Umweltverträglichkeitsprüfung: Lücke in Rechtsvorschriften
Die EU-Kommission verklagt Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der Grund: Rechts-Lücken beim Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. Alle Mitgliedstaaten müssen nämlich für im Kontext der Richtlinien über Umweltverträglichkeitsprüfung und Industrieemissionen gefasste Beschlüsse rechtliche Überprüfungen sicherstellen. Die Bürger hätten hier zu wenig Klagemöglichkeiten, teilte die Kommission mit – auf Empfehlung des EU-Kommissars Janez Potocnik kommt die Angelegenheit nun vor den EuGH.
Hintergrund
Im November 2012 änderte Deutschland sein Umweltrechtsbehelfsgesetz, um einem vor kurzem ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs über die Frage des rechtlichen Status nachzukommen, d. h. zu der Frage, wer in Umweltangelegenheiten vor Gericht gehen kann. Mit den neuen Vorschriften würden zwar einige der zuvor bestehenden Unklarheiten ausgeräumt, so eine Mitteilung aus Brüssel, „aber die Kommission ist besorgt wegen der weiterhin bestehenden Mängel“.
Nach den geänderten Rechtsvorschriften fielen Verfahren, die nach dem 25.06.2005 eingeleitet und vor dem 12.05.2011 abgeschlossen wurden, ebenso wenig unter die überarbeiteten Vorschriften wie Verfahren, die vor der Frist für die Durchführung, dem 25.06.2005, eingeleitet worden und nach diesem Zeitpunkt noch im Gang gewesen seien. Die Kommission ist der Auffassung, dass diese Ausnahmen die Anwendung der Vorschriften über den Zugang zu Gerichten erheblich verzögern könnten.
Anlass zu Bedenken gäben z. B. auch die Argumente, die geltend gemacht werden köntnen, wenn ein Fall vor Gericht kommet. Habe ein Antragsteller bereits während eines Verwaltungsverfahrens bestimmte Bedenken geäußert, so dürfe das Gericht nach deutschem Recht nur diese Argumente berücksichtigen und müse neue Argumente, die anschließend aufgetreten sein könnten, außer Acht lassen. Zudem müssten Antragsteller vor deutschen Gerichten nachweisen, dass das Ergebnis einer Umweltverträglichkeitsprüfung ohne den beanstandeten Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre, wodurch die Beweislast – entgegen den Grundsätzen der Richtlinie – effektiv auf ein Mitglied der Öffentlichkeit übertragen werde.
Bereits im April dieses Jahres sei „eine mit Gründen versehene Stellungnahme übermittelt“ worden. „Da seitdem aber kaum Fortschritte erzielt wurden, hat die Kommission nun beschlossen, Deutschland vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen.“
[note Nach EU-Recht haben die Bürgerinnen und Bürger Anspruch darauf, über die Auswirkungen von Umweltverschmutzung durch Industrieanlagen und über die potenziellen Auswirkungen von Projekten auf die Umwelt informiert zu werden, und das Recht, diesbezügliche Entscheidungen anzufechten. Gemäß der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung müssen die Mitgliedstaaten z. B. Mitgliedern der Öffentlichkeit den Zugang zum Rechtsbehelfsverfahren ermöglichen und ihnen erlauben, die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen in Angelegenheiten anzufechten, bei denen die Öffentlichkeit der Richtlinie zufolge die Möglichkeit zu Beteiligung haben muss.]
->Quelle: europa.eu