Sommerakademie in der baden-württembergischen Landesvertretung
In fünf Workshops hat die baden-württembergische Landesvertretung in Berlin jenseits des Wahlkampfs eine Sommerakademie zur Energiewende veranstaltet – Titel „Gestatten, Energiewende“. Die Themafragen der Workshops: Braucht die Energiewende einen energie- und wirtschaftspolitischen Masterplan? Wie viel Klimaschutz verträgt ein „Autoland“ oder wie viel braucht es? Mit welchen Prinzipien und welchen Strukturen wird die Energiewende ein Erfolg? Bürgerbeteiligung – Die Energiewende, umso schneller, umso besser? Solarify dokumentiert die Ergebnisse.
Dokumentation: Gestatten, Energiewende
Baden-württembergische Sommerakademie
Workshop I
Braucht die Energiewende einen energie- und wirtschaftspolitischen Masterplan?
Soll die Energiewende zentral gesteuert oder dezentral entwickelt werden? Liegt in diesem nationalen Umbauprojekt nicht zugleich die Chance, monopolistische Wirtschaftsstrukturen durch vielfältige Wirtschaftsakteure zu ersetzen? Welche Rolle können Bürgerenergiegenossenschaften dabei spielen? Oder bedeutet der Ruf nach der Dezentralität letztendlich nichts anderes als eine Zersplitterung, ein kontraproduktives Autarkiestreben und ein Verheddern im „Kleinklein“?
Skepsis gegenüber Masterplänen – Die Diskussion war geprägt von allgemeiner Skepsis, was potentielle Masterpläne angeht. Keinesfalls könnten dies theoretische und unflexible Vorgaben auf lange Zeit sein. Die Erfahrung zeige, dass der kurz- und mittelfristige Steuerungsbedarf, um auf sich stetig ändernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu reagieren, nicht zu unterschätzen sei. Die Teilnehmer_Innen sprachen sich für eine konsensuale und pragmatische Herangehensweise bei der Energiewende aus, die es ermögliche, auf Innovationen und Entwicklungen zu reagieren.
Ziele definieren – Entscheidend ist für eine lernende und flexible Umsetzungsstrategie der Ener-giewende die Einigung auf und die Formulierung von klaren und verlässlichen Zielen der Energiewende.
Schlüsselrolle der Länder – Den Ländern kommen nach Auffassung der Teilnehmer_Innen indi-viduell und in ihrer Gesamtheit – auch im Rahmen ihrer Mitwirkungsmöglichkeiten an der Rechtssetzung über den Bundesrat – Schlüsselrollen zu. Diese gelte es zu nutzen, sowohl koordinierend und leitend in Bezug auf Regionen und Kommunen, wenn es um den Ausbau erneuerbarer Energien geht, als auch gegenüber dem Bund. Man war sich weitgehend einig, dass auf Länderebene vorbereitete und einvernehmlich in Verhandlungen mit dem Bund eingebrachte Vorschläge die größeren Chancen auf Verwirklichung haben als vom Bund vorgeschlagene Regelungen. Hier sieht der Workshop Handlungsbedarf und Chancen auf rasche Erfolge.
Verlässlichkeit gefordert – Entscheidend für die Akzeptanz der Energiewende scheint dem Workshop die politische und wirtschaftliche Verlässlichkeit der getroffenen Bedingungen und Regelungen. Planungssicherheit für Wirtschaft und Bürger sind Grundvoraussetzungen für den Erfolg des Umbaus.
Dezentralität ist kein Selbstzweck – Die dezentrale Erzeugung von elektrischer Energie ist wünschenswert und unter den derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch ein unumkehrbarer Prozess, aber nicht das einzige Mittel der Wahl. Ballungsräume werden auch künftig durch Energiezentralen versorgt werden müssen; nach Möglichkeit ohne fossile Energie-träger. Dem muss der Netzausbau in den kommenden Jahren Rechnung tragen.
Bürger besser informieren – Durch bessere Information der Bürger lassen sich weitere kommunale Investitionsprogramme anregen, monetäre Teilhabe Einzelner bei konkreten EE-Projekten gewährleisten und der dezentrale Ausbau weiter verstetigen. Die Energiewende sollte als Gemein-schaftsaufgabe und gemeinschaftliches Projekt verstanden werden. Dabei spielt die Rückbesin-nung auf ihre eigentlichen Anlässe und Auslöser (Klimaschutz, Ressourcenschonung) eine wichti-ge Rolle. Derzeit überwiegt in der allgemeinen Wahrnehmung der wirtschaftliche Aspekt der Energiewende. Wichtig ist hier die Verknüpfung von Strom- und Wärmeproduktion sowie von Verkehr als gleichwertige Teilbereiche der Energiewende. Auch Energieeinsparpotentialen sollte mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Energieministerien als Option – Eigene Energieministerien auf Bund- und Länderebene halten die Teilnehmer_Innen nicht für zwingend notwendig. Sie sind theoretisch wünschenswert, in der Praxis jedoch schwer zu realisieren. Wenn man sie einrichtet, sollten sie auf den politischen Ebenen spiegelbildlich existieren (z.B. innerhalb Koalitionen). Die Bündelung von Zuständigkeiten in einem Ministerium bleibt ein organisatorisches und verwaltungsmäßiges Konstrukt, wenn nicht zu gleich auf der politischen Ebene die Verantwortlichkeiten gebündelt werden.
Europäische Dimension einbeziehen – Gerade beim Netzausbau und dem Ausbau des Kraftwerkparks in Deutschland sollte die europäische Dimension im Blick behalten werden. Ein europäischer Strommarkt sollte weiterentwickelt werden. Grenzüberschreitende Speicher- und Pufferpotentiale können schwankende Produktions- und Bedarfsmengen in Deutschland ausgleichen.
Folgt: Workshop II – Wie viel Klimaschutz verträgt ein „Autoland“ oder wie viel braucht es?