Claudia Kemfert im ersten Solarify-Selbst-Gespräch
„…also wenn Sie mich fragen:
Warum reden alle beim Thema „Energiekosten“ immer nur über die Preise und nie über den Verbrauch?
Preise sind nicht gleich Kosten: je effizienter wir mit Energie umgehen, desto geringer die Kosten. Die Preise für fossile Energien werden steigen, so dass wir gut beraten sind, wenn wir die Kosten über die Reduktion des Verbrauchs dämpfen. Die Strompreisdiskussion soll ablenken: Öko-Energien werden als Sündenbock missbraucht, um die Strompreise nach oben zu schrauben und die Energiewende schlecht zu reden. Dabei geht es gar nicht um Stromkosten, nicht um –preise – , sondern die Energiewende soll in Misskredit gebracht werden.
Warum redet eigentlich niemand beim Thema Energiekosten über den Energieverbrauch, der diese Kosten maßgeblich beeinflusst?
Bestes Beispiel ist England: dort will man Atomenergie über eine Umlage auf den Strompreis fördern, die höher ist als die deutsche EEG Umlage. Natürlich laufen dagegen die energieintensiven Industrien Sturm. Doch statt diese Idee der Atom-Umlage zu überdenken, versprechen Politiker, dass sie die Energiepreise einfrieren werden, wenn sie die Wahlen gewinnen. Man wolle die Strom- und Gaspreise deckeln.
Einerseits mag es ja richtig sein, dass die Preise zu hoch sind, da die Konzerne Gewinne und Mitnahmeeffekte maximieren. Dies zu kontrollieren und einzudämmen hat Sinn. Wenn aber Teile der Strompreissteigerungen in England auch noch aus fragwürdigen energiepolitischen Entscheidungen resultieren, wäre es allerdings angebracht, dies zu thematisieren anstelle niedrige Preise garantieren zu wollen. Andererseits würde die Regierung den Menschen viel mehr helfen, wenn sie ihnen beim Energiesparen – insbesondere Stromsparen – helfen würde. Die Heizkosten können substanziell gesenkt werden durch effektive Gebäudeisolierung. Und finanzielle Unterstützungen des Energiesparens wären sinnvoll. Doch dieses Thema wird gar nicht erst angesprochen.
Niedrige Preise begünstigen Verschwendung
Und noch etwas ist schädlich daran, dass man nur über Preise spricht, und diese gar staatlich auf niedrigem Niveau halten will: ein niedriger Preis begünstigt Verschwendung; das kann man in vielen Ländern der Welt beobachten – in den USA aber auch in Russland. Je teurer ein Gut wird, desto sparsamer und vor allem vorsichtiger geht man damit um. Einkommensschwachen Haushalten sollten wir in der Tat helfen, Energie einzusparen – obwohl die Geringverdiener ja ohnehin schon wenig Energie verbrauchen. Die deutsche Wirtschaft ist zudem bereits sehr energieeffizient, auch gerade weil die Energiepreise nicht dauerhaft niedrig waren und sind. Die Steigerung der Energieeffizienz ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.
Also wenn Sie mich fragen: Lassen Sie uns endlich über den Energieverbrauch reden, über den sparsamen Umgang mit Energie, anstatt ausschließlich über Energiepreise. Das wäre mal ein Anfang.“
Prof. Dr. Claudia Kemfert ist Abteilungsleiterin Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e.V. in Berlin mit dem Arbeitsfeld Gesamtwirtschaftliche Wirkungsanalysen und den Arbeitsschwerpunkten Energiewirtschaft, Umweltökonomie: Sie ist seit April 2009 Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der Hertie School of Governance (HSoG).