CO2 anschaulich gemacht

Gastbeitrag von Ulrich Wiegel*)

Ob eine Klimadynamik wie heute in Urzeiten schon einmal aufgetreten ist, erscheint weniger wichtig als die Frage, welche Folgen sie für unsere hochsensible Zivilisation haben kann, Für derartige Prognosen können immer nur zurückliegende Entwicklungen in die Zukunft projiziert werden, mit bestimmten Annahmen. Daher ist eine Prognose in der Gegenwart nie beweisbar, dazu fehlt die zukünftige Realität. Wenn die Prognose unangenehm ist, werten wir gern ihre Nichtbeweisbarkeit als Beweis des Gegenteils. Sehr beliebt, nur unlogisch. Auch vor Gericht gilt bei nicht beweisbarer Schuld des Angeklagten lediglich die Vermutung der Unschuld, bewiesen ist sie damit nicht.

Kurzfristigkeit

Beobachten wir unsere emotionale Reaktion auf eine bedrohliche Klima-Prognose. Der Mensch reagiert deutlich eher auf reales Leiden als auf abstraktes Wissen. Saubere Seen, saubere Luft, sauberes Grundwasser haben wir uns wieder erarbeitet, weil uns die Natur umgehend mit verschmutzten Flüssen, kranken Wäldern und Brühe im Boden schmerzhaft für Umwelt-Missachtung abstrafte – und uns für entsprechendes Handeln spürbar belohnte. Diese Schäden waren heilbar.

Langfristigkeit

Weil das Klima viel träger reagiert als andere Umweltbereiche, bleibt bei unserer üppigen Treibhausgas-Produktion diese rechtzeitige natürliche Ohrfeige aus. Hinzu kommt: Treibhausgase (incl. Methan und Lachgas, die sich in Kohlendioxidwirkung umrechnen lassen) nehmen wir sensorisch nicht wahr, sie sind nicht sichtbar, riechbar, fühlbar.

Stellen wir uns einmal vor, Kohlendioxid wäre kein Gas, sondern ein sandartiger Feststoff: An der Tankstelle müssten wir 120 kg CO2 der letzten 50- Liter-Betankung aus dem Aschekasten unter dem Kofferraum entleeren. Am Flughafen Teneriffa kämen uns nach unserem 20-kg-Koffer 850 kg Flug-CO2 zur gefälligen Mitnahme entgegen (in Sydney 5000). Neben unserem Teller mit 1 kg Rinderhackfleisch lägen 13 kg CO2, nach jeder Heizungsperiode müssten wir je Quadratmeter Wohnfläche 40 kg davon vors Haus schaufeln. Um unsere Städte würden sich gewaltige Deponien von CO2-Asche auftürmen. Ein eindrucksvolles Beispiel einer Deponie aus ehemals gasförmigem und dann verfestigtem CO2 sind die Alpen.

Jeder verursacht 10 t CO2-Müll pro Jahr

Die kreuzschmerzende Bewusstheit dieser Mengen bleibt uns aus physikalischen Gründen vorenthalten, wir können unsere persönlichen gut 10 000 kg CO2-Müll pro Jahr, das Fünfzigfache unseres Hausmülls, schwerelos in den Luftozean über uns abladen.

Dass in dreißig Jahren – und dann unumkehrbar – die Jahrhunderthochwasser im Fünfjahrestakt auftreten, die Winter kraft Golfstromschwächung bis in den Mai dauern und einige Millionen Überflutungs-Heimatlose bei uns Einlass begehren könnten, deklarieren wir emotional lieber als Pessimisten-Utopie oder Chinesenschuld (leider haben wir denen Auto beigebracht, nicht die uns Fahrradfahren).

Hoffnung auf  Technik

Oder wir hoffen auf Technik. Die deckt unseren klimabelastenden Energiehunger mit Wasserkraft, Maisfeldern, Windrädern und Solaranlagen derzeit nur zu 15 Prozent aus regenerativen Quellen. Der Ausbau steigt, weil kräftig finanziert. Dass jedoch der Überschuss unserer Wirtschaftskraft ausreichen soll, uns allein über Technik auf ein Viertel unseres derzeitigen CO2-Pegels zu bringen, bedarf hoher Illusionsfähigkeit.

Die Antwort, womit wir denn immer noch so viel Klimagase produzieren, ist erschreckend banal: Durch Geldausgeben. An jedem erwirtschafteten Euro hängen statistisch 300 g CO2, genug, um eine normale Mülltonne zu füllen. Man schreibe von 200 Möglichkeiten des Geldausgebens diejenigen heraus, die nicht direkt oder mittelbar über Energie- und Rohstoffverbrauch zu Klima- und Umweltschaden führen. Die passen auf eine Postkarte.

Dass Klimaschutz mehr Geld kostet, kennen wir. Hätten wir es gern, wenn uns 3-Liter-Autos, Fahrrad sowie drastische Reduzierung von Flugreisen, Konsumgüter- und Fleischverbrauch etc. abgefordert würden, um mit weniger Geld mehr Klimaschutz zu erreichen? Lieber nicht?!

Die Größe des künftigen Klimaproblems definieren wir uns weniger rational-wissenschaftlich, sondern eher danach, dass die uns akzeptabel erscheinenden Gewohnheitsänderungen plus Hoffnungszuschlag zur Lösung ausreichen.

*)Dr. Ulrich Wiegel, Umwelt-Ingenieur, ist für die Senatsverwaltung Berlin unter anderem mit klimaschonender Abfall-Entsorgung befasst