MPI-BGC: Schwankungen der globalen Kohlenstoffbilanz verstärken sich

Kohlenstoffhaushalt des tropischen Regenwaldes reagiert immer empfindlicher auf kurzfristige Temperaturveränderungen

Eine Vermutung, die Klimaforscher schon länger hegen, bestätigt sich jetzt. Ein internationales Team, an dem auch Martin Heimann, Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena beteiligt war, belegt anhand von Messdaten erstmals, dass sich die Rückkopplung zwischen Temperaturveränderungen in den Tropen und dem globalen Kohlenstoffbudget mit dem Klimawandel verstärkt. Die Forscher haben natürliche Schwankungen analysiert, denen die von tropischen Regenwäldern aufgenommenen und abgegebenen  Kohlendioxidmengen von Jahr zu Jahr unterliegen. Demnach reagiert der tropische Kohlendioxidhaushalt immer empfindlicher auf Temperaturveränderungen; Klimaforscher sprechen davon, dass der Kohlenstoffkreislauf sensitiver wird.

Der Klimawandel hat die Welt allen Anzeichen nach bereits fest im Griff. Wie schlimm er die Erde treffen wird, ist aber immer noch nicht ganz klar. So weisen die Ergebnisse der Modellsimulationen, mit denen Klimaforscher die Erderwärmung in den nächsten Jahrzehnten prognostizieren, Bandbreiten von ein paar Grad Celsius auf. Bereits mehr als zwei Grad gelten für viele Menschen und Ökosysteme jedoch als bedrohlich.

Die Unsicherheit entsteht, weil Klimamodelle zahlreiche Prozesse und Zusammenhänge im Klimasystem noch nicht genau abbilden. Fraglich ist etwa, wie sich Rückkopplungen zwischen Klima und Kohlenstoffkreislauf auswirken werden: Wissenschaftler vermuten, dass die Erwärmung zusätzliches Treibhausgas, etwa aus Permafrostböden oder Regenwäldern, freisetzen wird, sodass die Temperatur der Erde weiter zulegt. Andere Prozesse könnten die Menge des Kohlendioxids in der Luft dagegen reduzieren, wodurch sich die Erderwärmung abschwächen würde. Viel spricht jedoch dafür, dass die Prozesse, die der Erde durch Rückkopplungen weiter einheizen, die Oberhand gewinnen werden. Um genauere Prognosen abgeben zu können, wollen Klimaforscher die Rückkopplungen besser verstehen. Dabei ist eine Kollaboration um chinesische Wissenschaftler nun einen Schritt weitergekommen.

Auf trockenen Böden bauen Pflanzen weniger Biomasse auf

„Wir haben anhand von Messdaten jetzt erstmals nachgewiesen, dass sich die Sensitivität des tropischen Kohlenstoffhaushalts für Temperaturveränderungen bei einer Erwärmung erhöht“, sagt Martin Heimann. „Unserer Analyse zufolge reagieren die Schwankungen, denen die Kohlenstoffbilanz von Jahr zu Jahr unterliegt, heute doppelt so empfindlich auf Unterschiede in der mittleren Jahrestemperatur wie vor 50 Jahren.“

Generell nehmen die tropischen Regenwälder mehr Kohlendioxid auf, als sie abgeben. In wärmeren Jahren binden sie aber weniger Treibhausgas als in kühleren. Daher schwankt die Kohlenstoffbilanz der Tropen innerhalb weniger Jahre, weil es dort etwa wegen des El-Nino-Phänomens in manchen Jahren heißer ist als in anderen. Weil die Erde sich aber in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt erwärmt hat und die Empfindlichkeit des tropischen Kohlenstoffhaushalts gestiegen ist, blieben in den vergangenen 20 Jahren bei einer kurzfristigen Erwärmung um ein Grad Celsius zwei Milliarden Tonnen mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre als in der Zeit von 1961 bis 1980.

Das ist mehr als doppelt so viel Treibhausgas, wie in Deutschland jährlich in die Luft geblasen wird. In kühleren Jahren nehmen die Regenwälder die gleiche Menge zwar auch wieder auf, die höhere Sensitivität der kurzfristigen Schwankungen könnte aber auch für langfristige Veränderungen im Klimasystem sprechen: „Die tropischen Ökosysteme sind insgesamt offensichtlich empfindlicher für Klimaschwankungen geworden“, sagt Martin Heimann. „Man kann spekulieren, dass dies auch die längerfristige Entwicklung beeinflussen wird.“

Als Grund für das heftigere Auf und Ab in der tropischen Kohlenstoffbilanz hat die Gruppe unter Leitung chinesischer Forscher Veränderungen in der Fotosyntheserate der Pflanzen ausgemacht. „Die Temperaturveränderungen von wenigen Zehntel Grad Celsius an sich beeinflussen die Fotosynthese bei tropischen Temperaturen jedoch kaum“, erklärt Heimann. Die Temperatur dient allerdings als zuverlässiger Indikator für die Feuchtigkeit des Bodens. Zwar können bei steigender Temperatur die Niederschläge in den Tropen zunehmen, aber es verdunstet auch mehr Wasser aus dem Boden. Und offenbar überwiegt dieser Effekt.
Folgt: Vom globalen Kohlenstoffbudget zum Kohlenstoffhaushalt der Tropen