Urteil in Sachen „Braunkohlentagebau Garzweiler“: Rechtsschutz Enteignungs- und Umsiedlungsbetroffener gestärkt
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat den Rechtsschutz gegen Großvorhaben gestärkt, die mit Umsiedlungen und Enteignungen verbunden sind. Bereits bei der Vorhabenzulassung ist eine Gesamtabwägung aller öffentlichen und privaten Belange erforderlich, die für und gegen das Vorhaben sprechen. Diese Gesamtabwägung ist Aufgabe der Fachbehörden und vorrangig von den Fachgerichten zu überprüfen; das Bundesverfassungsgericht beschränkt sich auf eine Kontrolle unter verfassungsrechtlichen Aspekten. Rechtsschutz muss den Betroffenen bereits gegen die Vorhabenzulassung gewährt werden. Die Zulassung des Rahmenbetriebsplans für den Tagebau Garzweiler genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen, nicht aber die darauf aufbauende konkrete Enteignung eines Naturschutzverbandes. Insoweit verbleibt es jedoch bei einer Feststellung der Grundrechtsverletzung, da die Klage auch bei Zurückverweisung an die Fachgerichte keinen weitergehenden Erfolg haben könnte.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
1. Dem Braunkohlentagebau Garzweiler in Nordrhein-Westfalen liegen Braunkohlenpläne aus dem Jahr 1984 und aus den Jahren 1994/1995 zugrunde. Mit Bescheid vom 22. Dezember 1997 ließ das Bergamt Düren den „Rahmenbetriebsplan für den Tagebau Garzweiler I/II“ zu.
2. Der Beschwerdeführer des Verfahrens 1 BvR 3139/08 ist Eigentümer eines im Abbaugebiet liegenden Grundstücks im Ortsteil Immerath der Stadt Erkelenz, das mit einem selbst genutzten Wohnhaus bebaut ist. Mit seiner Verfassungsbeschwerde greift er den Zulassungsbescheid des Bergamts Düren sowie die ihn bestätigenden behördlichen und verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen an.
3. Der Beschwerdeführer des Verfahrens 1 BvR 3386/08 ist ein in Nordrhein-Westfalen anerkannter Naturschutzverband. Er erwarb im Jahr 1998 das Eigentum an einem Grundstück, das für das Abbauvorhaben in Anspruch genommen werden sollte. Mit Beschluss vom 9. Juni 2005 entzog die Bezirksregierung Arnsberg ihm das Eigentum an dem Grundstück und übertrug es auf die Vorhabenträgerin. Mit seiner Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer diesen Grundabtretungsbeschluss und die ihn bestätigenden Gerichtsentscheidungen an.
Wesentliche Erwägungen des Senats:
1. Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 3386/08 ist, soweit zulässig, auch begründet. Der Beschwerdeführer, der durch die angegriffene Grundabtretung enteignet wird, ist in seinen Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzt. a) Nach Art. 14 Abs. 3 GG kann eine Enteignung nur durch ein hinreichend gewichtiges Gemeinwohlziel gerechtfertigt werden, dessen Bestimmung dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten ist. Hierbei steht dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zu, der einer eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Das Gesetz muss hinreichend bestimmt regeln, zu welchem Zweck, unter welchen Voraussetzungen und für welche Vorhaben enteignet werden darf. Bei Enteignungen zugunsten Privater, die nur mittelbar dem Gemeinwohl dienen, sind insoweit erhöhte Anforderungen zu stellen.
Die Enteignung ist nur zulässig, wenn sie zur Erreichung des Gemeinwohlziels erforderlich ist. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen der Erforderlichkeit der einzelnen Enteignungsmaßnahme und der Gemeinwohlerforderlichkeit dieses Vorhabens selbst. Ein Vorhaben ist erforderlich im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, wenn es zum Wohl der Allgemeinheit vernünftigerweise geboten ist, indem es einen substantiellen Beitrag zur Erreichung des Gemeinwohlziels leistet. Die Enteignung selbst ist jedoch nur dann erforderlich, wenn das enteignete Gut unverzichtbar für die Verwirklichung des Vorhabens ist.
Der Garantie effektiven Rechtsschutzes gegen Verletzungen der Eigentumsgarantie wird nur genügt, wenn Rechtsschutz gegen einen Eigentumsentzug so rechtzeitig eröffnet wird, dass im Hinblick auf Vorfestlegungen oder auf den tatsächlichen Vollzug des Vorhabens eine grundsätzlich ergebnisoffene Überprüfung aller Enteignungsvoraussetzungen realistisch erwartet werden kann.
b) § 79 Abs. 1 des Bundesberggesetzes (BBergG) steht bei verfassungskonformer Auslegung der dortigen Gemeinwohlklausel in Einklang mit Art. 14 Abs. 3 GG. Der Wortlaut legt zwar das Verständnis nahe, dass eine Grundabtretung generell zulässig ist, wenn sie „dem Wohle der Allgemeinheit dient“, und dass die mit „insbesondere“ angeschlossenen Enteignungszwecke lediglich als Beispiele gelten sollen. In dieser weiten Deutung wäre die Bestimmung mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Die Aufzählung der Enteignungszwecke kann jedoch auch abschließend verstanden werden. Bei derartiger verfassungskonformer Auslegung steht § 79 Abs. 1 BBergG in Einklang mit Art. 14 Abs. 3 GG, soweit er die „Versorgung des Marktes mit Rohstoffen“ als Gemeinwohlziel benennt.
c) Teilweise unzulänglich sind die Enteignungsregelungen des Bundesberggesetzes im Hinblick auf die gebotene Gesamtabwägung und den erforderlichen effektiven Rechtsschutz.
Die Regelungen des Bundesberggesetzes schreiben eine Gesamtabwägung bei der Entscheidung über die Zulassung des Rahmenbetriebsplans nicht ausdrücklich vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings inzwischen mit Urteil vom 29. Juni 2006 (BVerwGE 126, 205), das im Ausgangsverfahren zur Verfassungsbeschwerde 1 BvR 3139/08 ergangen ist, auf diese Unzulänglichkeiten der Zulassungsbestimmungen für Bergbaubetriebe reagiert und über § 48 Abs. 2 BBergG auch eine Abwägung der Interessen der betroffenen Grundeigentümer mit den berechtigten Belangen des Bergbaus gefordert. Dieses Verständnis des einfachen Rechts gibt Raum für die von Verfassungs wegen gebotene Gesamtabwägung bei der Zulassung eines Rahmenbetriebsplans.
Zudem regelt das Gesetz nicht eindeutig, ob die Gesamtabwägung jedenfalls im Rahmen der jeweiligen Grundabtretung geboten ist. Die Gesamtabwägung im Verfahren über den Rahmenbetriebsplan macht die Gesamtabwägung im Grundabtretungsbeschluss, selbst wenn sie sich inhaltlich weitgehend entsprechen, nicht entbehrlich, da insoweit keine förmliche Bindungswirkung, insbesondere keine enteignungsrechtliche Vorwirkung, des Rahmenbetriebsplans im Verhältnis zur Grundabtretung vorgesehen ist. Es entspricht allerdings seit langem gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung, dass zur Gewinnung eines Bodenschatzes eine Enteignung im Einzelfall nur aufgrund einer Gesamtabwägung zulässig ist; damit wird die Rechtslage hinreichend präzisiert.
d) Die angegriffenen Behörden- und Gerichtsentscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 14 Abs. 1 und 3 GG, weil sie die erforderliche Gesamtabwägung in Bezug auf den Tagebau Garzweiler nicht vorgenommen haben und auf einer Auslegung des Bundesberggesetzes beruhen, die seinerzeit ein strukturelles Rechtsschutzdefizit aufwies. Die Gesamtabwägung kann bei der als gebundene Entscheidung ergehenden Grundabtretung zwar grundsätzlich auch noch im Gerichtsverfahren nachgeholt werden. Das Oberverwaltungsgericht verweist jedoch im angegriffenen Urteil zu zahlreichen Feststellungen und Tatsachenwürdigungen ohne eigene Sachprüfung auf die – nach seiner Auffassung – bindenden Erkenntnisse aus seinem Urteil auf die vorangegangene Klage des Beschwerdeführers gegen den Rahmenbetriebsplan. In diesem früheren Urteil hatte das Oberverwaltungsgericht jedoch – übereinstimmend mit der damaligen bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung – den Standpunkt vertreten, dass die Rahmenbetriebsplanzulassung die Rechte von Drittbetroffenen nicht verletzen könne. Erst im Grundabtretungsverfahren komme es zu einem Eingriff in das Eigentumsrecht. Damit wird dem Beschwerdeführer eine hinreichende gerichtliche Überprüfung der angegriffenen Grundabtretung versagt.
e) Trotz des Erfolges der Verfassungsbeschwerde verbleibt es bei der bloßen Feststellung der Verfassungsverstöße. Die Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen erübrigt sich, da eine erneute Sachentscheidung dem Beschwerdeführer keinen über die Feststellung hinausgehenden Vorteil verschaffen könnte. Das Grundstück ist mittlerweile durch den Tagebau in Anspruch genommen und eine Rückgabe an ihn wäre faktisch ohne Wert. Zudem ist sicher absehbar, dass die Fachgerichte bei einer erneuten Sachentscheidung zu dem Ergebnis gelangen würden, dass der Tagebau Garzweiler zur Sicherung der Energieversorgung als vernünftigerweise geboten angesehen werden durfte und dass auch die Gesamtabwägung zu dem Tagebau bei nachvollziehender Prüfung durch die Gerichte Bestand haben würde (vgl. hierzu nachfolgend unter 2.).
2. Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 3139/08 ist zulässig, aber nicht begründet.
a) Die angegriffene Zulassung des Rahmenbetriebsplans für den Tagebau Garzweiler greift nicht in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Freizügigkeit (Art. 11 GG) ein.
Art. 11 GG schützt auch das Verbleiben an dem in Freizügigkeit gewählten Ort und damit grundsätzlich auch vor erzwungenen Umsiedlungen. Er berechtigt allerdings nicht dazu, an Orten im Bundesgebiet Aufenthalt zu nehmen und zu verbleiben, an denen Regelungen zur Bodenordnung oder Bodennutzung einem Daueraufenthalt entgegenstehen. Solche Regelungen berühren jedenfalls dann nicht den Schutzbereich von Art. 11 Abs. 1 GG, wenn sie allgemein gelten und nicht gezielt die Freizügigkeit bestimmter Personen oder Personengruppen treffen sollen. Ein eigenständiges Recht auf Heimat gewährleistet Art. 11 Abs. 1 GG hingegen nicht. Hierdurch entsteht keine Schutzlücke. Die besonderen Belastungen der Betroffenen, die mit dem Verlust der sozialen und räumlich-städtebaulichen Beziehungen einhergehen, finden Berücksichtigung im Rahmen des Grundrechtsschutzes aus Art. 14 Abs. 1 und 3 GG, sofern es sich um Eigentumseingriffe handelt, ansonsten über Art. 2 Abs. 1 GG.
b) Der Eingriff in das Eigentum (Art. 14 GG) des Beschwerdeführers durch die Zulassung des Rahmenbetriebsplans ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
aa) Art. 14 GG schützt den konkreten Bestand des Wohneigentums. Zu dem Bestand gehören auch dessen gewachsene Bezüge in sozialer und städtebaulicher Hinsicht. Dieser Schutz gilt ebenso für Eigentumswohnungen und für das Besitzrecht der Mieter von Wohnräumen.
bb) Die Zulassung des Rahmenbetriebsplans entzieht dem Beschwerdeführer zwar nicht das Eigentum an seinem Grundstück, greift aber dennoch darin ein. Sie enthält zu seinen Lasten die Feststellung, dass das Tagebauvorhaben grundsätzlich zulassungsfähig ist. Die Zulassung des Rahmenbetriebsplans greift auch deshalb in das Grundeigentum des Beschwerdeführers ein, weil spätestens mit dieser Entscheidung in den vom Tagebau betroffenen Gemeinden ein Abwanderungsprozess angestoßen wird, der das soziale und städtebauliche Umfeld zunehmend massiv verändert. Schließlich hat die Zulassungsentscheidung auch rechtliche Vorwirkung im Hinblick auf die Rechtsschutzmöglichkeiten des Beschwerdeführers gegen eine spätere Grundabtretung. Jedenfalls für Grundstücke inmitten des Abbaugebiets steht die spätere Inanspruchnahme mit der Zulassung des Rahmenbetriebsplans dem Grunde nach fest. Mit zunehmender Verwirklichung des Tagebauvorhabens verringern sich die tatsächlichen Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs gegen die Grundabtretung, soweit der Eigentümer sich auf die Rechtswidrigkeit des Vorhabens stützt.
cc) (1) Aufgrund dieser Vorwirkungen ist der Eigentumseingriff, der mit der Zulassung des Rahmenbetriebsplans verbunden ist, nur gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen einer Enteignung jedenfalls dem Grunde nach erfüllt sind. Dies ist der Fall, wenn das mit dem Tagebauvorhaben verfolgte Gemeinwohlziel sich aus einer hinreichend präzisen, gesetzlichen Gemeinwohlbestimmung ableiten lässt, das Vorhaben zur Erreichung des Gemeinwohlziels vernünftigerweise geboten ist, der Entscheidungsfindungsprozess verfassungsrechtliche Mindestanforderungen einhält und die Zulassung vertretbar auf der Grundlage einer umfassenden Gesamtabwägung erfolgt.
(2) Mit dem Abbau von Braunkohle wird ein gesetzlich hinreichend bestimmtes und ausreichend tragfähiges Gemeinwohlziel umgesetzt. Es ist zuallererst eine energiepolitische Entscheidung des Bundes und der Länder, mit welchen Energieträgern und in welcher Kombination der verfügbaren Energieträger sie eine zuverlässige Energieversorgung sicherstellen wollen. Hierbei steht ihnen ein weiter Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum zur Verfügung. Das Grundgesetz bietet keinen Maßstab für die zu einem bestimmten Zeitpunkt allein verfassungsgemäße oder auch nur verfassungsrechtlich vorzugswürdige Energiepolitik des Bundes oder eines Landes. Vom Bundesverfassungsgericht können energiepolitische Grundentscheidungen daher nur darauf überprüft werden, ob sie offensichtlich und eindeutig unvereinbar sind mit verfassungsrechtlichen Wertungen, wie sie insbesondere in den Grundrechten oder den Staatszielbestimmungen, hier namentlich dem Umweltschutz (Art. 20a GG), zum Ausdruck kommen.
Das Verfassungsbeschwerdeverfahren hat nicht ergeben, dass die energiepolitische Grundentscheidung des Landes Nordrhein-Westfalen für die mittelfristige Fortführung der Braunkohlengewinnung – auch soweit sie die konkrete Entscheidung für den Tagebau Garzweiler betrifft – verfassungsrechtlich zu beanstanden ist. Die Landesregierung führt für ihr Konzept, das die jederzeitige Verfügbarkeit eines traditionellen Rohstoffs für einen sicheren Energiemix in den Vordergrund stellt, gewichtige Gemeinwohlgründe an. Ihre Bewertung der gravierenden Belastungen für Mensch und Umwelt, die mit dem Abbau und der Verstromung von Braunkohle verbunden sind, ist jedenfalls nicht offensichtlich fehlerhaft. Ob es sich bei dem Konzept um das energiepolitisch, ökonomisch und ökologisch sinnvollste Energieversorgungskonzept handelt, ist hingegen nicht vom Bundesverfassungsgericht zu entscheiden.
(3) Der Braunkohlentagebau Garzweiler ist erforderlich für das Erreichen des Gemeinwohlziels, durch die Gewinnung und Verstromung von Braunkohle einen wesentlichen Beitrag zum angestrebten Energiemix für das Land Nordrhein-Westfalen zu leisten. Es genügt, dass die Braunkohlengewinnung aus diesem Tagebau einen substantiellen Beitrag zur Erreichung dieses Gemeinwohlziels leistet.
(4) Die gesetzlichen Regelungen für die Zulassung eines Braunkohlentagebauvorhabens weisen Defizite auf. Nicht hinreichend klar geregelt ist zum einen das Verhältnis zwischen der Braunkohlenplanung nach dem nordrhein-westfälischen Landesplanungsrecht und der Zulassung des Rahmenbetriebsplans nach dem Bundesberggesetz sowie zum anderen das Erfordernis einer einheitlichen Gesamtabwägung. Gleichwohl genügen die Regelungen in der vom Bundesverwaltungsgericht gefundenen Deutung noch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine transparente und klare Ausgestaltung des Verfahrens und des materiellen Entscheidungsfindungsprozesses sowie an eindeutige Verantwortungszuweisungen. Die tatsächlichen Verfahrensschritte, die zur Zulassung des Rahmenbetriebsplans für den Braunkohlentagebau Garzweiler geführt haben, stehen nicht in Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen. Die erforderliche Gesamtabwägung wurde im Fall des Braunkohlentagebaus Garzweiler in verfassungsrechtlich letztlich nicht zu beanstandender Weise vorgenommen. Das Bundesverfassungsgericht ist bei der Kontrolle der fachgerichtlichen und fachbehördlichen Entscheidungen darauf beschränkt zu überprüfen, ob ihnen bei der Tatsachenermittlung verfassungsrechtlich erhebliche Fehler unterlaufen sind oder ob sie bei der Gesamtabwägung die Bedeutung der betroffenen Grundrechte – insbesondere des Art. 14 Abs. 1 GG – oder sonstiger grundgesetzlicher Wertungen grundsätzlich verkannt haben.
Ausgehend von den erwarteten Braunkohlemengen im geplanten Abbauzeitraum 2001 bis 2045 hat das Oberverwaltungsgericht prognostiziert, dass das Abbauvorhaben einen nicht unerheblichen Beitrag zur Stromerzeugung leisten wird. Es hat das Abbauvorhaben sodann im Hinblick auf die Leitentscheidungen der Landesregierung Nordrhein-Westfalen aus den Jahren 1987 und 1991 gewürdigt, auf seine Vereinbarkeit mit der Klimaschutzpolitik Deutschlands und der Europäischen Union sowie mit der Staatszielbestimmung Umweltschutz in Art. 20a GG hinterfragt und für insgesamt hinreichend gewichtig gehalten.
Die Interessen der Eigentums- und Umsiedlungsbetroffenen fügen sich in der Summe zu einem besonders gewichtigen Gemeinwohlbelang zusammen, der dem Tagebau entgegensteht. Zwar sind durchaus Zweifel angebracht, ob das Oberverwaltungsgericht diesen zentralen Belang mit dem ihm zukommenden Gewicht in die Gesamtabwägung eingestellt hat. Sie erweisen sich jedoch letztlich als nicht durchschlagend. Denn es steht außer Zweifel, dass dem Oberverwaltungsgericht die Dimension der Umsiedlungsfrage nach der Zahl der Betroffenen und den mit der Umsiedlung verbundenen spezifischen Belastungen bekannt und bewusst war. Die große Zahl der rund 7.000 Umsiedlungsbetroffenen war von Beginn der Planung als ein zentrales Problem dieses Projekts diskutiert worden. Dementsprechend hat sich die Braunkohlenplanung zum Tagebau Garzweiler, die auch Grundlage der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts war, intensiv und eingehend mit der Erhebung der Umsiedlungsbelastungen und der Minimierung der Umsiedlungsfolgen befasst.
->Quelle: bundesverfassungsgericht.de