Ex-energiepolitischer Grünen-Sprecher im Solarify-Selbst-Gespräch
Hans-Josef Fell, bis vor kurzem energiepolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, kritisiert im Solarify-Selbst-Gespräch hart die neue Bundesregierung: Maximal 60% Ökostrom will Wirtschaftsminister Gabriel bis 2035 gesetzlich verbindlich vorschreiben. Dies sei gleichbedeutend mit dem gesetzlich garantierten Schutz von mindestens 40% Strom aus fossilen Kraftwerken. Da der Atomausstieg bis dahin ja längst verwirklicht sein solle und da Erdgasgaskraftwerke wegen hoher Gaspreise nicht mehr wettbewerbsfähig seien, bedeute dies nichts anderes ein Festschreiben des Anteils der Kohleverstromung von mindestens 40%. So würde der heutige Kohlestromanteil von etwa 45 % fast vollständig noch weit über 20 Jahre geschützt werden.
Also wenn Sie mich fragen…
…ob es denn diese Bundesregierung mit der Energiewende ernst meint, dann muss man zunächst mal fragen, was ist denn überhaupt die Energiewende?
Und da fängt das Problem doch schon an, jeder unterstützt zwar nach außen mit Worten die Energiewende, aber was sie wirklich meinen, wird ja kaum definiert. Der kleinste gemeinsame Nenner ist ja noch der Atomausstieg könnte man meinen, den will doch jeder von Union und SPD.
Wirklich?
Der Atomausstieg war doch eine Folge, der Erkenntnis nach Fukushima, dass die Nutzung der Atomkraftwerke nicht mehr verantwortbar sei und die Gefahren der Bevölkerung nicht mehr zugemutet werden können. Ja, sind denn die AKW an den deutschen Grenzen in Frankreich, Belgien, Schweiz oder Tschechien alle sicher? Wir hörten doch immer, dass angeblich die deutschen AKW die sichersten der Welt seien, also müsste man nun, um die deutsche Bevölkerung zu schützen endlich auch in der EU auf einen Atomausstieg hin wirken.
Die große Koalition will zwar dafür in der EU „werben“, aber zugleich fordert sie neue Investitionen in die Sicherheit. Sicherheitsinvestitionen statt das Abschalten unsicherer Reaktoren sind aber doch gleichbedeutend mit Laufzeitverlängerungen und da die Koalition ja nicht an EURATOM, das große stützende Fundament der Atomwirtschaft heran will, wird sie also weiter brav Milliardenbeträge über EURATOM an die europäischen Atomkraftnationen zahlen, damit in der EU die Atomkraft ausgebaut und erhalten werden kann. Ein Atomausstieg und die Energiewende sehen wahrlich anders aus.
Aber sind den nicht die großen Anstrengungen der großen Koalition für die Erneuerbaren Energien hilfreich für die Energiewende?
Auch hier ist doch Fehlanzeige. Nachdem schon die Solarenergie, die Biogasinvestitionen und die Geothermie von der Vorgängerregierung so unter Druck gesetzt wurden, dass Neuinvestitionen massiv eingebrochen sind, Insolvenzen und Arbeitsplatzverluste eine einst blühende Branche dezimiert haben, soll nun der Rotstift auch bei der Windkraft angesetzt werden. Seehofer will die Abstände der Windräder zur Wohnbebauung so weit vergrößern, dass er über die „Genehmigungspraxis“, wie teilweise in Bayern ja schon praktiziert, den Ausbau der Windkraft fast völlig torpedieren will. Und Gabriel macht gleich mehrere Vorschläge, wie die Vergütungen für die Windkraft vor allem im Süden so stark eingeschränkt werden soll, dass Investitionen sich kaum mehr rechnen.
Ja, wer sollen denn dann noch die Ausbaupläne der Bundesregierung für Erneuerbaren Energien umsetzen?
Wenn man weiß, dass die bisherige Energiewende zu über 90% Prozent von Bürgergemeinschaften, Privatleuten, Landwirten u.a. aber nicht von den Konzernen gemacht wurde, so müsste man davon ausgehen, dass die Koalition nun die Bürgerenergiewende stützen müsste, denn auf die Konzerne kann man ja nicht zählen. Sie haben ja doch nur den Schutz der eigenen Großkraftwerke, vor allem der Kohle im Kopf.
Aber genau da wollen doch SPD und Union auch erheblichen Druck ausüben. Mit immer neuen Belastungen, wie verpflichtende Direktvermarktung oder EEG-Umlage auf die Eigenstromerzeugung wollen sie der Bürgerenergiewende das Licht ausblasen. Denn es geht ja um den Bestandsschutz der Kohlekraft, die heute gut 40% der Stromerzeugung leistet. Genau diesen Anteil will ja Gabriel schützen, da er ja vorgeschlagen hat, dass die Erneuerbaren Energien bis 2035 maximal 60% beitragen dürfen. Den Rest von 40% bringt dann wie heute die Kohle.
Nein diese Koalition meint es nicht ehrlich mit der Energiewende. Sie spricht zwar sehr viel davon, handelt aber genau im Gegenteil.
Hans-Josef Fell, geb 1952 bin Hammelburg/Ufr., war bis nach der letzten Bundestagswahl als Bundestagsabgeordneter energiepolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.