Die Gestehungskosten für Strom insbesondere aus Photovoltaik, aber auch aus Windenergie, sind in den letzten Jahren stark gesunken. Wie verändert sich dadurch die Rolle der Erneuerbaren in der Energiewirtschaft?
Durch diese fulminante Entwicklung eröffnen sich immer mehr Nutzungsvarianten abseits der fixen EEG-Vergütung. Nicht nur Einfamilienhausbesitzer, auch Gewerbebetriebe oder Wohngenossenschaften können sich mit vor Ort erzeugtem Strom aus Photovoltaik, mit Wärme aus Solarthermie oder BHKWs selbst versorgen oder beliefern lassen. Für größere Gewerbe ist auch ein Windpark auf dem Werksgelände denkbar, wie BMW das im Werk Leipzig vorgemacht hat. In all diesen Fällen ist nun nicht mehr nur der Eigenverbrauch, sondern auch eine Liefersituation denkbar.
Wer also nicht selbst Investitionen tätigen und Knowhow aufbauen möchte, kann sich von einem Dienstleister, wie etwa der Naturstrom AG, mit vor Ort erzeugter Ökoenergie versorgen lassen. Regionale oder lokale Modelle, wie sie nun zunehmend interessant werden, sind gerade auch für die Einbindung und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger eine große Chance. Denn die Energiewende wird nur dann ein Erfolg, wenn sie dezentral und bürgernah gestaltet wird.
Aber damit wir uns nicht falsch verstehen: Die fixe Einspeisevergütung ist nach wie vor enorm wichtig und sollte auf keinen Fall gekippt werden! Sie muss als Fallback-Lösung bestehen bleiben, um den vielen privaten Investoren im Bereich der Erneuerbaren ein Mindestmaß an Planungssicherheit zu erhalten. Hunderte Bürger-Energiegesellschaften, die von ihren Banken andernfalls keine Finanzierung mehr erhalten würden, könnten sonst ins Abseits gedrängt werden.
Bis zum Sommer soll die nächste EEG-Novelle unter Dach und Fach sein. Was erwarten Sie von dieser Novelle?
Nach dem, was im Eckpunktepapier von Energieminister Gabriel zu lesen ist, nicht viel Gutes. Beim Ausbau der Erneuerbaren wird kräftig auf die Bremse getreten, wie die Einführung von Ausbaukorridoren für Windenergie und Biomasse und die Absenkung des bestehenden Ausbaukorridors für Photovoltaik zeigen. Gleichzeitig werden dezentrale Elemente zulasten der alten, zentralistischen Strukturen zurückgedrängt. Der atmende Deckel schwächt beispielsweise die Investitionssicherheit vor allem für Windkraftanlagen, deren Projektplanung mehre Jahre benötigt. Bürgerinnen und Bürger, die vor Ort in einen Windpark investieren wollen, werden diese Unsicherheit womöglich deutlich zu spüren bekommen – bei Gesprächen mit örtlichen Banken wie auch bei der Gewinnung von Mitstreitern. Auch europaweite Ausschreibungen, die ab 2017 die Regel sein sollen, sind Gift für Bürgerbeteiligungsmodelle. Bürger-Energiegesellschaften werden in solchen Ausschreibungen keine Chance haben – wenn sie überhaupt antreten können, bei dem zu erwartenden Geld- und Personalaufwand.
Die Akteursvielfalt, welche die Energiewende seit ihren Anfängen in den 90er Jahren auszeichnet, ist in Gefahr. Deswegen ist unter Mitwirkung von Naturstrom auch kürzlich das Bündnis Bürgerenergie (BBEn) an den Start gegangen, das die Belange von Bürgerinnen und Bürgern, die sich für die Energiewende engagieren, gegenüber Politik und Öffentlichkeit vertritt.
Ein wirklich zukunftstaugliches EEG muss die bürgerschaftliche Initiative stärken, von der die Erneuerbaren bislang leben. Und es muss Pioniergeist fördern, anstatt ihn einzudämmen. Wir sind jetzt an einer Schwelle, an der sich vielfältige Optionen für eine wirtschaftliche Nutzung der Erneuerbaren jenseits der fixen Einspeisevergütung auftun. Für solche Ansätze muss das EEG Räume schaffen.
Dr. Thomas E. Banning steht seit 2002 an der Spitze der NATURSTROM AG – zunächst als alleiniger Vorstand, seit 2011 als Vorsitzender des zweiköpfigen Vorstandsteams. Der promovierte Betriebswirt war 1999 zunächst in den Aufsichtsrat des Unternehmens berufen worden, dessen Vorsitz er ein Jahr später übernahm und 2002 zugunsten des Vorstandspostens abgab.