Wissensbasierte Politikberatung bedeutet, breit aufzuklären.
In einer Wissensgesellschaft hat Wissenschaft nicht nur die Aufgabe, die politisch Handelnden zu informieren und zu beraten. Wissensbasierte Politikberatung bedeutet auch, breit aufzuklären. Damit meine ich nicht nur einzelne Sachverhalte, so wichtig sie sein mögen. Nein, ich meine damit wie erwähnt auch das Aufklären über Wissenschaft selbst – so wie es die Leopoldina schon vielfach vorlebt. Ein besonders erfreuliches Zeichen dafür ist zum Beispiel, dass zu dieser Jahresversammlung auch hundert Schülerinnen und Schüler eingeladen wurden. Sie begrüße ich heute ganz besonders. Und ich wünsche mir von der Wissenschaft: Wagen Sie bitte mehr davon! Interesse für Wissenschaft, das ist doch keine Frage des Lebensalters. Und das sage ich nicht nur als jemand, in dessen Altersgruppe viele Menschen dem „Studium im Alter“ nachgehen. Es lohnt sich, alle Altersgruppen anzusprechen, sie zu informieren über das wissenschaftlich Mögliche und sie auch für die Wissenschaft und ihre Möglichkeiten zu begeistern.
Ich habe über die verschiedenen Sphären von Politik und Wissenschaft gesprochen und darüber, wie die Wissenschaft auf die Gesellschaft zugehen kann. Noch zwei weitere Themen möchte ich kurz ansprechen, die entscheidende Grundlagen für wissenschaftsbasierte Beratung von Politik und Gesellschaft bilden: die Rolle der Wissenschaft im Kontext ethischer Debatten und die Akzeptanz und Förderung von Exzellenz.
Freiheit der Wissenschaft hohes Gut
Wenn wir in unserem Land über die Freiheit der Wissenschaft reden, so ist das kein wohlfeiler Allgemeinplatz. Sie ist ein so hohes Gut, dass sie in unserem Grundgesetz verankert ist. Diese Freiheit gilt also. Sie gerät dort an ihre Grenzen, wo sie gegen andere Grundrechte verstößt. Der technologische Fortschritt ermöglicht dem Menschen Eingriffe mit Folgen von bislang ungeahntem Ausmaß und wirft deshalb immer neue Fragen auf.
Wir sollten uns darauf besinnen, was Hans Jonas als einen Imperativ formuliert hat: „Handle so, dass die Wirkungen Deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“ Wir wissen, dass wir den großen Herausforderungen unserer Zeit nur mit Innovationen begegnen können. Und doch müssen wir diesen Prozess verantwortungsvoll gestalten. Denn nicht nur unsere eigenen Interessen zählen, sondern auch die künftiger Generationen.
Wo wissenschaftlicher Fortschritt neue Grenzziehungen nötig macht, müssen wir sehr sorgfältig vorgehen: Wie gehen wir beispielsweise mit dem Potenzial von Erkenntnis und Anwendung der Gendiagnostik um? Der Zusammenhang „Geist – Gehirn – Genom – Gesellschaft“ wird hier auf geradezu existenzielle Weise offensichtlich.
Die Freiheit der Wissenschaft ist ein hohes Gut. Sicherlich darf Wissenschaft nicht stets einem zu erwartenden „Mehrwert“ oder einer schnellen „Nutzbarkeit“ unterworfen werden. Doch öffentlich geförderte Wissenschaft ist gegenüber der Öffentlichkeit durchaus rechenschaftspflichtig – vor allem in Zeiten knapper Kassen. Die Frage nach der Relevanz ist also kein Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit. Solche Debatten müssen erlaubt sein und akzeptiert werden. Wir sollten unterscheiden zwischen volkswirtschaftlichem Nutzen und gesellschaftlicher Relevanz. Entscheidend ist die Bedeutung wissenschaftlicher Erkenntnis für die Gesellschaft.