr große Mengen Methan. Bislang steckten sie dort fest, aber dieses Meeresgebiet ist relativ flach und erwärmt sich seit einigen Jahren durch den Klimawandel. Dadurch taut der Permafrostboden unter der See und entlässt das Methan zuerst ins Wasser und dann in die Atmosphäre.“
Methan ist aber mehr als 20-mal so klimawirksam wie Kohlendioxid. Im Boden der Ostsibirischen See stecken Schätzungen zufolge etwa 50 Gigatonnen. Whiteman weiter: „Untersuchungen russischer Kollegen zeigen, dass dieses Gas seit etwa drei Jahren zunehmend in die Atmosphäre gelangt. Unsere Studie hat nun mithilfe des sogenannten PAGE-Modells berechnet, welche ökonomischen und sozialen Kosten auf uns zukommen, wenn diese 50 Gigatonnen Methan in die Atmosphäre gelangen,“ laut Whitemann eine „eine ökonomische Zeitbombe, wenn man bedenkt, dass das Volumen der gesamten Weltwirtschaft 2012 bei nur etwa 70 Billionen US-Dollar lag. Und wir reden nur über einen von ganz vielen Rückkopplungsprozessen. Die ostsibirischen Methanemissionen allein werden uns schon 45 Billionen Euro kosten.
Zusätzlich zum Stern-Report
Laut Peter Waldhams lag das PAGE-Modell auch dem Stern-Report von 2006 zugrunde. „45 Billionen, das klingt nach enorm viel und ist es auch. Aber das ist die Summe der Kosten bis zum Ende des Jahrhunderts. Pro Jahr macht das also nur knapp eine Billion US-Dollar – was natürlich immer noch eine Menge ist. Der Stern-Report kam seinerzeit ja zu dem Ergebnis, dass die Folgen des vom Menschen verursachten Klimawandels bis 2100 weltweit insgesamt etwa 340 Billionen Euro kosten werden. Damals wurden aber nur die Folgen durch die [[CO2]]-Emissionen berücksichtigt. Die 45 Billionen, die wir jetzt als zusätzliche Folge der Methanemissionen aus der Ostsibirischen See berechnet haben, entsprechen also einem Plus von rund 15 Prozent.“ Dass der Klimawandels so teuer werde, liegt laut Baldhams am zugrunde gelegten Rechenmodell es berücksichtige sehr viele Auswirkungen der Erderwärmung – Überschwemmungen, Dürren, Unwetter und die Schwächung der Produktivität: „Der Einfluss auf die Landwirtschaft, der dramatisch sein wird, fließt ebenso ein, wie der Anstieg des Meeresspiegels.“
Erderwärmung rasant beschleunigt
Wenn es genau dazu komme, „dann schmelzt die Zeitspanne, bis die globale Temperaturerwärmung die zwei Grad überschreitet, auf 15 bis 35 Jahre zusammen“, erklärte Chris Hope. 80 Prozent der Konsequenzen hätten die wirtschaftlich verletzlichsten Länder in Afrika, Asien und Südamerika zu tragen, ergab das Modell der drei Forscher.
Nicht nur schlecht für die Eisbären
Die Gesamtkosten des Klimawandels wollen die drei in einem nächsten Schritt erforschen. Whiteman: „Die Veränderungen in der Arktis sind sehr komplex. Wir haben uns jetzt erst mal auf das Methan in diesem einen Meeresgebiet konzentriert, weil das ein relativ einfacher Prozess ist. Wir wissen, wie viel Methan da ist, wie viel also in die Atmosphäre gelangen kann und können dann berechnen, welche sozialen und ökonomischen Folgen durch diese zusätzlichen Methanmengen in der Atmosphäre zu erwarten sind.“ Deutlich kompliziertere Vorgängen, wie klimabedingte Änderungen der Ozeanströmungen, die Albedo oder die zunehmende Versauerung der Meere erfordern sehr viel komplexere Modelle. „Aber wir sehen eben an den Methanemissionen“, so Whiteman, „dass schon diese eine Veränderung im System enorme Kosten verursachen wird. Je mehr Aspekte wir berücksichtigen, desto stärker werden diese Kosten noch ansteigen. Unsere Studie dient einfach als erster Hinweis darauf, dass der Klimawandel in der Arktis in der ganzen Welt spürbar sein wird. Die Veränderungen hier sind nicht einfach nur schlecht für den Eisbären, sie sind schlecht für die Wirtschaft und die Gesellschaft überall auf dem Globus. Dieser Tatsache müssen wir viel mehr Aufmerksamkeit schenken.“
->Quelle: nature.com; n-tv.de; dradio.de