Gigantische Verdrängungsphase
Kaum vorstellbar: Die jedes Jahr auf die Erdoberfläche treffende Energie entspricht 125 Millionen Hiroshima-Bomben – vier pro Sekunde. Diese wird laut Hans-Joachim Schellnhuber in den Ozeanen, in der Tiefsee gespeichert. Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) traf am 01.11.2013 in einem Gespräch im Berliner Allianz-Stiftungsforum am Brandenburger Tor im Rahmen von „Kultur trifft Umwelt“ auf den international gefeierten Bassbariton Thomas Quasthoff – eine Benefiz-Veranstaltung der Stiftung NaturTon und des Allianz Stiftungsforums mit Unterstützung des PIK.
Künstler können nicht lügen
Quasthoff sagte eingangs, Künstler hätten Politikern eines voraus: sie könnten nicht lügen. Wahrhaftigkeit sei ein Bestandteil künstlerischer Qualität. daher sei es für ihn zwingend, sich für die Erhaltung der Welt einzusetzen, denn es sei eben nicht gleichgültig, ob die Meere um acht oder zehn Zentimeter anstiegen – mit allen Folgen.
Schellnhuber schloss sich dem an: Leider hätten Themen Konjunkturen, zu gewissen Zeiten sei kein journalistisches Kapital aus ihnen zu schlagen. die Menschen wollten das Thema Klimawandel nicht mehr hören – aber die Meere würden acht bis zehn Meter steigen, über die Jahrhunderte. „Gegenwärtig werden überall in der Welt die Weichen falsch gestellt. weil wir uns in einer gigantischen Verdrängungsphase befinden.“ Noch 2007 habe ein Al Gore einen Film- und einen Nobelpreis erhalten – heute bedeute der Gegenstand eine Zumutung. aber das Thema kümmere sich nicht um journalistische Konjunkturen.
Veranschaulichung: 36 Grad Erwärmung
Physiker messen alles in Joule, Kilowatt, etc, so der gelernte Quantenphysiker Schellnhuber, aber seit 1945 bzeichne man Energie mit einer anderen Größe: der Sprengkraft der Hiroshima-Bombe (13 Kilotonnen TNT). Der international renommierte Klimaforscher ließ das Publikum schätzen: Wie vielen Hiroshima-Bomben wohl die Energie entspreche, die pro Jahr umgerechnet auf die Erde einwirke? Ein Zuruf aus der Zuhörerschaft nannte 100 – Schellnhuber: „125 Millionen – vier pro Sekunde. Diese Energie wird gegenwärtig in den Ozeanen, in der Tiefsee gespeichert. Diese hat sich dadurch inzwischen um 0,09 Grad erwärmt; wenn nun diese Energie freigesetzt würde, hätte das eine Aufheizung der Atmosphäre um 36 Grad zur Folge.“ Natürlich werde das so nicht eintreten – es sei nur ein veranschaulichende Überlegung.
Quasthoff bestätigte Schellnhubers Kritik, die Leute wollten nicht mehr zuhören, mit dem Hinweis auf die Qualität der Fernsehprogramme. die immer schlechter würden – aber da, wo der Mensch Dienst am Menschen leiste, werde am schlechtesten bezahlt. Das habe er jüngst selbst während des Aufenthaltes auf der Intensivstation eines Krankenhauses festgestellt. „Alles was unangenehm ist, will man nicht hören.“
Folgt: Quasthoff: „Wir machen uns nicht klar, wie sehr es uns alle – und zwar unmittelbar – betreffen wird.„