Klimawandel: Sibiriens Küste erodiert schneller

Immer wärmere Sommer – immer weniger schützendes Meereis

Ein Beispiel für die dabei dokumentierten Veränderungen sind die wärmer werdenden Sommer: Stieg die Temperatur im Untersuchungszeitraum an durchschnittlich 110 Tagen pro Jahr über null Grad Celsius, waren es in den Jahren 2010 und 2011 schon 127 Tage. Im Folgejahr 2012 zählten die Wissenschaftler sogar 134 Tage mit einer Temperatur über dem Gefrierpunkt.

Dieser Temperaturanstieg bleibt nicht folgenlos: Schützte früher eine dicke Meereisdecke den tiefgefrorenen Untergrund fast das ganze Jahr hindurch, so weicht das Eis im Sommer in diesem Teil der Arktis inzwischen für immer längere Zeit zurück. Die Zahl der Sommertage, an denen das Meereis in der südlichen Laptew See völlig verschwunden ist, steigt stetig. „In den vergangenen zwei Jahrzehnten gab es in dieser Region im Durchschnitt weniger als 80 eisfreie Tage pro Jahr. In den vergangenen drei Jahren aber zählten wir durchschnittlich 96 eisfreie Tage – die Wellen haben also im Laufe eines jeden Jahres rund zwei Wochen mehr Zeit, an den Permafrostküsten zu nagen“, erläutert AWI-Permafrostkundler Paul Overduin.

In 40 Jahren 2,2 bis 5,3 Meter im Jahr Rückgang

Die Wellen graben tiefe Nischen in die Sockel der Steilküsten. Die Folge: Die unterspülten Hänge brechen Stück für Stück ab. In den zurückliegenden 40 Jahren zogen sich die untersuchten Küstenabschnitte im Durchschnitt um 2,2 Meter pro Jahr zurück. „Dieser Wert ist in den vergangenen vier Jahren mindestens um das 1,6-Fache, über große Abschnitte auch um das 2,4-Fache auf dann 5,3 Meter pro Jahr gestiegen“, sagt Paul Overduin.

Für die kleine Insel Muostakh östlich der Hafenstadt Tiksi kann diese Entwicklung den Untergang bedeuten. „In weniger als 100 Jahren wird die Insel in mehrere Teile zerbrechen und dann schnell verschwinden“ prophezeit Frank Günther. Die Insel weist an der Nordspitze jährlich schwankende Erosionsraten zwischen 10 und 20 Meter pro Jahr auf und hat in den vergangenen 60 Jahren schon 24 Prozent ihrer Fläche verloren. Weil der Untergrund hier zu über 80 Prozent aus im Boden gebildetem Eis besteht, das allmählich taut, sinkt die Inseloberfläche auch stark in sich zusammen. Den Volumen-Verlust beziffern die Wissenschaftler auf 34 Prozent. „Wenn man bedenkt, dass es Jahrzehntausende gedauert hat, bis die Insel durch Sedimentablagerungen entstanden ist, dann geht ihr Zerfall rasant vorstatten“, sagt Paul Overduin.
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