Wissenschaftliche Seriosität und für Kompetenz
Die Leopoldina hat sich das Beste ihrer langen Geschichte bewahrt: Sie steht für wissenschaftliche Seriosität und für Kompetenz. Die Leopoldina wirkt mit deutlich vernehmbarer Stimme sachkundig und sachorientiert in den gesellschaftlichen Diskurs in unserem Land hinein, der ohne die wissenschaftliche Expertise bisweilen eine gewisse Tendenz zum Alarmismus hat. Sie nimmt diese Aufgabe, Politik und Gesellschaft zu beraten, als Nationale Akademie mit einer besonderen Legitimation wahr. Die inhaltliche Bandbreite der formalen Stellungnahmen ist beeindruckend. Das ist auch ein Beleg für die gute Zusammenarbeit der Leopoldina, insbesondere mit der Akademie für Technikwissenschaften acatech und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Ein schönes Beispiel für diese gute Kooperation ist die Junge Akademie, die Leopoldina und die Berlin-Brandenburgische Akademie gemeinsam gegründet haben.
Einfluss auf die Politik
Die Stellungnahme der Leopoldina zur Präimplantationsdiagnostik wurde vielbeachtet und beeinflusste erst die Debatte im politischen Raum und schließlich auch die Gesetzgebung entscheidend. Das zeigt, welcher Stellenwert Ihrer Expertise seitens der Politik beigemessen wird. Sie nehmen zu zentralen Fragen Stellung, nicht nur innerhalb der Bundesrepublik, sondern international. Die gemeinsamen Erklärungen der nationalen Akademien zu den G8-Gipfeln sind dafür ein Beispiel.
Gerade in Zeiten komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen sind glaubwürdige Informationen und fundiertes Wissen unverzichtbar, um auf sie aufbauend verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Deshalb braucht Politik Rat, und deshalb sucht Politik gerade auch den Rat der Wissenschaft. Die Ergebnisse und der Rat der Wissenschaft bilden eine gute Grundlage zum Abwägen verschiedener Möglichkeiten. Entscheiden muss allerdings am Ende stets die demokratisch legitimierte Politik.
Politik und Wissenschaft haben nicht nur unterschiedliche Aufgaben, sie unterliegen ja auch oft unterschiedlichen Logiken. Für den Wissenschaftler ist entscheidend, ob seine These aussagekräftig und belegbar ist – für den Politiker geht es um die Möglichkeit, das als richtig Erkannte in einem demokratischen Prozess dann auch umzusetzen. Dabei muss er oft Kompromisse schließen und auch Rückschläge einkalkulieren. Und er muss – und soll unbedingt – die gesellschaftlichen Folgen seines Handelns abwägen.
Möglichkeiten und Chancen wissenschaftlicher Beratung
Wenn wir diese unterschiedlichen Aufgaben von Politik und Wissenschaft kennen und akzeptieren, können wir über die grundlegenden Aspekte von Wissenschaft und wissenschaftsbasierter Beratung nachdenken: Worin liegen ihre Möglichkeiten und Chancen? Und wo sind ihre Grenzen?
Ein tieferes Verständnis für die Wissenschaft – auch und gerade seitens der Politik – das ist der geeignete Ausgangspunkt, um guten Rat auch vernünftig nutzen zu können – ihn also nicht als zu abstrakt oder lebensfremd gering zu schätzen, ihn aber auch nicht unpolitisch zu überschätzen.
Wir sollten uns auch im Klaren darüber sein, wie machtvoll oftmals der Zeitgeist öffentliche Debatten prägt. Denn das, was wissenschaftliche Expertise mit ihrem Sachverstand in diesem Moment in die Debatte einbringt, ist oftmals dem Zeitgeist nicht geheuer. Und deshalb ist es gar nicht so einfach mit der Politikberatung durch Wissenschaft: Denn andere Debattenteilnehmer und damit andere Interessen machen sich so vernehmbar in der Gesellschaft, dass die Politik in die Versuchung geraten kann, den Rat des Sachkundigen geringer zu achten als den Rat desjenigen, der gerade die Debatte dominiert. Ja, das muss einmal gesagt werden.