Ausstieg aus der Kernenergie
Wir halten am Ausstieg aus der Kernenergie fest. Spätestens 2022 wird das letzte Kernkraftwerk in Deutschland abgeschaltet. Auch auf europäischer Ebene wird Deutschland weiter für die Energiewende werben.
Sicherheit von Kernkraftwerken
Die Sicherheit der Kernkraftwerke in Deutschland ist bis zum letzten Betriebstag zu gewährleisten. Deshalb sind weiterhin Investitionen in die Anlagen und fachkundiges Personal bei Betreibern, Behörden und Sachverständigen erforderlich. Der Schutz der Kraftwerke und Abfalllager vor Sabotage- und Terrorakten ist auf rechtssicherer Grundlage sicherzustellen. Bund und Länder arbeiten bei der Atomaufsicht so eng wie möglich zusammen. In Europa wird Deutschland aktiv daran mitwirken, die Sicherheit der Kernkraftwerke zu erhöhen. Dazu werden wir für verbindliche Sicherheitsziele in der EU und ein System wechselseitiger Kontrolle bei fortbestehender nationaler Verantwortung für die Sicherheit eintreten.
Für den Rückbau, die Entsorgung und sichere Aufbewahrung von Materialien aus kerntechnischen Anlagen, die nicht der Erzeugung von Elektrizität dienen oder gedient haben, werden Gespräche zwischen dem Bund und den Ländern geführt, wobei auf der Basis von entsprechenden Verwaltungsvereinbarungen auch die Aufteilung der Kosten neu geregelt wird.
Wir erwarten von den Kernkraftwerksbetreibern ihre Mitwirkung an der Energiewende und die Wahrnehmung ihrer Verantwortung für die geordnete Beendigung der Kernenergienutzung. Ziel ist es damit, in Deutschland die Sicherheit des Restbetriebs der Kernkraftwerke und ihrer Entsorgung auch finanziell zu sichern und sozialverträgliche Lösungen für die Beschäftigten zu finden. Wir erwarten, dass die Kosten für den Atommüll und den Rückbau der kerntechnischen Anlagen von den Verursachern getragen werden. Über die Realisierung der rechtlichen Verpflichtungen der Energieversorgungsunternehmungen wird die Bundesregierung mit diesen Gespräche führen.
Wir setzen uns auch auf europäischer Ebene für umfassende Transparenz in allen sicherheitsrelevanten Fragen ein. Die Unabhängigkeit der Atomaufsicht ist in Deutschland gewährleistet und bedarf keiner Änderung der geltenden Regelungen. Deutschland will auf die internationale Sicherheitsdiskussion Einfluss nehmen. Daher werden auch nach dem Ausstieg geeignete institutionell geförderte Forschungseinrichtungen, unabhängige Sachverständigeninstitutionen und ausreichende behördliche Fachkompetenz zur Beurteilung der Sicherheit von Kernkraftwerken und ihres Rückbaus, des Strahlenschutzes und der nuklearen Entsorgung gebraucht.
Endlager
Wir wollen die Endlagerfrage aus Verantwortung für die nachfolgenden Generationen lösen. Deswegen werden die Errichtung des Endlagers Konrad und die Schließung des Endlagers Morsleben vorgetrieben und die Voraussetzungen für die Rückholung der Abfälle aus der Schachtanlage Asse II geschaffen. Im ehemaligen Salzbergwerk Asse II wird weiter mit Nachdruck an der Rückholung des Atommülls gearbeitet. Wir werden die Rückholungsplanung weiter konkretisieren und die dafür notwendigen Finanzmittel auch weiterhin zur Verfügung stellen. Die Entsorgungs-Richtlinie (EURATOM) und das Standortauswahlgesetz setzen wir zügig und vollständig um und verwirklichen dadurch den Trennungsgrundsatz. Das Auswahlverfahren für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle wird nach Abschluss der Kommissionsberatungen unter breiter Beteiligung der Öffentlichkeit eingeleitet. Auf dem Weg zur gemeinsamen Endlagersuche werden der Bund und das Land Niedersachsen ein einvernehmliches Vorgehen im Hinblick auf den Standort Gorleben verabreden.
Strahlenschutzrecht
Das Strahlenschutzrecht soll modernisiert werden. Der radiologische Notfallschutz zur Bewältigung von Katastrophen in kerntechnischen Anlagen wird auf Grundlage der Erfahrungen von Fukushima konzeptionell anpasst.
Fracking
Nach den vorliegenden Untersuchungen zur Umweltrelevanz ist der Einsatz der Fracking- Technologie bei der unkonventionellen Erdgasgewinnung – insbesondere bei der Schiefergasförderung – eine Technologie mit erheblichem Risikopotential. Die Auswirkungen auf Mensch, Natur und Umwelt sind wissenschaftlich noch nicht hinreichend geklärt. Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang. Den Einsatz umwelttoxischer Substanzen bei der Anwendung der Fracking- Technologie zur Aufsuchung und Gewinnung unkonventioneller Erdgaslagerstätten lehnen wir ab. Über Anträge auf Genehmigung kann erst dann entschieden werden, wenn die nötige Datengrundlage zur Bewertung vorhanden ist und zweifelsfrei geklärt ist, dass eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit nicht zu befürchten ist (Besorgnisgrundsatz des Wasserhaushaltsgesetzes).
Auch die Entsorgung des Flowback aus Frack-Vorgängen mit Einsatz umwelttoxischer Chemikalien in Versenkbohrungen ist wegen fehlender Erkenntnisse über die damit verbundenen Risiken derzeit nicht verantwortbar. Die Koalition wird unter Einbeziehung der Länder und der Wissenschaft in einem gemeinsamen Prozess mit den Unternehmen erarbeiten, welche konkreten Erkenntnisse die Erkundungen liefern müssen, um Wissensdefizite zu beseitigen und eine ausreichende Grundlage für mögliche nachfolgende Schritte zu schaffen. Dies soll in einem transparenten Prozess erfolgen. Im Dialog mit allen Beteiligten sollen unter Federführung der Wissenschaft Forschungsergebnisse bewertet werden. Die Koalition wird kurzfristig Änderungen für einen besseren Schutz des Trinkwassers im Wasserhaushaltsgesetz sowie eine Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bergbaulicher Vorhaben vorlegen, die vor Zulassung von Maßnahmen zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten mittels Fracking eine obligatorische UVP und Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht.
Energiewende gut umsetzen – Dialog und Beteiligung
Zur Beratung von Bundesregierung und Parlament bei der Umsetzung der Energiewende strebt die Bundesregierung die Bildung eines „Forums Energiewende (Energierat)“ für einen ständigen Dialog mit Wirtschaft, Gewerkschaften, Wissenschaft und gesellschaftlich relevanten Gruppen an. Beim Vollzug der Projekte der Energiewende wird auf eine umfassende Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger geachtet. Die Koalition wird mit allen Akteuren der Energiewirtschaft einen engen Dialog pflegen. Wegen ihrer Bedeutung für die Daseinsvorsorge wird u. a. die Handlungsfähigkeit der deutschen Stadtwerke thematisiert.
Wir wollen die Energiewende naturverträglich gestalten und zugleich die hierfür notwendigen Verfahren und dafür geeigneten Strukturen schaffen. Deswegen wird ein Kompetenzzentrum „Naturschutz und Energiewende“ eingerichtet, um zu einer Versachlichung der Debatten und zur Vermeidung von Konflikten vor Ort beizutragen.
->Quelle und gesamter Vertrag: solarify.eu/koalitionsvertrag.pdf – hier eine Zusammenfassung von Sebastian Jasim für die Agentur für Erneuerbare Energien; hier eine kommentierende Wertung des Koalitionsvertrags