Hermann Falk über steigende Energiepreise
Eines scheint sicher: Die Strompreise steigen. Falsch! Zumindest kann man den Preisanstieg nicht immer den Erneuerbaren Energien in die Schuhe schieben. Schuld ist ein ganzes Bündel teils paradoxer Entwicklungen. Wenn die Industrie eine Teufelsfratze auf die Steckdosen malt und Politiker die Kostensumme von eine Billion Euro ausrufen, wenn Lobbyisten die baldige De-Industrialisierung Deutschlands beklagen und Wirtschaftsmagazine eine Umverteilung von „Unten nach Oben“ konstatieren – dann ist Unruhe unter der Bevölkerung gewollt und ein Schuldiger gemeint: die Erneuerbaren Energien. Eine Kampagne, die allerdings nicht fruchtet: Laut dem Forschungsinstitut Emnid sind 93 Prozent der Deutschen über 16 Jahre für einen weiteren raschen Ausbau der Erneuerbaren Energien. Und 73 Prozent sprechen sich gegen einen Förderstopp aus, selbst wenn dies zu einer Kostendämpfung führen würde.Erfreulicherweise hat das dauernde Zündeln der Großindustrie dazu geführt, dass die Bürgerinnen und Bürger informiert und entscheidungsfähig sind. Und sie haben sich den gesunden Menschenverstand und die Gewissheit bewahrt: Die Energiewende ist und bleibt richtig aus wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Gründen.
Investitionen lohnen sich
„Bis 2050 können die Einsparungen insgesamt etwa 500 Milliarden Euro betragen“, rechnet Eicke Weber, Leiter des Fraunhofer-Instituts ISE in Freiburg, vor. Die Investitionen in eine neue Energieversorgung, die in Zukunft 100 Prozent sauber und verantwortlich ist, rechnen sich. Weil uns die Energieeinsparmaßnahmen und die Ersetzung von atomar-fossilen Kraftwerken bis dahin rund 300 Milliarden Euro kosten. Dass irgendwann der Ertrag positiv sein muss, ist jedem klar, der weiß, dass Sonne und Wind uns die Energie kostenlos schenken, während der Abbau von Kohle, Öl und Gas immer teurer werden wird. Aber klar ist auch: In der Umbauphase müssen wir investieren. Also Kosten übernehmen, die sich erst später rentieren. Übrigens müsste auch ohne Energiewende in die Netze und in neue Kraftwerke investiert werden. Unbestritten ist der Investitionsstau. All dies findet derzeit statt und die Mixtur verunsichert naturgemäß manchen Bürger. Wie teuer ist die Energiewende denn heute und im nächsten Jahr?
Die Kostenkurve senkt sich
Die EEG-Umlage, mit der Windkraft- und Solaranlagen gefördert werden, steigt 2014 um rund einen Cent auf 6,24 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Ist das ein geeignetes Preisschild für die Energiewende? Nein, denn seit 2013 enthält die EEG-Umlage nur noch zu weit unter der Hälfte Kosten, die durch die Refinanzierung von EE-Anlagen entstehen. Der Rest ist anderen Kostenbestandteilen und insgesamt einer verfehlten gesetzlichen Umlagen-Mechanik geschuldet. Hier wird auch deutlich, dass die Zeiten von großen Kostensprüngen durch die EEG-Umlage vorbei sind. Der Anstieg wird flacher und irgendwann ganz ausbleiben, da kann man jede Wette eingehen.
Reform der EEG-Umlage überfällig
„Ein Konstruktionsfehler im EEG-Vermarktungsmechanismus führt dazu, dass die Erneuerbaren Energien die Großhandelspreise immer weiter senken, die Verbraucher den steigenden Vorteil für die Großabnehmer aber über einen stetig höheren Strompreis bezahlen“, sagte Norbert Allnoch, Direktor des Internationalen Wirtschaftsforums IWR in Münster. Auch Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) beklagte im Frühjahr dieses Paradox, ohne jedoch Lösungsvorschläge anzubieten.Ein Maßnahmenmix ist zur Reform der EEG-Umlage erforderlich, dessen Eckpunkte hier nur skizziert werden können: Die Großkonzerne, die ihr Stromportfolio zu Lasten der EEG-Umlage optimieren, müssen genauso in die Pflicht genommen werden wie viele Großverbraucher, die sich ohne Nachteile für ihre internationale Wettbewerbsstellung aus der EEG-Umlage herausschleichen dürfen. Zugleich muss der CO2-Preis durch Brüssel oder im Wege einer CO2-Steuer gestärkt werden; dies würde den Börsenpreis anheben und die EEG-Umlage senken. Und schließlich werden die weiterhin stark fallenden Einspeisetarife für Sonnenstrom genauso wie auslaufende Wind-Boni den Anstieg der EEG-Umlage dämpfen wird. Es ist nicht zu viel gesagt: Die zweiten 25 Prozent unserer Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien werden deutlich günstiger sein, als die ersten 25 Prozent, die wir in diesem Jahr erreicht haben.
Vorfahrt für Erneuerbare bedeutet Kostenentlastung für die Bürger
Nicht allein aus Kostengründen wäre ein beschleunigter Ausstieg aus der Atomenergie genauso sinnvoll wie ein schnelles Herunterfahren vieler schmutziger, inflexibler Kohlekraftwerke. Diese müssten eigentlich schon jetzt den gesetzlichen Einspeisevorrang der Erneuerbaren Energie respektieren, doch optimieren sich die Kohlekonzerne häufig gesetzeswidrig zu Lasten der normalen Stromkunden. Zusammen mit einer mutigen Reform der EEG-Umlage sind viele Schritte zu mehr Kosten- und Preisehrlichkeit möglich.