SRU: Energiewende kein Kostentreiber

Der Energiemarkt der Zukunft

*2. Der SRU geht davon aus, dass Windkraft und Photovoltaik in einigen Jahrzehnten die Leittechnologien eines zukünftigen Energiesystems sein werden. Zu Starkwindzeiten oder bei Sonnenwetter wird die Erzeugung aus erneuerbaren Energien sehr hoch, bei anderen Wetterlagen oder zu bestimmten Tages- und Jahreszeiten kann sie niedrig sein. Die Schwankungen können sehr schnell erfolgen, ein erhebliches Spektrum aufweisen und sind nur begrenzt vorhersehbar. Das gesamte Energiesystem muss sich auf solche qualitativ neuen Anforderungen einstellen, indem es flexibler wird. Hierfür muss die Marktordnung die richtigen Signale senden.

Langfristig bestehen zahlreiche Anpassungsmöglichkeiten an diese Herausforderungen:

  • Zunächst sollte die Stromnachfrage – insbesondere die industrielle und gewerbliche Nachfrage – flexibler auf die Erzeugungsschwankungen reagieren und damit zum Lastausgleich beitragen.
  • Darüber hinaus sollte der weitere Ausbau des fernräumlichen Stromnetzes einen großräumigen Ausgleich von Angebot und Nachfrage ermöglichen. Von besonderer Bedeutung ist hierfür neben der nationalen Netzoptimierung auch der grenzüberschreitende Netzausbau. Eine stärkere EU-weite Integration der Stromnetze kann dafür sorgen, dass unterschiedliche nationale Angebots- und Nachfrageprofile sich vermehrt gegenseitig ausgleichen.
  • Die Energienachfrage aller Verwendungsbereiche (Wärme, Verkehr und industrielle Prozesse) sollte zur Erreichung der Klimaziele verstärkt auf Elektrizität als wichtigste Energieform umgestellt werden. Damit löst sich die heutige Trennung der Verwendungsbereiche auf. Es entsteht ein zunehmend integriertes Gesamtsystem mit vielen neuen Flexibilitätsoptionen. So können zeitweilige Erzeugungsüberschüsse an Strom in andere Verwendungsbereiche (z. B. Wärme oder Elektromobilität) verschoben werden. Hierdurch kann auch eine temporär sehr hohe Erzeugungsmenge im Markt aufgenommen werden.
  • Schließlich bestehen weitere langfristige Flexibilitätsoptionen in der wechselseitigen Überführbarkeit verschiedener Energieformen (z. B. Power-to-Gas) und durch vielfältige inländische und ausländische Speicheroptionen. Diese erlauben einen weiteren Lastausgleich.

Aus der Kombination dieser unterschiedlichen Optionen für den Lastausgleich folgt für den Strommarkt, dass es selbst in Zeiten hoher Erzeugung Verwendungsmöglichkeiten für Strom außerhalb des Strommarktes im engeren Sinne gibt (z. B. zur Gaserzeugung). Durch die entstehende Nachfrage wird es auch in einer von erneuerbaren Energien geprägten Zukunft fast immer einen positiven Marktpreis geben. Erneuerbare Energien werden damit am Markt zwar erhebliche Erlöse erzielen, aber sehr wahrscheinlich ihre Kapitalkosten nicht vollständig decken können. Versicherungsähnliche Lösungen, wie Reserven oder Speicher für selten eintretende längere Perioden sehr niedriger Einspeisung, werden sich aller Voraussicht nicht über den Strommengenmarkt refinanzieren können.

Insgesamt wird daher langfristig, das heißt auch in mehreren Jahrzehnten, noch eine kombinierte Vergütung für erneuerbare Energien, versicherungsähnliche Reserve- Leistungen und ergänzende Infrastruktur notwendig sein. Diese besteht zum einen aus einem Arbeitspreis, der über den bestehenden Strommarkt bestimmt wird, zum anderen aus einem Beitrag zur Deckung des weiteren Finanzierungsbedarfes. Der Rahmen zur Festlegung dieses Beitrages hängt ebenso wie die Anteile der beiden Vergütungselemente von den Kosten, Technologien und Marktbedingungen der Zukunft ab und kann daher noch nicht prognostiziert werden.

Aus diesen langfristig absehbaren Strukturelementen eines Strommarktes für erneuerbare Energien lassen sich erste Schritte für einen behutsamen Übergang in Richtung „mehr Markt“ ableiten.
Folgt:  Reform der Strommarktordnung